Kultwerk #27: Man spricht Deutsh

Gerhard Polt wird 70. Wir prosten ihm mit einem Jägermeister zu – und erinnern an seine Urlaubssatire.

Erwin und Irmgard verbringen einen anstrengenden letzten Tag am Meer. Anstrengend, weil es hier so viele Italiener gibt, zwischen Neapel und Rom. (Bild: Cinetext Bildarchiv)

Gerhard Polt wird 70. Wir prosten ihm mit einem Jägermeister zu – und erinnern an seine Urlaubssatire.

Familie Löffler verlässt im voll bepackten VW-Kombi den Campingplatz und fährt zum Strand. Mutter Irmgard sucht sich ein Plätzchen im Sand, entfaltet die Liegestühle und erklärt den Nachbarn: «Unser letzter Ferientag, wir fahren nach Hause. Das Gepäck haben wir schon im Auto.» Worauf der Strandnachbar mahnt: «Das ist aber leichtsinnig – hier gibts viele Italiener!»

Da hat er recht: Es gibt wirklich viele Italiener, hier in Terracina, zwischen Neapel und Rom. Zu viele, wenn es nach all den deutschen Touristen geht, die an jeder Ecke einen Dieb und hinter jeder Kasse einen Abzocker fürchten. «Wir bringen Devisen ins Land, und der Italiener, der macht dafür gar nix!», poltert Vater Erwin, «das hat noch nicht einmal der Mussolini g’schafft!»
Ja, Urlaub kann anstrengend sein, wenn man den Kofferraum mit Misstrauen füllt. Doch der deutsche Tourist weiss sich zu trösten, indem er sechs Kisten Fürstenberg Pilsener in den Süden karrt («weil das italienische Bier einfach nicht trinkbar ist»).

«Man spricht Deutsh» heisst der satirische Film, den der Kabarettist Gerhard Polt 1988 ins Kino brachte. Herrlich – und zugleich erschreckend – wie das Ensemble (in einer Nebenrolle etwa Dieter Hildebrandt) anpassungsunfähige Durchschnittstouristen spielt. Sie träumen davon, aus ihrem Spiessbürgertum auszubrechen, doch statt Ängste abzubauen, nörgeln sie sich in einen Rausch: «Am ganzen Appenin gibts keine einzige funktionierende Toilette», mault ein Tourist. Und eine Dame klagt: «Mein Mann musste mal wegen typhusähnlicher Anfälle vier geschlagene Tage in einem italienischen Spital verbringen – zwischen lauter Ausländern!»

Dass die Italiener nett und hilfsbereit sind, wollen sie kaum wahrhaben. Wie das Bier haben sie ja auch ihre Meinung schon zu Hause eingepackt. «Man spricht Deutsh» steht auch beim Eingang des Strandrestaurants, wo die Gäste ihr mediterranes Menü, Schweinshaxe mit Pommes, verzehren. Mit vollem Magen kehrt Familie Löffler in das von ihr geliebte bayrische Dorf Ampermoching, «gleich neben Dachau», zurück. Und mit ihnen die Ignoranz und Arroganz der kleinbürgerlichen Touristen, die kaum auszuhalten ist.
So vielversprechend das Thema wäre: Polt hätte noch tiefer in der Seele des Füdlibürgers bohren können, so wie wir das von seinen Bühnenauftritten kennen, wo er den bünzligen, verkappten Rassisten schärfer mimt. Dennoch trifft er mit diesem Film einen Nerv – und ermöglicht es uns, die Zeit zu überbrücken, bis wir ihn wieder einmal live auf einer Bühne granteln hören.

Er ist das Schwergewicht unter den deutschen Kabarettisten: Gerhard Polt. Fünf Fächer hat er studiert, darunter Geschichte, Politikwissenschaften und Altgermanisch. Er arbeitete als Lehrer und Dolmetscher, ehe er 1975 in München erstmals auf eine Bühne trat und mit seinen kabarettistischen Monologen, in denen er dem Spiessbürgertum eine Stimme verlieh, grosse Erfolge feierte. Am 7. Mai wird Polt 70 Jahre alt. Aus diesem Anlass zeigt das Literaturhaus München bis Juni die Ausstellung mit dem Titel «Braucht’s des?!»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.04.12

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