Lichtspiele: Das dreideutige Geschlecht

Guillaume fühlt sich in mindestens zwei Geschlechtern zu Hause. «Les garcons et Guillaume, à table!» treibt das Spiel mit den Rollen auf die Spitze.

Deux fois Guillaume: In der Rolle als Mutter und als Sohn. (Bild: JMH)

Guillaume fühlt sich in mindestens zwei Geschlechtern zu Hause. «Les garcons et Guillaume, à table!» treibt das Spiel mit den Rollen auf die Spitze.

Guillaume möchte liebend gern ein Mädchen bleiben. Diese Liebe ist leider einseitig. Also entscheidet sich Guillaume dazu, für seine Mutter ein Stück zu schreiben. Die wichtigste Rolle in diesem Stück spielt er gleich selbst: seine Mutter. Die wichtigste Zuschauerin ist ebenfalls die Frau, die in seinem Leben die Hauptrolle spielt: seine Mutter. Diese lässt er in seinem Stück die Homosexualiät so einordnen: «Das sind lauter Engländer!» – Wie soll Guillaume da bloss zu ihrem Geschlecht finden? In England?

Guillaume Gallienne sucht als Regisseur, Drehbuchautor und als Hauptdarstellerin nach einer Antwort auf die Frage, was es mit der Aneignung der Geschlechterrollen auf sich hat: Mal zweideutig – und manchmal sogar dreideutig – «performiert» (wie es der Postfeminismus nennt) der Comédien Gallienne feinsinnig die Geschlechterrollen. Für die Bühnenshow fasst er auch mal grob zusammen: «Ich bin durchaus nicht so sehr Schwuchtel, dass ich nicht auch einmal die Lesbe raushängen lassen könnte!»

Dabei ist Guillaume auch nicht um feine Wortspiele verlegen. Er entlockt einem «Öhm» all jene Zwischentöne, die in unseren Köpfen mitklingen. Als die Mutter dem kleinen Guillaume in Worten endlich sagen will, wofür sie ihn eigentlich hält, einen «Öööhm ..ehm … öö .. . ehm … öm…Ööö», findet der Sohn dazu genau die richtige Antwort: Er mache eben gern «Öööhm ..ehm … öö .. . ehm … öm…Ööö».

Während also die Figur Guillaume um die Beschreibung seiner Geschlechterrolle ringt, hängen wir dem Schauspieler Gallienne an den Lippen, wenn er uns vorführt, wie eine Rolle entsteht. Wir schauen ihm auf jedes Fingerspreizen, nehmen jedes Zucken seiner Augenbrauen wahr, erkennen in jedem Haarezwirbeln das andere Geschlecht des anderen Geschlechts wieder. Der Schauspieler macht das Ringen um eine Rolle zu einem weitergehenden Erlebnis. Er erfindet vor unseren Augen ein Geschlecht, das uns sagen will: Lange bevor die Sprache die Geschlechter in zwei Lager trennte, haben sich die Geschlechter bereits vermehrt. Die deutschen Geburtenregister anerkennen immerhin 3: (w) weiblich, (m) männlich und (u) unbekannt. Ob das den Unbekannten hilft?

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Der Film läuft zur Zeit in den Kult-Kinos.

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