Jeder Buchstabe ein Kunstwerk

Bob and Roberta Smith ist – entgegen der ersten Vermutung – ein Mann. Der britische Künstler, der politisch denkt, aber den Leuten keine Meinung aufzwingen will, stellt ab heute neue und ältere Werke in der Galerie Von Bartha Garage aus. Im Video erzählt er, was ihn motiviert.

Bob and Roberta Smith, ein Künstler mit Humor, und eine kleine Geschichte aus seiner Kindheit. (Bild: Nils Fisch)

Bob and Roberta Smith ist – entgegen der ersten Vermutung – ein Mann. Der britische Künstler, der politisch denkt, aber den Leuten keine Meinung aufzwingen will, stellt neue und ältere Werke in der Galerie Von Bartha Garage aus.

Kein Hut, keine Mütze. Wir sind fast etwas irritiert: Bob and Roberta Smith kennt man sonst eigentlich nur mit Kopfbedeckung. Stattdessen steht heute in der Galerie Von Bartha Garage ein hutloser Herr in Sacko und Brille. «Hello, I’m Bob», empfängt er uns.

Irritierend ist nicht nur, dass Bob (der mit bürgerlichem Namen Patrick Brill heisst) keinen Hut trägt. Wir stellen die auf der Hand liegende Frage: «Sie sind nur eine Person, wieso nennen Sie sich Bob and Roberta?» Bob gibt höflich Auskunft, die Frage ist er wohl gewohnt. Er klärt uns darüber auf, dass Roberta tatsächlich so heisst und seine Schwester sei, mit der zusammen er ursprünglich das Künstlerduo «Bob and Roberta Smith» erfand.

«Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, den Menschen klarzumachen, dass Kunst oder eine kreative Tätigkeit ein Grundbedürfnis der Menschen darstellt – und ein Grundrecht. Dass Kunst wichtig ist für eine Demokratie», erzählt der 50-jährige Künstler. Ironischerweise sei seiner Schwester das ganze Kunstbusiness irgendwann zu elitär geworden, und sie habe sich zur Psychotherapeutin umschulen lassen. Bob blieb alleine übrig, behielt den Doppelnamen allerdings bei.

Fragende Slogans

Auch der einst gemeinsamen Sache blieb er treu. Noch immer kämpft er dafür, dass die Leute ihre eigene künstlerische Stimme finden. Dies tut er mit Worten. Mit gesprochenen, aber hauptsächlich mit gemalten. Einige seiner auf Holz gemalten Arbeiten erinnern an Schilder, die Demonstranten mit sich tragen. Doch statt schlagkräftige Slogans zu präsentieren, stellen sie Fragen: «Up? Down?» oder «Do you want to make your own art?» steht darauf geschrieben. Die Antworten sollen die Betrachter mit sich selber ausmachen, sagt der Künstler, er wolle sie nicht lenken.

In seinem Denken sei er ein politischer Künstler, aber es gehe ihm nicht immer nur um Politik. Kann man das einem abnehmen, der im vergangenen Jahr eine Partei gegründet hat? «The Art Party» heisst sie, und sie ist als Protest gedacht. Der britische Bildungsminister Michael Gove möchte die Vorkurse an den Kunsthochschulen abschaffen, weil sie unnötig seien. «Das ist Quatsch», sagt Bob, der selber an der London Metropolitan University unterrichtet. «Die Kurse sind immens wichtig für die jungen Leute, um sich zu orientieren. Um herauszufinden, in welche Richtung sie sich ausbilden lassen wollen.»

Spart nicht bei der Kunst!

Politiker würden in Krisenzeiten immer denken, bei der Kunst könne man sparen, sagt Bob. Das sei aber ein schrecklicher Trugschluss, denn gerade in Krisenzeiten sei Kunst wichtig – nicht nur als Ausdrucksmittel. Und, um zur Frage zurückzukehren, natürlich habe er grundsätzliche politische Anliegen. Die Freiheit, Kunst machen zu können, sei für ihn beispielsweise gleichzusetzen mit der Redefreiheit. «Doch es geht nicht um die Frage, ob ich links oder rechts stehe im politischen System. Oder wessen Anliegen ich vertrete», erklärt er. Es gehe ihm in seinem Schaffen darum, die Leute zum Denken anzuregen. An welchem Punkt sie ankommen, sei dann nicht mehr seine Sache.

Selbst erlebt: «11 September 2001».

Selbst erlebt: «11 September 2001». (Bild: ©Bob and Roberta Smith/Von Bartha Galerie)

Was er mit seinem Pinsel in Buchstabenform bringt, sind denn auch tatsächlich keine politischen Anliegen – Ausnahmen wie etwa der Brief an Bildungsminister Gove oder eine künstlerische Protestnote gegen Pestizide bestätigen die Regel. Festgehalten wird alles, der flüchtige Gedanke nach dem Aufstehen ebenso wie die kurze Anekdote aus der Kindheit. Und das gerne mit einer Prise Humor. Das kann bis zur Selbstentblössung gehen, wenn der Künstler etwa aufschreibt, wie er am 11. September 2001 das «Disaster» zuerst vor allem darin sah, dass ein New Yorker Galerist es nicht an seine Ausstellung in San Francisco schaffte.

Viele seiner Texte malt Bob and Roberta Smith in selbst kreierten Buchstaben auf Fundstücke. Meist sind diese aus Holz – «Es ist erstaunlich, wieviel Holz die Menschen wegwerfen» –, es kann aber auch eine Kühlschranktür sein. Der Inhalt des Geschriebenen ist dabei nur ein Teil des Kunstwerks. Der andere Teil ist der ästhetische: Die einzelnen Buchstaben für sich sind Bilder, aber auch das Gesamte. Als Kind habe er oft Buchseiten angeschaut, erzählt er – nicht wegen des Textes, sondern wegen der Form. «Auch derjenige, der nicht lesen kann, soll etwas mit meinen Bildern anfangen können», erklärt er. Genauso wie jeder die Möglichkeit haben soll, selber Kunst zu schaffen beziehungsweise kreativ tätig zu sein.

Kritisches Denken setzt der Brite dabei voraus. Denn Fragen und Hinterfragen gehören zu Bob and Roberta Smiths Grundkonzept. «Alles lässt sich befragen», sagt er. Kritisch werde es, wenn das Denken aufhöre. Solange er kann, wird er deshalb Fragen stellen. Und wenn es so lapidare sind wie «Essen Sie genug Gemüse?»

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Bob and Roberta Smith stellt vom 18. Januar bis 15. März in der Von Bartha Garage am Kannenfeldplatz in Basel aus. Vernissage ist am Freitag, 17. Januar, von 18–21 Uhr.

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