Pink Floyd veröffentlichten vor 40 Jahren ein musikalisches Gesamtkunstwerk, das noch immer berührt.
Es beginnt mit pochendem Herzschlag. Und wir spüren, wie unser eigener die Frequenz erhöht. Die Vorfreude wächst, bis eine Slidegitarre seufzt und wir erleichtert aufatmen. «Breathe» heisst das Stück. Alles ist im Fluss, Stück für Stück. Wir schweben durch Raum («On the Run»), durch Zeit («Time»), vorbei an Gier («Money») und Wahnsinn («Brain Damage») in die Dunkelheit («Eclipse»).
«The Dark Side of the Moon» heisst das Konzeptalbum, das die britische Band Pink Floyd im März 1973 veröffentlichte. Es ist ihr Meisterwerk, und auch eines der grössten seiner Art: die Verpackung ikonografisch, der Inhalt dramatisch. Bassist Roger Waters beleuchtet darin die dunklen Seiten der Menschheit und macht in seinen Texten die Desillusionierung eines jungen Menschen greifbar, der die Welt nicht (mehr) durch die rosa Hippiebrille sehen mag.
Nicht nur die Lieder greifen ineinander, sondern auch Empathie und Fantasie.
Dieses Album berührt von Anfang bis zum Ende. Da ist keine Note zu wenig, keine zu viel. Die Band spielt auf den Punkt und lässt doch viel Raum für Atmosphäre. Immer wieder erstaunlich, wie viele grosse Gefühle in einer kleinen Klavierpassage stecken können («The Great Gig in the Sky»), wie einen ein Gitarrensolo wegträgt («Time») und wie sehr ein Akkordwechsel berührt («Us and Them»).
Dabei greifen nicht nur die Lieder ineinander, sondern auch Empathie und Fantasie: Pink Floyd bauen Spannung auf, mit Emotionen und mit Experimenten, indem sie an Synthesizern, mit Schlaufen (die Kassengeräusche in «Money») und Sprachaufnahmen spielen. Sie waren ihrer Zeit voraus und sind noch immer gegenwärtig. So steht «The Dark Side of the Moon» für Konsensrock und Gesamtkunstwerk.
Auch nach 40 Jahren wird es noch gerne entdeckt und gehört. Und auch gerne zitiert, zuletzt dreimal kongenial: noch dunkler (von The Flaming Lips), noch fiepsiger (von Nintendo-Spieler Moon8) und noch bekiffter (von Jamaikanern auf «Dub Side of the Moon»). Dass sich das Album ganzheitlich und überzeugend in Stilarten wie Reggae- und Dub übersetzen lässt, spricht nicht nur für die Qualität der Adapteure. Sondern auch für die Universalität des Originals. Der Einfluss von «The Dark Side of the Moon», man merkt es, ist unschätzbar gross. Grossartig.
Clare Torry
Ihr Name klingt unbekannt, ihr Gesang aber ist Millionen vertraut: Dank «The Great Gig in the Sky», jenem Stück über den Tod, mit dem Pianist Rick Wright die A-Seite von «Dark Side of the Moon» schloss. Pink Floyd baten die britische Sängerin Clare Torry im Studio, zur Ballade zu improvisieren, ohne Text. Sie summte, sie sang, sie schrie für die Ewigkeit. Und für 30 Pfund Honorar. Erst vor wenigen Jahren erstritt sie sich einen Bonus. Und versüsste sich ihre Pension. Recht so.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.03.13