Kaffeegeruch aus der historischen Küche

Im Haus zum Kirschgarten tritt das historische Wohnen in einen Dialog mit der zeitgenössischen Wohnkultur. Was könnte besser passen?

(Bild: HMB, Natascha Jansen)

Im Haus zum Kirschgarten tritt das historische Wohnen in einen Dialog mit der zeitgenössischen Wohnkultur. Was könnte besser passen?

Durch den Garten schreitet man ins Museum für Wohnkultur, als wärs ein kleiner Weg durch den Vorgarten, der zur Haustüre führt. Im Falle des Hauses zum Kirschgarten ist der Vorgarten einfach etwas grösser und die Türe ein Tor, durch das früher Kutschen fuhren – ansonsten aber passt das Gefühl. Denn Wohnen beginnt nicht erst im Haus, sondern schon im Garten, wie auch in der Ausstellung «Sag mir, wie du wohnst…» bewiesen wird.

Marie-Paule Jungblut, Direktorin des Historischen Museums Basel (HMB), hatte bei ihrem Antritt klar gemacht, dass sie die vier Häuser des HMB in einen Dialog mit der Gegenwart treten lassen will. Das Haus zum Kirschgarten stellte dabei immer einen Klotz am Bein dar: ein wunderschönes Haus zwar, aber starr in der vorgegebenen historischen Einrichtung. Dabei ist gerade hier der Dialog sehr einfach, wie sich jetzt zeigt – wenn man das richtige Thema wählt.

Individuelle Ansprüche

Wohnen betrifft uns alle – egal, ob wir jeden Monat Miete überweisen oder zum Wohneigentum schauen. Für manche ist Wohnen eine Nebensache, notwendig wie die Nahrungsaufnahme, andere erheben es zur Kunstform.

Das Ende der Kutschendurchfahrt im Haus zum Kirschgarten wird versperrt von einem Wohnmobil. Es steht für eine Wohnform, genauso wie das herrschaftliche Stadtpalais für eine steht: Das über 200 Jahre alte Haus ist charakteristisch für seinen Bauherrn und Bewohner Johann Rudolf Burckhardt. Es zeugt von seinem Antikeninteresse ebenso wie vom Repräsentationsanspruch des Textilfabrikanten und Grosskaufmanns.

Die Wohnung eines Menschen wird gerne als «dritte Haut» bezeichnet. Sie bietet allerdings nicht nur Schutz, sondern ist Ausdruck unserer Individualität. Beim Rundgang durchs Museum wird klar, dass es manchmal ganz einfach ist, einem Menschen einen Raum zuzuweisen, manchmal aber überhaupt nicht. Kuratorin Sabine Söll-Tauchert hat für die Ausstellung Objekte und Fotos heutiger Wohnungen zusammengesucht. Einige davon entstammen der NZZ Folio-Rubrik «Wer wohnt da?». Weiter geben die Schüler einer Klasse des Zentrums für Brückenangebote Einblicke in ihre Zimmer. So wird der Besucher teilweise zum Voyeur, der automatisch versucht, über die Einrichtung Rückschlüsse auf die Personen zu ziehen. Ein vom Museum angefertigtes Puzzle jedoch zeigt, wie falsch wir vielleicht liegen können.

Zentrales Objekt der Ausstellung ist aber das Haus zum Kirschgarten an sich. Weil sich an der Einrichtung wenig verändern lässt, wurde Zeitgenössisches hinzugefügt, wodurch sich der Dialog eröffnen soll. Das gelingt mal besser, mal weniger gut. Die modernen Tapeten etwa, die auf die Treppenhauswände projiziert werden, verändern die Wahrnehmung darauf in erstaunlichem Masse. Im Badezimmer jedoch, das auch gar nicht in seiner ursprünglichen historischen Form erhalten ist, können die zwei zugefügten Fotos heutiger Badezimmer nicht wirklich auf das Setting einwirken.

Plätschern und Düfte

Dass Wohnen auch eine sinnliche Komponente hat, greifen die Ausstellungsmacher unter anderem mit Soundinstallationen auf. So plätschert im Bad das Wasser einer Dusche, dazu singt ein Mann schrecklich falsch. Im Raum, der früher für Empfänge gedacht war, vermischen sich neuzeitliche Geräusche wie Telefonklingeln mit historischen wie Pferdegetrappel. Das Wohnzimmer wird abwechselnd in unterschiedliche Farbtöne getaucht und führt uns vor Augen, wie unterschiedlich Farben auf unser Wohlbefinden auswirken. Die wohl dezenteste Reizung der Sinne geschieht in der Küche: Hier riecht es nach Kaffee – ein flüchtiger Duft, so bekannt, dass er vielleicht gar nicht auffällt.

Büro, Flur, Schlafzimmer – kein Teil der Wohnung, der nicht abgehandelt wird. Zu sehen gibt es vieles, doch ein paar Worte mehr hätten wir uns gewünscht. Es sind etwas sehr kurze Zitate, in denen die Menschen über ihre Wohnformen erzählen.

Einen kleinen Eindruck, dass mehr manchmal eben doch mehr ist, vermittelt der Tisch des Künstlerduos «Ile flottante»: Mit der Hand streicht man darüber; erreicht man bestimmte Stellen, so erklingen im Kopfhörer Stimmen, die uns ihre Esstisch-Geschichte erzählen. Ein Highlight, weil man hier nahe herankommt an die Menschen. Sie sind doch das Zentrale, wenn es ums Wohnen geht. Gäbe es sie nicht, müsste man nicht darüber nachdenken. Man müsste keine Ausstellung darüber einrichten. Und man bräuchte keine Besucher, die sich diese ansehen. Dem Haus zum Kirschgarten wünschen wir ganz viele davon. Denn der Ausstellung gelingt es teilweise tatsächlich, dem alten Gemäuer etwas Leben einzuhauchen. Das ist aber erst der Anfang.

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«Sag mir, wie du wohnst…», Historisches Museum Basel, Museum für Wohnkultur, Haus zum Kirschgarten. 14. Mai bis 16. November. Achtung: Der Eingang ins Museum erfolgt wegen der Baustelle an der Elisabethenstrasse über den Garten an der Kirschgartenstrasse!

Ein umfangreiches und interaktives Veranstaltungsprogramm ergänzt die Ausstellung. Details dazu unter www.hmb.ch.

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