Zum fünften Mal war er nominiert, James Gruntz, jetzt endlich hat er ihn erhalten, den Basler Pop-Preis. Der 25-jährige Sänger und Songwriter überzeugte die Fachjury, Soulsängerin Ira May das Publikum – und Roli Frei die Musikkritiker.
«In den vergangenen Tagen versuchte ich mich abzukühlen, um einer Enttäuschung vorzubeugen», sagte James Gruntz vor Basler Musik- und Politprominenz. Dann hielt er ein wenig schüchtern die Trophäe in die Höhe und sagte: «Fühlt sich gut an, hat Gewicht. Merci viel, viel mol.»
Es war der Schlusspunkt eines Verleihungsreigens, und für ihn selber doch erst der Anfang: Der Anfang eines Prozesses, in dem sich der Sänger und Songwriter bewusst werden muss, dass er es endlich geschafft hat. «Ich brauche wohl noch ein paar Tage, bis ich verstehe, was das heisst, den Pop-Preis gewonnen zu haben.» Dabei hatte er sich das doch schon so oft ausmalen können.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Viermal schon war Gruntz für diesen Preis nominiert gewesen. Stets ohne Erfolg. Man hätte daher verstanden, wenn er heuer nicht aufgekreuzt wäre. Das muss doch wehgetan haben, zuletzt 2013, als die Band Sheila She Loves You feierte und er abermals leer ausging. «Am Tag danach, als ich erwachte, ja, da fragte ich mich schon, was hier abgeht. Aber enttäuscht war ich nicht…»
Nicht?
Er schaut ins Glas. «Ja, gut, es hat mich dann doch stärker ‹möge›, als ich es mir eingestehen wollte. Ich hätte das Preisgeld besonders gut brauchen können.»
Bewusster Müssiggang, bewegende Musik
Denn Jonas Gruntz hatte gerade sein Musikstudium beendet und nach vielen Konzerten als James Gruntz endlich mal Zeit, um durchzuatmen. Angesagt war Müssiggang, Inspirationssuche, Songwriting, Plattenaufnahme. «An einem Tag schaute ich mir Filme an, an einem anderen schrieb ich einen Song und dann wiederum widmete ich mich alltäglichen Fragen. Ob Leinen wohl der bessere Stoff sei für ein Küchentüchlein als Baumwolle.» (Seine Erkenntnis: Baumwolle).
In diesen Monaten entstand das neue Album «Belvedere», ein sehr smartes Werk, sehr reif, sehr stark.
Als seine diesjährige Nomination bekannt wurde, fragte man sich also: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Konnte man ihm das noch einmal antun, dem sympathischen Giel, der meist Berndeutsch spricht, in dem aber ein Basler Herz schlägt und der mittlerweile in Zürich lebt?
Nein. Diesmal setzte er sich durch. «Es wurde intensiv diskutiert, argumentiert. Und am Schluss fiel der Entscheid einstimmig», sagte Steffi Klär im Namen der Fachjury.
Publikumspreis an Ira May, Business Support für A Tree In A Field
Dass James Gruntz im Jahr 2014 den auf 15’000 Franken dotierten Basler Pop-Preis erhielt, bedeutete auch, dass Bleu Roi, End, Anna Aaron und Ira May leer ausgingen. Letztere aber, Soulsängerin und Basler Shooting Star des Jahres, konnte sich trösten: Sie wurde von Online-Votern mit dem Publikumspreis gewürdigt. Des Weiteren erhielt Marlon McNeill zum zweiten Mal den Business Support für sein Label A Tree In A Field Records.
Roli Frei: Nach 44 Jahren erstmals geehrt
Und dann wurde da auch noch ein neuer Preis eingeführt: Der Anerkennungspreis in Höhe von 5’000 Franken, gesponsert vom Basler Gastrobetrieb L’Unique. Dass der Preis nicht ohne Sponsor auskommt: ein Schönheitsfehler, unbestritten hingegen, dass der beseelte Sänger und Songwriter Roli Frei diesen verdient hat. Weil ältere, etablierte Musiker oft durch die Maschen der Förderkriterien fallen und dennoch angewiesen sind auf jeden Franken, hatte er einst selber für einen weiteres Förderinstrument plädiert.
Dass er diesen Preis nun gleich selber erhielt, war kein abgekartetes Spiel, nein, 20 Musikkritiker hatten fast so viele verdiente Musikschaffende nominiert und am Ende Roli Frei die Mehrheit der Stimmen gegeben. Völlig verdient, angesichts dessen, was er geleistet hat, als Frontmann in Bands wie Circus, Lazy Poker Blues Band und Soulful Desert.
