Kultwerk #14: «One: Number 31»

Am 28. Januar würde Jackson Pollock, der Erfinder des Action Painting, 100 Jahre alt.

(Bild: Hans Namuth)

Am 28. Januar würde Jackson Pollock, der Erfinder des Action Painting, 100 Jahre alt.

Tropf, tropf, machte der Pinsel und führte die Farbe in einer Spur über die am Boden liegende Leinwand. Drip Painting – Tropf-Malerei – nannte sich diese Technik, an welcher Jackson Pollock bald Gefallen fand. Max Ernst hatte sie 1942 als erster in seinem Bild «Der verwirrte Planet» benutzt. So richtig warm wurde der deutsche Surrealist mit dieser Technik aber nie, und so konnte der Amerikaner Pollock nicht nur in seine Fussstapfen treten, sondern sich die Technik gleich meisterhaft zu eigen machen – so zu eigen, dass kaum mehr einer weiss, dass Max Ernst am Anfang stand.

1946 wars, als Jackson Pollock, der chronische Alkoholiker, sich aus einer Schaffenskrise zu befreien suchte. Beeinflusst von den Werken der europäischen Moderne, von Kubismus und Surrealismus hatte Pollock nie zu einem wirklich eigenen Stil gefunden. Dripping war für ihn wie ein Befreiungsschlag: Er liess Farbe auf riesige, am Boden liegende Leinwände tropfen und flies­sen, schüttete sie aus einem Topf, sprühte sie grossflächig darüber, kleckste oder spachtelte sie dick darauf. «Jack the Dripper» wurde konsequenterweise Pollocks Übername, ihm verpasst von einem Journalisten des «Time Magazine».

Plötzlich stand das fertige Kunstwerk nicht mehr im Vordergrund, sondern der Fertigungsprozess. Der Körper war gefragt, die Bewegung. Das Malen wurde zum Akt, und die Kunstwelt war entzückt vom neu erfundenen Action Painting.

1950 beschloss der Fotograf Hans Namuth, Pollock bei der Arbeit zu dokumentieren. Dafür packte er die Foto- und die Videokamera ein und beobachtete den Maler wochenlang in seinem Atelier in East Hampton. Pollock sei nicht gerade begeistert gewesen, heisst es, doch seine Frau Lee Krasner, die um den Wert medialer Arbeit wusste, überzeugte ihn von der Wichtigkeit. Zwei Filme entstanden so zwischen Juli und November, plus hunderte Fotografien. Sie zeigen Pollock bei der Arbeit an «One: Number 31» und «Autumn Rhythm: Number 30». Die Fotostrecke, die 1951 in der Kunstzeitschrift «Portfolio» veröffentlicht wurde, half mit, den Mythos Pollock zu begründen: Sie veränderte die Sichtweise des Publikums auf sein Werk.

Die Arbeit mit dem ambitionierten Fotografen hatte Pollock ausgelaugt. Zwei Jahre lang hatte er keinen Alkohol angerührt, nun kippte er ihn wieder herunter. Er malte immer weniger, bis er Ende 1954 das Malen ganz aufgab. Im August 1956 starb Jackson Pollock bei einem Autounfall: Nach einem Whiskygelage fuhr er gegen einen Baum und war sofort tot. Der Mythos lebt bis heute weiter.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.01.12

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