Das Depot Basel denkt Design neu. Doch was bedeutet das konkret? Die TagesWoche hat bei den Machern des Pionierprojekts nachgehakt.
Manchmal ist es einfacher zu sagen, was man nicht ist. Im Falle des Depots Basel hört sich das dann so an: «Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie.» Der Begrüssungstext auf der Homepage: sympathisch kokett. Die dahinter steckende Jungmannschaft: geist- und ideenreich, selbstbewusst, voller Elan.
Doch was ist denn nun dieses Depot, was verbirgt sich hinter dem monolithischen Silo an der Schwarzwaldallee im noch unverbauten hinteren Teil des ehemaligen nt/Areals auf der heutigen Erlenmatt? Was genau passiert an jenem Ort, der zurzeit von einem Quintett um die Leiterin und bereits mehrfach ausgezeichnete Basler Nachwuchsdesignerin Laura Pregger (28) als «temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung» genutzt wird?
«Gar nicht so einfach, das in ein, zwei Sätzen auf den Punkt zu bringen», musste auch die ansonsten durchaus wortgewandte Pregger beim Start im letzten Herbst zugeben. Jetzt, nach einem aufsehenerregenden ersten Jahr, lassen sich die Konturen des Projekts Depot Basel bereits einiges schärfer skizzieren: Das Team um Pregger, Moritz Walther (25), Elias Schäfer (28), Matylda Krzykowski (30) und Rebekka Kiesewetter (32), rückt im Depot Basel nämlich genau diejenigen Bereiche aus Design und Gestaltung ins Zentrum, die dem Käufer ansonsten beim Erwerb eines Endprodukts verborgen bleiben. Sprich: Ideen und Konzepte, Diskurs und Reflexion, Herstellung und Manufaktur.
Zehrendes «work in progress»
So zeigten Gruppen geladener Gestalter ihr Werk im Depot etwa als «work in progress», indem sie ihre Stücke an Ort und Stelle entwarfen, her- und ausstellten – und damit von Beginn weg in einen Dialog mit den Besuchern traten. Diese konnten wiederum in Echtzeit verfolgen, wie Designobjekte entstehen. «Was steckt hinter einem Produkt?», ist dabei laut Pregger die Leitfrage des Projekts. «Uns interessiert, was Dinge wertvoll macht. Der Fokus liegt auf Qualität und Langlebigkeit, der Gestaltung und persönlichen Beziehung zu Gegenständen.»
Neben den insgesamt fünf Ausstellungen organisiert das Depot Basel daher auch Vorträge, Filmvorführungen und Workshops. Möglich gemacht hat dies die Stiftung Habitat, die den Kulturschaffenden das 800 Quadratmeter grosse Lager vorerst bis Ende 2012 als Zwischennutzung zur Verfügung stellt. Doch trotz allem lokalem Lob und internationalem Echo, welches das Depot Basel bereits verbucht: «Es war ein zehrendes Jahr», sind sich Pregger, Schäfer und Walther einig.
Bisher habe man konstant Vollgas gegeben, um das Label so rasch wie möglich aufzubauen und auch ausserhalb von Basel zu etablieren. «Dabei entstand bei manchen fälschlicherweise der Eindruck, dass wir hier alle gut bezahlte Vollzeitstellen haben», konstatiert Pregger mit ironischem Zug um die Mundwinkel: «Schön wärs. Wir arbeiten alle nach wie vor mehrheitlich ehrenamtlich.» Auch die klingenden Namen der internationalen Designszene, die das Depot immer wieder stolz präsentiert, kommen «aus Interesse am Projekt, nicht aufgrund finanzieller Anreize».
Keine Zeit zum Durchatmen
«Do it yourself» ist im Depot also nicht nur ein hipper Slogan, sondern tägliche Tatsache. Für das Team heisst das: jede Ausstellung von A bis Z selber auf- und abzubauen, während der Öffnungszeiten stets präsent zu sein, Verhandlungen mit Logistikpartnern und Zoll zu führen, auch mal eine Nacht lang selber plakatieren zu gehen – und sogar Alltagsgeschäfte wie Putzarbeit höchstpersönlich zu übernehmen. Keine Bagetelle: «Bei 800 Quadratmetern benötigt man einen ganzen Tag, um nur mal mit dem Staubsauger, Besen und Lappen durchzugehen», seufzt Walther lachend.
Zeit zum Durchatmen blieb bisher also kaum – und schon steht der nächste Kraftakt an. Ab Freitag ist im Depot gleich eine vierwöchige Doppelausstellung zu sehen: «Musterzimmer» geht zunächst der Geschichte der Präsentationsräume für Möbel und Designobjekte seit der Industrialisierung nach – und lässt heutige Schweizer Gestalter auf 4×4 Metern ihre Zukunftsvisionen dazu skizzieren. «Wie verändern die gesellschaftlichen und technologischen Umbrüche, Ressourcenknappheit und Finanzkrise unser alltägliches Leben?», laute dabei die dahinterstehende Fragestellung.
Bei «No Function – No Sense?» beschäftigen sich dagegen lauter im Ausland lebende Schweizer Gestalter an der Schnittstelle von Kunst und Design mit Gegenständen, die keine unmittelbare Funktion, keinen konkreten Zweck mehr haben – und mit der Diskussion um die Daseinsberechtigung solcher «L’art pour l’art»-Objekte.
Zwischen Stuhl und Bank
Spätestens danach steht auch die Zukunft des Depots bereits wieder zur Debatte: Nach einer letzten geplanten Ausstellung des Kunstkredits im Herbst wird es in der ungeheizten Halle zu kalt für weitere Projekte – «es sei denn für russische Wintermäntel», scherzt Schäfer.
Ob die Zwischennutzung übers Jahr 2012 hinaus verlängert wird, steht noch in den Sternen. Auch für die Macher selbst. «In der Winterpause werden wir ein erstes Fazit ziehen und neue Pläne schmieden. Denn für uns ist das Depot in erster Linie ein Gefäss: eine Idee, die an denkbar vielen Orten wieder auftauchen könnte», verrät Walther schmunzelnd.
Schliesslich sei die bewusste Positionierung zwischen Kultur und Wirtschaft, Kunst und Design nach wie vor ein Novum. Gerade diese Eigenheit, welche die Akquirierung von Fördergeldern jetzt noch erschwere, komme der «Kreativstadt Basel» langfristig zugute – davon sind die Macher überzeugt. «Zurzeit sitzen wir zwischen Stuhl und Bank – aber genau dieses Spannungsfeld reizt uns ja», bilanziert Pregger. Da ist er wieder: jener vielsagend ironische Zug um die Mundwinkel.
- Depot Basel, Erlenmatt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12