Das Potenzial im Designbereich ist in Basel gross. Dass es auch genutzt werden kann, daran arbeiten Politik und private Förderplattformen.
Wenn am Freitagnachmittag die Tore zur dritten Ausgabe der «Blickfang Basel» öffnen, warten auch einige lokale und regionale Designer gespannt auf die Publikumsreaktionen. Sie bieten an ihren Ständen die unterschiedlichsten Produkte an – Mode, Möbel, Schmuck und anderes. Vieles, was hier aus Basel angeboten wird, ist bereits etabliert – von Tanja Kleins Label «Kleinbasel» über die Tücher von «Matrix» bis zu den Brillengestellen von «Ramstein Optik». Doch dass jeder Basler den Namen eines Labels kennt, genügt für einen finanziellen Erfolg noch lange nicht. Die Modedesignerin Claudia Güdel etwa ist bereits seit der ersten «Blickfang Basel» mit dabei, obwohl sich ihr Bekanntheitsgrad nicht mehr nur auf die Region beschränkt und sie inzwischen einen Laden an bester Lage ihr Eigen nennt. Auf das Netzwerken, das an dieser Messe geschieht, will sie trotzdem nicht verzichten.
Damit interessiert sie sich in den Augen der Initianten der Messe für das Richtige, denn das Networking steht bei ihnen im Fokus: Die «Blickfang» bringt Designer verschiedener Städte zusammen, auf dass diese ihre Erfahrungen austauschen können. Wer profitiert davon nicht gerne? Umso erstaunlicher, dass es der «Blickfang Basel» offenbar an ganz jungen Designern aus der Region mangelt – bedeutet doch gerade für nicht etablierte Designer oder Läden ein gutes Netzwerk das A und O. Nur schon innerhalb Basels fehlte ein solches lange Zeit. Wer etwas schaffen wollte, musste allein agieren und durchhalten. Viel hat sich daran nicht geändert – obwohl es inzwischen ein paar Förderplattformen gibt, die auf eine Verbesserung hinzielen.
Netzwerk im Kleinbasel
Im Kleinbasel hat vor sechs Jahren der Verein Reh4 damit begonnen, die Netzwerklücke zu füllen. Er bringt Läden, Coiffeure, Galerien und Restaurants zusammen an einen Tisch und fördert mit gemeinsamen Veranstaltungen wie zum Beispiel einer Modeschau im öffentlichen Raum die Bekanntheit der einzelnen Labels und Kleinstläden. «Dank Reh4 können wir verstärkt gegen aussen kommunizieren», sagt Marianne Mumenthaler, die seit 2006 den Laden «Marinsel» an der Feldbergstrasse führt. «Einzeln wurden wir viel weniger wahrgenommen.»
Dank seiner Grösse ist Reh4 auch für die «Blickfang» ein Glücksfall: Durch seine Organisation kann der Verein als Ganzes angesprochen werden, und so erhält er von der «Blickfang» dieses Jahr zum zweiten Mal die Möglichkeit, als ein Aussteller in einer anschliessenden Nebenhalle seinen «Schwarzmarkt» durchzuführen. Elf Kleinbasler Läden können sich dort präsentieren und vom «Blickfang»-Publikum profitieren.
Bereits vor zwei Jahren, beim ersten «Schwarzmarkt», waren die Reaktionen darauf sehr positiv. «Wir hatten einen enormen Zulauf», erinnert sich Marianne Mumenthaler. «Und ich erhielt noch wochenlang Reaktionen darauf in meinem Laden.» Andrea Vogt, eine der Inhaberinnen des Veloladens «Obst & Gemüse» in einem Hinterhof an der Kasernenstrasse, sieht vor allem einen Vorteil: «Viele kleine Läden in Basel befinden sich an Orten, die abseits der typischen Einkaufsrouten liegen – wie wir auch.» Die Messe biete hier die Möglichkeit, sich Leuten vorzustellen, die potenzielle Kunden sein könnten.
«Es ist für uns nötig, auch über Basel hinauszuschauen», sagt Vogt. Wie so viele andere ist das Internet ein wichtiger Partner geworden. Nicht nur wegen der Möglichkeit, die Waren darüber schweiz- oder weltweit zu vertreiben, sondern auch, um den Publikumskreis zu vergrössern. «Die meisten dieser kleinen Läden existieren nur dank der Leidenschaft ihrer InhaberInnen für Design jeglicher Art», sagt Mumenthaler. «Und nicht etwa, weil damit viel Geld zu machen wäre. Es ist ein steter Kampf und es braucht ein enormes Durchhaltevermögen.»
