Mit den «Black Power Mixtapes» kommen die 68er zurück ins Kino.
Die 68er, die heute in Kreisen von jungem Gemüse auch gerne mal mit einer sexuellen Stellung oder einem Wespentaillenumfang verwechselt werden, verlieren langsam ihren Glanz. Ausser Betrunkenen setzt sich heute nur noch selten mal einer zu einem Sit-in auf Tramgleise und pfeift sich einen rein. Revolte ist irgenwie uncool, ausser man ist Gangster-Rapper und will Kohle machen.
Im Kino hat die Mythenbildung längst eingesetzt. In die Geschichtsbücher hat ein 68er-Bild Eingang gefunden, das künftige Generationen eher hindern soll, so zu werden wie ihre Altvorderen. (Für unsere jungen Leser und Leserinnen: Geschichtsbücher sind jene eng bedruckten Gewichte, die eure SMS-lesenden Klassenkameraden in der Schule im Sommer hinter die Fenster klemmen, damit der frische Wind ihnen die Ohren kühlen kann.) Flowerpower, Woodstock und allerlei Drogenfolklore sollen eher darauf hinweisen, dass alles nur so was wie eine aus dem Ruder gelaufene Quartierfete war.
Verschollen und wieder ausgegraben
Da kommen die «Black Power Mixtapes» fast etwas ungelegen: 1967–1975 haben schwedische Journalisten jene Zeit dokumentiert, da der Staatspräsident in Stockholm die Bombardements Vietnams mit Nationalsozialismus verglich und die USA ihren Botschafter aus Schweden abzogen. Die Schweden haben sich damals in den USA umgesehen – unter Negern, wie man damals die Schwarzen nannte, die man heute Afroamerikanerinnen nennt, die sich selber Nigger nennen. Was Harry Belafonte und Angela Davis und andere da von sich geben, ist – einfach voll hip!
30 Jahre ist dieses Material in den Archiven verschollen gewesen! Unaufgeregt und klug zeigt sich da eine Bewegung von Bürgerrechtlerinnen, die beharrlich, mit allen Mitteln des Geistes ihre Würde verteidigten. Es sind fast intime Interviews, die die Ikonen von Black Panther da geben, neben einfachen «coloured folks». Wenn man die Augen der afroamerikanischen Kinder von damals sieht und weiss, dass 40 Jahre später eines von ihnen Präsident der USA sein wird, will man fast vergessen, dass heute vier von fünf Arbeitslosen in den USA Farbige sind.
Die «Lichtspiele» von Hansjörg Betschart gibt es auch als Blog auf blogs.tageswoche.ch
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.05.12