In den 44 Jahren als Musiker sei es das erste Mal, dass er in seiner Heimatstadt mit einem Preis geehrt würde, sagte Frei sichtlich bewegt und gerührt. Er erinnerte an eine Zeit, als man als freischaffender Musiker froh war, wenn einem die Milchunion das Konzertplakat sponserte. Mehr gabs da lange nicht, vor der Gründung dieses Rockfördervereins vor 20 Jahren.
Als Musiker noch mit Skikappen von Grossbanken geehrt wurden
Auch Vereinspräsident Ramon Vaca blendete zurück, in seine Anfangsjahre in einer Schülerband. Pop-Preise gab es noch keine, bestenfalls Jekami-Talentwettbewerbe. Einen solchen gewann er seinerzeit und damit eine SKA-Skikappe und einen Weltatlas. Dann kam 1994 der RFV, der sich von einer Selbsthilfegruppe zu einer festen Institution gewandelt habe.
Tatsächlich darf man bei allen kritischen Diskussionen, die um die hiesige Popförderung geführt werden, nicht vergessen, wie es auch mal war. Und auch, wie es heute noch ist, verglichen mit anderen Sparten, für deren Spitze grosszügigere Fördertöpfe zur Verfügung stehen. Wie viele freie Musiker buhlen in der Schweiz ums Publikum – und freuen sich über jeden Franken, den sie in ihre Plattenproduktionen und Tourneen stecken können. Von Proberaummiete oder gar einem Lohn ganz zu schweigen. «Weisst du, es ist komfortabler, im Theaterbereich tätig zu sein», flüsterte uns ein Schauspieler, der auf beiden Sparten-Bühnen tanzt, denn auch freimütig zu. «Im Schweizer Theater ist im Verhältnis mehr Geld vorhanden – und das für eine überschaubarere Szene.»
Tino Krattiger sammelt für einmal für einen Bus statt ein Floss
In diesem Sinne sei auf das Plädoyer von Tino Krattiger verwiesen, der zu Beginn des Abends das Mikrofon an sich riss, aber für einmal nicht für sein Floss warb, sondern für einen Bus, für einen zweiten Basler Bandbus. Den brauche es, weil die Nachfrage und Grösse beim bereits existierenden Modell an die Kapazitätsgrenzen gestossen seien. 20’000 Franken werden dieser Tage via Crowdfunding gesammelt, erst 11’400 waren bis zur Verleihung im Topf.
Krattiger animierte die Menge mit einem Tausender aus der Kasse von «Im Fluss». Und er drohte, das Feld erst zu verlassen, wenn andere mitziehen würden. So brach der Temporär-Conférencier das Eis, entlockte Besuchern ein paar Hunderter. Und lachte wie alle anderen auch, als Baschi Dürr den Spruch nach vorne schickte, der Lotteriefonds würde auch noch 2000 rüberschieben. Eine durchaus selbstironische Anspielung auf die aktuelle Kritik an der Basler Swisslos-Verordnung, die eine Diskussion initiiert hat darüber, wer in den Genuss von Geldern kommen soll und wo die «Gemeinnützigkeit» aufhört und Kommerzialität anfängt.
Verknorzter Umgang mit der Kritik
Diese Debatte wird an einem anderen Tag weitergeführt, ebenso jene, die Moderatorin Katja Reichenstein mehrmals andeutete und die latent im Raum schwebte, aber die sie seltsam verknorzt nie klar beim Namen nannte: Die Debatte über das Verfahren, die Kriterien, die Juryzusammensetzung des Basler Pop-Preises und damit indirekt auch die Kritik an der Arbeit des RFV, ausgelöst durch Unmut aus HipHop-Kreisen («Schon wieder Anna Aaron, erneut James Gruntz»). Dies, nachdem wir in den Monaten das Ende einer Ära bemerkt hatten und ein Jahr zuvor bedauerten, wie damals die weiblichen Musikerinnen ignoriert worden waren.
Dass eine völlig unbeteiligte Band wie End danach gefragt wurde, was sie von Kritik am Pop-Preis halte, war ein reichlich verknorzter Versuch, irgendwie auf die Debatte einzugehen. Aber eigentlich hätten sich RFV-Geschäftsführer Tobit Schäfer oder Präsident Vaca äussern müssen.
Die Debatten, sie sind noch nicht ausdiskutiert, 20 Jahren nach Gründung des RFV. Bis dahin darf man einen zweiten Basler Bandbus auf direktem Weg möglich machen. Wer spendet, erhält im Gegenzug eine Belohnung. Für 75 Franken zum Beispiel eine signierte LP von Publikumsliebling Ira May.