Seit Samstag, 1. September, sind der Theater- und der Voltaplatz in Basel nur noch in Schlangenlinien passierbar. Der Grund: die Bildersilos des IAF Basel. Das Festival für zeitgenössische Kunst markiert bereits im siebten Jahr in Folge Präsenz an mehreren Orten der Stadt und will den Blick auf Kunst lenken, die auf dem afrikanischen Kontinent entstanden ist. Stellt sich nur die Frage: Wo bleibt die Resonanz?
Kein Basler Medium hat sich der Ausstellung 2018 gewidmet, der Hashtag #IAFBasel auf den einschlägigen Plattformen im Netz: ein Rohrkrepierer. Was schade ist, weil Basel hier ein Afrikakaleidoskop aufs Auge gedrückt bekommt, das ihm nach den jüngsten Debatten und einer offenkundig gewordenen Ignoranz in Teilen der Bevölkerung gut anstünde.
Aber mit Kunst im öffentlichen Raum ist schwer Quote zu machen. Und dann ist da noch ein anderes Problem. Wir kommen später darauf zu sprechen.
Phumzile Khanyile aus Soweto fragt: «Is’ was?»
Blicken wir erst mal hinein in dieses Kaleidoskop. Wir sehen zum Beispiel Pumzhile Khanyile, 26 Jahre alt, aufgewachsen in Soweto, dem grössten Township Südafrikas nahe Johannesburg. Eine Frau, die sich für ihre Fotografien mit Lust gegen die patriarchale Gesellschaft ihrer Eltern stemmt. Gleichzeitig bedient sie sich für ihre Motive aus unserem prall gefüllten Rucksack der Stereotypen.
Wir sehen eine Frau, die ihre Pumps anbehält, wenn sie in der Küche tanzt, die Ballone aufpustet und uns dabei aus dunklen Augen so unendlich überlegen entgegenblickt und zu fragen scheint: «Is’ was?»
«Plastic Crowns» nennt Khanyile ihre Serie, in Anspielung auf die gesellschaftlichen Erwartungen an die Frau als Prinzessin und Objekt der Begierde. Also setzt sich Khanyile das Krönchen halt auf – nachdem sie sich einen Abfallsack über den Kopf gestülpt hat: In your face, Traumprinzen.
Ein anderes Bild zeigt eine Frau in sanfter Pose. «Ich habe manchmal den Eindruck, für die Rolle der Frau sind nur noch Extrempositionen vorgesehen», sagt Khanyile. Entweder sie sei die Powerwoman oder das unterwürfige Mädchen. «Ich wollte mit diesen Klischees brechen. Es ist auch mal okay, nicht weiterzuwissen und verletzlich zu sein.»
Bis auf ein einziges Bild heissen alle Fotografien «untitled». «Damit sich die Betrachterinnen nicht zurücklehnen können und sagen: ‹Ah, das bedeutet dieses Bild also.› Sie sollen selber ihren Teil dazu denken», sagt Khanyile.
Aus dem Kontext gerissen
Das IAF Basel hat auch in diesem Jahr wieder spannende Künstlerinnen und Künstler mit dem CAP-Preis prämiert. Bis im vergangenen Jahr hiess das Festival noch «Image Afrique», aber das rief laut den Veranstaltern «eine ganze Reihe unbeabsichtigter Konnotationen» hervor. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, Afrika als Bild und damit als Projektionsfläche in Anspruch zu nehmen, wurde der Name geändert.
Denn der Fokus liegt auf zeitgenössischer Kunst, «die sich mit dem afrikanischen Kontinent oder dessen Diaspora auseinandersetzt». Eine ehrenwerte Absicht, findet Khanyile: «Ich frage mich aber, was von uns Künstlerinnen bleibt – was von mir und meiner Kunst bei den Leuten überhaupt ankommt.»
Ob in einer visuell überreizten Gesellschaft ausgerechnet mit Fotografie der Blick auf Afrika geöffnet und neue Perspektiven geschaffen werden können, ist unklar. Die ausbleibenden Reaktionen im Netz suggerieren: eher nicht.
Es stellt sich zudem und trotz der Namensänderung die Frage, welche Rolle den Künstlerinnen und Künstlern in der Ausstellung zukommt. Sind sie als Akteure greifbar?
Ja, findet Kurator und Festival-Gründer Benjamin Füglister, immerhin seien alle Fotografinnen präsent und hätten Gelegenheit, auf Führungen über ihr Werk zu sprechen.
Naja, findet Phumzile Khanyile. «Als Künstlerin bin ich gefangen in einem Konflikt: Ändert das, was ich hier zeige, den Blick auf Südafrika und die soziale Realität der Leute in Soweto? Oder bin ich nur zur Unterhaltung da an einem mitteleuropäischen Event? Ich frage mich, ob meine Herkunft eine Rolle spielt bei meiner Bewertung als Künstlerin.»
Da die Arbeit aus dem Township in Soweto in die Basler Innenstadt versetzt werde, gingen wichtige Bedeutungsebenen verloren. Selbst Begleittexte könnten den nötigen Kontext nicht wiederherstellen, sagt Khanyile.
Bestätigung alter Machtverhältnisse
Das mag erst mal undankbar wirken. Schliesslich wird der Preisträgerin Khanyile eine Reise in die Schweiz und die Möglichkeit «zur Vernetzung mit Galerien und anderen Künstlern ermöglicht», wie Füglister hervorhebt.
Aber Khanyile ist lieber kritisch als dankbar. «Als Künstlerin ist das mein Job», sagt sie. Denn was eben auch mitschwinge, wenn «afrikanische Künstler» eingeflogen werden, um «afrikanische Fotografie» zu präsentieren, sei die Bestätigung der immer selben Machtverhältnisse.
«I would love to see more initiatives that bring people into the context of the work rather than the work being taken out of context.»
Es sei wichtig, in diesem Zusammenhang die Vergangenheit im Auge zu behalten, sagt Khanyile. «Ich würde gerne mehr Initiativen sehen, die Menschen in den Kontext der Werke versetzen, statt die Werke aus dem Kontext zu reissen.»
Khanyiles Kritik legt den Blick frei auf eine strukturelle Ungleichheit zwischen Veranstalter und Künstler, die sich in dieser Konstellation schwer auflösen lässt. Damit die Initiative des IAF Basel trotzdem auf fruchtbaren Boden fällt, braucht es auch ein Publikum, das sich mit den Inhalten, Geschichten und Gedanken hinter den Fotografien auseinandersetzt. Mit Gedanken, wie denen von Phumzile Khanyile.
Die Fotografien vom Phumzile Khanyile und den fünf weiteren Gewinnern des CAP-Preises sind bis zum 16. September auf dem Theaterplatz zu sehen. Hier gehts zum Programm des Festivals.