Unter diesen Umständen ist es erfreulich, dass sich ausserhalb der Innenstadt kleine Läden in den letzten Jahren offenbar besser behaupten können als in der jüngeren Vergangenheit. Als Gründe nennen sowohl Mumenthaler wie Vogt für ihre Läden einerseits die Einbindung in den Verein Reh4, andererseits aber auch den Umstand, dass der Drang nach Individualität und Qualität bei den Konsumenten gestiegen ist. Gleichzeitig merken sie an, dass die Basler Kundschaft lieber nach Zürich fahre, als durch die Basler Läden zu streifen. Die Schwellenangst sei teilweise sehr hoch. Diejenigen, die kommen, seien jedoch eher als auch schon bereit, für ein spezielles Produkt etwas mehr Geld zu bezahlen, wenn etwa die Produktionsumstände stimmen oder das Design aus der Massenware heraussteche. So hätten auch regionale Produkte eine bessere Chance.
Trotzdem vermisst man lokale Labels in vielen Regalen. Auch im «Marinsel» ist die Quote regionaler Produkte rückläufig. «Der Markt in der Schweiz deckt nicht ab, was ich verkaufen will. Und der Markt in der Region schon gar nicht», begründet Mumenthaler. «Es ist die Mischung von Herkunft, Stil, Qualität, die es ausmacht, und die ich vermehrt in nordischen Ländern finde.» Deshalb habe sie einen Teil ihres Sortiments ausgewechselt – und auch, um immer wieder Neues anbieten und die Neugier bei der Kundschaft erhalten zu können.
Markttauglichkeit im Test
Einige Labels, die das «Marinsel» früher führte, verkaufen ihre Produkte deshalb nun ennet des Rheins, am Bahnhof St. Johann, im «ShowroomBasel» des Stellwerks – das Comiclabel «Milk & Wodka» etwa oder die «Boycotlettes», die Mode für Gross und Klein produzieren. Lokale Jungdesigner sind im ShowroomBasel richtig: Er fördert, wie das Stellwerk auch. Hier sollen sie in Relation mit international etablierten Labels die Markttauglichkeit ihrer Produkte testen können. «Durch die gemeinsame Auslage werden die eigenen Produkte in den Kontext des internationalen Markts gesetzt», erklärt Michael Schär vom ShowroomBasel-Team. Dasselbe Ziel verfolgt auch der «Designmarkt», der seit drei Jahren jeweils im Herbst Jungdesignern in Messeatmosphäre ermöglicht, ihre Produkte am Markt zu testen. Manche schaffen den Sprung, andere merken, was sie verändern müssen.
Dass das Fördern der jungen Designszene sich lohnt, hat man auch beim Kanton gemerkt. Obwohl Basel dank der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), die unter dem Dach der Fachhochschule Nordwestschweiz Institute unterschiedlicher Designrichtungen vereint, einen guten internationalem Ruf besitzt, sucht man in den Subventionstöpfen des Kantons die Rubrik noch heute vergebens. Im Mai 2010 veröffentlichte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) die «Studie zur Basler Kreativwirtschaft». Zwar stiessen sich einige an der Verknüpfung der Worte «kreativ» und «Wirtschaft», doch wurde gleichzeitig mit Wohlgefallen registriert, dass auch der Kanton sich endlich dem Potenzial der Basler Designszene annimmt. Auf der Grundlage des Berichtes lancierte die Basler Regierung daraufhin die «Initiative Kreativwirtschaft Basel (IKB)».
Förderung in der Politik
Vergangenen Oktober nahm die IKB ihre Arbeit auf, die laut Förderkonzept darin besteht, «die Kreativwirtschaft insgesamt als auch Design und Architektur als in Basel besonders starke Sparten zu fördern». Das Projekt ist vorerst auf drei Jahre angelegt. «Es ist ein Pilotprojekt der Regierung», sagt IKB-Geschäftsführer Raphael Rossel, der auch Herausgeber der Kreativwirtschaftsstudie war. «Und innovativ darin, dass ein kulturpolitisches Feld wirtschaftpolitisch angegangen wird.»
