Kultwerk #32: Ziggy Stardust

Vor 40 Jahren schlüpfte David Bowie in die Rolle eines fiktiven Rockstars und hob dramatisch ab. Grossartig.

Ein Ausserirdischer in London: David Bowie als Ziggy Stardust. (Bild: Albumcover)

Vor 40 Jahren schlüpfte David Bowie in die Rolle eines fiktiven Rockstars und hob dramatisch ab. Grossartig.

Dieses Album hob Grenzen auf. Die Grenzen zwischen Mädchen und Jungs, zwischen irdischem Rock und extraterrestrischen Fantasien, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die mutigsten Jungs schlüpften in Plateauschuhe und schmückten sich mit Lidstrichen, Mädchen färbten ihre Haare rüeblirot. Und im fernen Jamaika rief Bob Marley einen seiner Söhne fortan Ziggy. Alles wegen dieser Kunstfigur, die sich der britische Musiker David Bowie ausgedacht und damit die Rockmusik um ein grosses Stück Mode und Theatralik ­erweitert hatte. Glamrock nannten Journalisten das schillernde Phänomen, mit dem androgyne Performer wie Bowie oder Bolan (T. Rex) für Farbtupfer sorgten. Mit griffigen Gitarrensongs, pumpenden Rhythmen und schwelgerischen Balladen liessen sie die welke Hippie-Ära hinter sich und führten den Rock zu neuer Blüte.

Bowie hatte zuvor schon aufhorchen lassen, mit grossartigen Liedern wie «Space Oddity», «Life on Mars?» oder «Changes». Doch fehlte dem 25-Jährigen noch immer der ganz grosse Coup: das Hitalbum. Mit «The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars» suchte er diesen Erfolg. Stark beeindruckt von Stanley Kubricks Filmen «2001» und «A Clockwork Orange» und von George Steiners Neudefinition einer «Post-Kultur» kreierte er ein Alter Ego, den Rockmusiker Ziggy Stardust, der in kosmische Welten eintaucht, zum Superstar aufsteigt, sich selbst völlig verliert und schliesslich abstürzt: «Time takes a cigarette, puts it in your mouth. You pull on your finger, then another finger, then the cigarette» kündigt Bowie am Ende den «Rock ’n’ Roll Suicide» an. Pop-Poesie auf höchstem Niveau.

Glamrock war drei Jahre später schon wieder passé, Bowies Hymnen aber blieben für die Ewigkeit: «Five Years», «Starman», «Lady Stardust», «Moonage Daydream», «Ziggy Stardust», «Suffragette City» – mitreissende Songs, hinreissend veredelt von der Begleitband «Spiders from Mars». «Mit ihnen fand ich zu einer der symbiotischsten Strukturen in meiner gesamten Karriere», sagte Bowie 2002. Besonders kongenial: ­Gitarrist Mick Ronson. Trotz des Welterfolgs entliess Bowie 1973 seine drei Mitmusiker und nahm seiner Kunstfigur das Leben: «Ziggy Stardust» musste auf der Bühne sterben und einer neuen Figur weichen.

Schon vor dem 40-Jahr-Jubiläum liess ihn die ­britische Post noch einmal hochleben: Sie widmete «Ziggy Stardust» eine Briefmarke – und drückte ihm so den Stempel eines royalen Klassikers auf. Die Krönung, quasi.

Das gesamte Album können Sie sich hier anhören!

Dreamteam: David Bowie und Gitarrist Mick Ronson.

Dreamteam: David Bowie und Gitarrist Mick Ronson.

MICK RONSON:
Als Mick Ronson 1993 an Leberkrebs starb, war er in Vergessenheit geraten. Tragisch. Unverdient auch, hat der Brite doch nicht nur zeitlos grosse Gitarrenriffs und -chöre eingespielt, sondern Bowie auch bei den Arrangements unterstützt. Nach fünf Alben trennten sich ihre Wege 1973; fortan ­arbeitete er u.a. für Bob Dylan und Ian Hunter. Wam, Bam, Thank you Man!

 

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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