Die Basler Theatertruppe Gilliéron/Koch/Wey ergründet in der Reithalle der Kaserne Basel die Entwicklung des Menschen vom Homo Ludens zum «Homo Digitalis», wie sie ihr aktuelles Protjekt betitelten. Leider kommt Ersteres dabei etwas zu kurz.
Vor der Zuschauertribüne in der Reithalle der Kaserne Basel breitet sich ein weiter, blassblau ausgelegter Raum aus. Es ist, wie sich später zeigt, der leere Raum, der übrig bleibt, wenn sich die Menschen und ihre Immo- und Mobilien entmaterialisiert haben und nur noch die Daten oder Gedanken übrig bleiben. «Ich brauche diesen Körper nicht mehr», sagt eine der vier Figuren auf der Bühne.
Doch das ist erst später im Bühnenprojekt von Ariane Koch (Text), Zino Wey (Regie) und Moïra Gilliéron (Ausstattung), das den vielsagenden Titel «Homo Digitalis» trägt. Zu Beginn sind die vier Figuren (Anne Haug, Fabian Stumm, Bärbel Schwarz und Julius Feldmeier) noch da, eingezwängt in einer als 08/15-Stube ausgestatteten kleinen Wohnbox.
Das Leben findet im virtuellen Raum statt
In ihrem uniformen Outfit mit Jeans, dunklen Rollkragenpullis und weissen Turnschuhen sind sie bereits nicht mehr als Individuen erkennbar. Und nur einer wird überhaupt noch mit Namen genannt: Steve heisst er. Das klingt sehr nach Computerfreak, was er auch ist. Die anderen drei ebenfalls. Denn das Auffälligste an den Figuren ist der leuchtende Apfel auf den Laptops, mit denen sie, als wären es neue Körperteile, verschmolzen sind.
Das Leben hat sich in den virtuellen Raum verschoben. «Ich schreite hinfort, ganz ohne Körper, aber als impulsive Gestalt», sagt eine der Figuren. Es ist ein Textstück, das vielleicht von Ariane Koch stammt. Vielleicht aber auch über die Online-Plattform fiverr.com entstanden ist, über die sich für fünf bis fünfhundert Dollar so ziemlich alles kaufen lässt, was bei Amazon oder in anderen Internet-Läden noch nicht im Angebot ist.
Bei fiverr.com eingekauft
Die Theaterleute haben, wie eine Schriftprojektion zu Beginn zeigt, fleissig bei fiverr.com eingekauft. Musikstücke, Lieder, Textpassagen bis zu einer Tanzchoreografie. Das ist eine reizvolle Ausgangslage für eine theatrale Spurensuche. Eine, die mit witzig-hintersinnigen Textpassagen untermalt ist. Etwa: «Ich heirate einen Algorithmus.»
Ja. Dieser Algorithmus ist allgegenwärtig an diesem Abend, wie er es auch in der Welt des Computers ist. Als Begriff und irgendwie auch als Handlungsgerüst, das als Abfolge von Einzelschritten aufgebaut ist, die eben dazu führen, dass sich das physische Sein auflöst.
Klug durchdacht, aber etwas steif
Das ist klug durchdacht und wird auch präzise in Szene gesetzt. Einzelne Ausbrüche aus diesem stringent aufgebauten Aktionsgerüst – etwa die über fiverr.com choreografierte Tanzeinlage, lockern das Ganze auf und tragen dazu bei, dass der Abend nicht zu kopflastig ist.
Es ist ein spielerisch hintersinniges Projekt, das sich die drei Theatermacherinnen und -macher erdacht haben. Allerdings dringt dies in der Inszenierung nicht ganz durch. Zu sehen sind vier Figuren, die kaum je aus dem streng algorithmischen Trott ausbrechen. Das ist rein inhaltlich betrachtet ganz logisch und folgerichtig. Auf die Zuschauerinnen und Zuschauer wirkt es mit der Zeit aber etwas gar steif und blutarm.
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Gilliéron/Koch/Wey: «Homo Digitalis», Reithalle Kaserne Basel. Weitere Vorstellungen am 2. bis 5. April.