Lichte Literaturtage

Die Lässigkeit der 36. Literaturtage in Solothurn ist so ausgeprägt wie die Qualität der Veranstaltungen. Wir sind auf Bildertour gegangen und haben denjenigen Autor getroffen, um den man in Solothurn einfach nicht drum rum kommt.

Die Lässigkeit der 36. Literaturtage in Solothurn ist so ausgeprägt wie die Qualität der Veranstaltungen. Wir sind auf Bildertour gegangen und haben denjenigen Autor getroffen, um den man in Solothurn einfach nicht drum rum kommt.

Man wird leicht an diesem Literaturfest. Es ist halt schon immer so gewesen, seit 36 Jahren nämlich, deshalb muss hier niemand was beweisen. Die Veranstaltungsorte sind über die Altstadt gewürfelt, alles ist nahbei, dazwischen spaziert man und isst eine Wurst. Wie immer an solchen Festen entdeckt man die jeweils interessanten Veranstaltungen genau dann, wenn sie bereits angefangen haben. Trotzdem stolpert man noch rein. Alles, was man auf diese Weise entdeckt, ist in Solothurn auf seine Weise interessant. Der Grundton der Literaturtage ist genauso gut, wie er lässig ist.

Als erstes: Claire Keegan aus Irland. Darauf, sich anschliessend fotografieren zu lassen, hat sie zwar überhaupt keine Lust und macht gute Miene zum bösen Spiel:

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Umso erfrischender ist es, sie auf Englisch sprechen zu hören. Mit ihrer Art zu lesen und anschliessend zu formulieren, nimmt man den Literaturtagen ihr Motto tatsächlich ab: Stimmen. Keegan weiss, wie man die Stimme erhebt. «Eleganz entsteht, wenn man zwei Punkte mit der kleinstmöglichen Bewegung verbindet», zitiert sie. Und wendet die Maxime an: «Alle Fiktion handelt davon, dass man nicht in der Zeit zurückgehen kann. Würde man es bei einer zweiten Chance nicht anders machen, hätte man keine Story. Es ist wie mit dem englischen Reispudding, in den man Marmelade hineinrührt. Man kriegt halt die schreckliche Marmelade aus dem Leben nicht mehr heraus.»

Weiter geht’s. Vor dem Landhaus, dem Zenturm der Literaturtage, trifft man das Bild an, auf das man natürlich gehofft hat:

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In der Beiz gegenüber sitzt Peter Bichsel, der ewige Solothurner, den Gehstock ans Bein gelehnt, und raucht Zigarettchen. Bei ihm sitzt Reto Hänny und schreibt eine Widmung. Aus demselben Buch hatte er soeben vorgetragen, auf einer sonnigen Piazza ein paar Schritte entfernt. Von Hänny flattert zum Beispiel die entzückende Formulierung durch die Luft, dass sich der Erzähler «an den Trauernden weidet», und vielleicht lässt man sich deswegen durch pittoreske Zuhörer ablenken, zum Beispiel diese hier:

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Oder auch durch diesen (im Wagen hinter ihm liest der Autor):

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Dem Herrn scheint das Motto der Literaturtage, die Besinnung auf Stimmen, bildhaft aus der Seele zu sprechen. Einen Schritt weiter geht die Veranstaltungsreihe «Literatur im Dunkeln» im herrschaftlichen Palais Besenval, für die der Schweizer Blinden Verband einen Raum komplett abgedunkelt hat. Die Zuhörer werden in Fünfergrüppchen an der Hand genommen und zu ihren Plätzen geführt. Tatsächlich ist die Verwirrung gross. Der Körper gibt aus Gewohnheit den Befehl zum Einschlafen, obwohl man gar nicht müde ist. Im Gegenteil, die Aufmerksamkeit ist gespitzt und neu geöffnet.

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Links im Bild der gebürtige Basler Autor Christoph Geiser, rechts die blinde SRF-Radiojournalistin Yvonn Scherrer. Deren Moderation ist leider nicht das Wahre. Lieber erzählt sie Anekdoten über sich selbst, als den Autor zum Sprechen zu bringen, dessen jüngere Texte in unfassbar heiterer Virtuosität um das Thema Tod kreisen – «um das Schwinden und Verschwinden», wie er (doch noch) selber sagt.

Wie weiter? Zu Lukas Bärfuss, der für «Koala» den diesjährigen Solothurner Literaturpreis bekommen hat. Oder zu Heinz Helle. Dessen Debütroman «Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin» ist zu weiten Teilen eine Entdeckung. Abends hätte man sich eine Performance mit ähnlich gutem Titel anhören können: «What Shall We Do With A Drunken Writer?». Der Reigen in Solothurn geht weiter bis Sonntag.

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Zum Programm der Solothurner Literaturtage geht’s hier

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