Lichtspiele: No

TV-Spot-Werbung muss nicht immer Waschmittel verkaufen. Es darf auch einmal Demokratie sein.

(Bild: zVg)

TV-Spot-Werbung muss nicht immer Waschmittel verkaufen. Es darf auch einmal Demokratie sein.

Als der Marxist Salvador Allende 1970 vom Volk zum Präsidenten gewählt wurde, erklärten die USA die Chilenen für verrückt. Drei Jahre später wurde das Volk in Zwangsjacken gesteckt. Mit Unterstützung der CIA erschoss das Militär die Demokratie und inthronisierte General Pinochet als Diktator. Präsident Allende starb während des Bombardements am 9. 11. 1973. Die Militärs verkündeten, Allende habe sich selbst umgebracht. Die Obduktion ergab, dass er sich gleich mit zwei Schüssen getroffen hatte.

Fünfzehn Jahre dauert die Diktatur. 1989 dann darf das Volk Chiles an der Urne dazu Stellung nehmen: Diktatur oder Demokratie? «Sí» oder «No»? 15 Minuten TV-Zeit werden der Opposition zugestanden, um ihre Meinung über Zehntausende Fälle von Folter, Verschleppungen und Ermordungen zusammenzufassen. Fünfzehn Minuten, die den Wählern die Angst vor den Schergen der Diktatur nehmen sollen. René soll diese «No»-Kampagne leiten.

Aber René (Gael Garcia Bernal, den wir aus «Amores Perros» kennen) ist kein Politiker. Er ist Werbefachmann. Also tut er, was er kann: «Ich werde nur die Gesetze der Werbebranche befolgen. Wer die Kunst, Menschen zu beeinflussen, beherrscht, beherrscht auch das öffentliche Denken.» René verkauft Demokratie wie das bessere Waschpulver: humorvoll, leichtfüssig, zukunftsgläubig, menschenfreundlich. Während er, selber im Fadenkreuz der Geheimpolizei, mehr und mehr politisiert wird, klagt er nicht die Militärs für Tausende von Toten an. Er hält an seiner Werbekunst fest: Demokratie ist Freude, Tanz und ein bisschen Widerstand.

Pablo Larrain präsentiert den Sieg der Demokratie leichtfüssig – im TV-Look von damals. Das macht seinen Film zu einem fiktionalen Zeitdokument. Den Sieg des «No» feiert der Werber René auf seine Art: Als ersten Auftrag in der jungen Demokratie nimmt er die Promotion einer Soap-Opera an. Spätestens jetzt erinnert der Film an die TV-Wirklichkeit im dritten Jahrtausend. In den USA hält man ihn deshalb nicht für verrückt: «No» erhielt eine Oscar-Nominierung.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.03.13

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