«Legend» ist Ganovenkino par excellence: Banküberfälle, Erpressungen, Schiessereien und ein Publikum, das sich trotz böser Story mit den Protagonisten verbrüdert.
Der Gangsterfilm ist nicht totzukriegen. Kriminalität, beziehungsweise die Psyche der Menschen, welche sich scheinbar ohne schlechtes Gewissen gegen Recht, Ordnung, guten Anstand und gesellschaftliche Normen immer wieder aufs Neue aufbäumt, lockt Kinogänger seit frühen Exemplaren wie «Little Caesar» oder «Musketeers of Pig Alley» immer wieder in die Kinos. In Letzerem, so hält sich hartnäckig das Gerücht, sollen sogar echte Ganoven als Statisten mitgewirkt haben.
Ganz so verrucht steht es um den neusten Ganovenstreifen «Legend» nicht. Statt echter Ganoven spielt Tom Hardy («Mad Max», «Locke», «The Revenant») hier gleich beide Hauptrollen. Er schlüpft in die Haut der Kray-Zwillinge, dem wortgewandten Reginald und dem an Schizophrenie erkrankten Ronald, beides Barone der Unterwelt im London der 50er und 60er Jahre. Die Biographie der beiden ist bekannt, genauso wie ihre kriminellen Tätigkeiten (unter anderem Schutzgelderpressungen und illegale Spielhöhlen) damals ein offenes Geheimnis waren. Offiziell nannten sich die beiden «Nachtclubbesitzer», waren Amateurboxer und bis zu ihrer Verhaftung 1969 gern gesehene Gäste auf sozialen Anlässen.
Wie erzählt man also die Geschichte zweier Ikonen, die, wie der Filmtitel andeutet, bereits schon zu Legenden geworden sind? Wo sucht man den Ansatz, um das Publikum an die Handlung zu fesseln?
Die Faszination des Scheiterns
Beim Thema Banküberfall werden wir so gut wie alle im Geiste zu Ganoven. Denn eines eint uns alle: Geld. Geldnot, Geldgier, mehr Geld wollen (tut man eigentlich immer, geben wirs ruhig zu) und die Genugtuung, es jemandem weggenommen zu haben, dem es im direkten Sinne nicht schadet: dem Staat. Der würde schliesslich nicht viel Sinnvolleres mit dem ergaunerten Kapital anstellen als erfolgreiche Bankräuber.
Um die Zuschauer dazu zu bringen, zwei aufsteigenden Unterweltbossen stundenlang zuzusehen, wie sie Leute zur Kooperation prügeln, braucht es allerdings mehr. Dazu müssen ihre Charaktere «menscheln», man muss sich mit ihnen identifizieren können. In «Legend» wird dies durch das stete Einflechten von «Ronnie» und «Reggies» privatem Umfeld angestrebt.
Die Hauptpersonen in ihrem Privatleben sind für Reggie seine Freundin Frances, deren Leben mehr und mehr von Reggie kriminellen Machenschaften vereinnahmt wird, und für Ronald seine bedingungslos loyale Mutter. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Sozial inkompetent sind sie beide. Reggie scheitert augfrund seiner unbehandelten Schizophrenie aus offensichtliche Gründen im Privatleben, während für Rons geistige Ausfälle sein eigenes Ego verantwortlich ist.
«I came here for a fucking shootout!»
Stellenweise mag man ihnen ihren Erfolg gönnen. Die coole Kaltschnäuzigkeit der Kray-Zwillinge (besonders im Englischen O-Ton) und die Sprödheit und Social Awkwardness von Reggie Kray vermögen ihnen Sympathiepunkte beim Publikum zu verschaffen – allerdings lediglich bis zur nächsten Schlägerei oder dem nächsten Beziehungsstreit. Dann wird einem wieder brutal vor Augen geführt, mit wem man sich da gerade im Geiste verbrüdert hat, und man wünscht sich sehnlichst ein staatlich verordnetes Timeout für die Beiden. Zum Schutze aller Beteiligten.
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«Legend», ab jetzt in den Basler Kinos zu sehen.