Schweizweit gibt es kein vergleichbares Beispiel. Die IKB fördert keine Einzelfirmen, sondern Projekte, die über Eigeninteressen hinausgehen und so die Bedingungen für die Szene wie auch ihre öffentliche Wahrnehmung und ihre Marktchancen verbessern sollen. Ein Beispiel dafür ist der bereits beschriebene «Designmarkt». Einzelne Produkte oder Designer zu subventionieren würde der Szene keinen Dienst erweisen, ist sich Rossel sicher.
«Der Designsektor ist sehr heterogen gestaltet», sagt Rossel. «Es gibt Mode-, Industrie, Grafik-, Möbeldesign etc. Diese Diversität ist auch der Grund dafür, warum das Segment Design keine Lobby in Gesellschaft, Politik und Verwaltung kennt.» Dabei sind es in Basel rund 1500 Personen, die in einem Designberuf arbeiten – eine nicht zu vernachlässigende Grösse. Dass der Designsektor in Basel stark ist, hat auch die Kreativwirtschaftsstudie gezeigt. «Es ist ein grosses Potenzial vorhanden, dessen man sich nun annimmt», erklärt Rossel.
Künftig will man sich in Basel auf die bestehenden Stärken konzentrieren. Unter diesem Gesichtspunkt müsste auch die Ausbildung stärker in den Fokus rücken. An der HGK werde noch viel zu wenig markt-orientiert unterrichtet, sagen etwa ehemalige Studierende. Rund 70 bis 80 Prozent der Abgänger der unterschiedlichen Designklassen würden später nicht in ihrem Feld arbeiten, kann man auch schon mal hören. Belegen lässt sich diese Zahl zwar nicht – doch sie scheint plausibel.
Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig, angefangen bei mangelndem Willen oder Durchsetzungsvermögen. Ein anderer Grund mag aber durchaus sein, dass in den Studiengängen zwar das Handwerk ausführlich gelehrt wird, marktwirtschaftliche Aspekte jedoch zu kurz geraten. Zu wenig werde darauf hingearbeitet, dass Designer auch Dienstleister sind, ist ein oft gehörter Vorwurf. Auch Michael Schär vom «ShowroomBasel» sagt, dass sie keine HGK-Abgänger im Programm hätten. Diese würden sich einerseits für den Basler Markt nicht interessieren, sondern die Fühler internationaler ausstreckten, andererseits aber würden auch nur die wenigsten etwas «Pfannenfertiges» anbieten können.
Ausbildung auf dem Prüfstand
«Viele Designer sind nach dem Markteintritt nicht allen Herausforderungen gewachsen», sagt auch Rossel. Ihnen fehlen die Grundkenntnisse, um ein eigenes Geschäft aufzubauen; doch der Markt ist zu komplex, als dass sich diese Kenntnisse alleine im Studium vermitteln liessen.
Die Schuld nur der Schule in die Schuhe zu schieben, greift deshalb zu kurz. Einerseits richtet sich etwa das Institut Mode-Design stärker auf einen internationalen als auf einen lokalen Markt aus. Andererseits ist das dreieinhalbjährige Bachelorstudium, das auch ein halbes Jahr Praktikum beinhaltet, so aufgebaut, dass gerade genug Zeit bleibt, den Studierenden das Handwerk fundiert zu vermitteln und einen kurzen Blick auf den Markt zu ermöglichen. «Es geht uns in der Lehre hauptsächlich darum, den Studierenden dabei zu helfen, ihre Stärken herauszufinden», sagt Prof. Priska Morger, die künstlerische Leiterin des Instituts, «ihnen kritisches Denken beizubringen sowie die Fähigkeit, die eigenen kreativen Ressourcen auszuschöpfen, ist uns ebenso ein Anliegen wie die Vermittlung der konzeptionellen Kraft im Designprozess. Auch das ist unabdingbar, wenn man im Markt bestehen will.» Würde man die marktwirtschaftlichen Aspekte im Studium ausbauen wollen, müsste gegebenenfalls die Studiendauer erhöht werden. Morger hofft, dass man dazu künftig einen eigenen Masterstudiengang etablieren kann.
Mit den genannten Förderprogrammen sind erste Schritte getan, um am Status quo etwas zu verbessern. Ob und wie viel sie verändern können, muss sich noch zeigen. Auf dem Radar der Politik sind die Designer nun aufgetaucht. Jetzt liegt es an ihnen, sichtbar zu bleiben. Den dafür nötigen Willen können sie sich nur selber erarbeiten. Und Messen wie die «Blickfang» könnten für einige von ihnen ein gutes Sprungbrett sein.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.03.12