Die interimistische Direktorin des Historischen Museums engagiert sich seit Jahren für mehr Vermittlungsangebote für Kinder. Ihr Credo: Kinder darf man nicht für dumm verkaufen wollen.
Frau Piller, die Angebote für Kinder in Museen sind in den letzten Jahren frappant gestiegen. An zahlreichen Orten gibt es Workshops, Geburtstagsangebote, Führungen und interaktive Ausstellungen, die gezielt Kinder ansprechen. Woher diese plötzliche Aufmerksamkeit?
Ganz neu ist sie nicht. Die Institutionen sind sich bewusst geworden, wie wichtig Kinder als Zielgruppe sind. Früher konzentrierte man sich darauf, was man als Institution mitteilen will, und dachte nicht vom Besucher aus. Das machen wir heute anders. Bei uns beginnt die ganze Vermittlung beim Publikum: Wer ist es und was erwartet es von uns? Wie können wir die unterschiedlichen Interessen so stark wie möglich in unser Programm einbeziehen? Da gehören Kinder natürlich dazu.
Und wie ködert man Kinder?
Indem man sie ernst nimmt. Man darf Kinder nicht für dumm verkaufen wollen, das merken sie sofort. Dazu gehört, dass man sie nicht bloss als Zielgruppe auf dem Markt wahrnimmt, sondern als Menschen, die sich für die verschiedensten Sachen interessieren. Manchmal besteht in Institutionen das Vorurteil, dass es Kindern eigentlich egal ist, was ihnen vorgesetzt wird. Mit dieser «Kinder verstehen das sowieso nicht»-Schiene kann ich überhaupt nichts anfangen. Das ist ein grober Trugschluss. Kinder sind ein unglaublich anspruchsvolles Publikum, da darf man einfach keine Abstriche in der Qualität machen. Man muss ihnen zeigen, dass ein Museum etwas Tolles ist, dass es viel zu entdecken und zu erfahren gibt.
Wie kriegt man das hin?
Indem man nicht nur das Naheliegendste wählt, nicht die erstbeste Variante von Vermittlung durchführt. Bei unserer Ritter-Ausstellung beispielsweise lag auf der Hand, dass für die Buben Kettenhemden und Schwerter bereitliegen würden, aber wir wollten nicht einfach die klassischen Bilder reproduzieren und den Mädchen die langweilige Burgfräuleinrolle zuteilen. Gender ist auch immer ein Thema. Die Ritterfechtkurse waren auch für Mädchen. Und wir haben mit Coiffeur-Lehrlingen zusammengespannt, die den kleinen Besuchern aufwendige mittelalterliche Frisuren aller Art flochten. Das hat unglaublich gut funktioniert, es hat spielerisch das Thema vermittelt. Und das meine ich damit: einen Schritt weitergehen, nicht die billigen Varianten wählen. Dann kommen die Kinder auch wieder.
«Wenn wir nicht die naheliegendste Vermittlung wählen, kommen die Kinder auch wieder.»
Stichwort Nachwuchsförderung.
Genau. Bis Kinder ungefähr zwölf sind, geschieht ein Museumsbesuch häufig im Kontext der Familie. Diese Phase sollte man positiv nutzen. Und eben nicht, indem man ihnen irgendetwas vorsetzt, nur damit ihre Eltern für ein paar Stunden Ruhe haben.
Was ist mit Jugendlichen?
Ich bin weniger dafür, dass man sich mit Freizeit-Angeboten für unter 20-Jährige abrackert. Jugendliche verbringen ihre Freizeit nicht in Museen! Da sollte man sich nichts vormachen. Dafür umso enger mit den Bildungsinstitutionen zusammenarbeiten und spannende Angebote für Schulklassen und Ausbildungsgruppen ermöglichen. Wie gesagt: Vom Publikum aus denken. Wenn wir Kindern und Jugendlichen auf personalisierte Art und Weise zeigen können, dass ein Museum ein Ort ist, wo sie etwas Interessantes, Überraschendes für sich entdecken, dann haben wir unser Ziel erreicht. Wir arbeiten schliesslich nicht für eine Marketingagentur, wir arbeiten für ein Publikum.