Im neuen Film von Frédéric Fonteyne führt der Weg vom Gefängnis aufs Parkett.
Das Einwandererprogramm der argentinischen Regierung lockte einst mehr Männer als Frauen ins Land. Indem die Männer sich die Tanzschritte der Frauen gegenseitig lehrten, bereiteten sie sich aufs Ausführen und Verführen der einheimischen Frauen vor. In «Tango Libre» tanzen die Männer ebenfalls unter sich – im Gefängnis.
Irgendwo im Heute zwischen Brüssel und Buenos Aires knüpft die Krankenschwester Alice gleich mit mehrerern Männern einer Strafanstalt die Fäden ihres Lebens neu. Mit ihrem Sohn, mit dessen biologischem Vater, dem Ziehvater, ihrem Liebhaber und dem Gefangenenwärter. Alle sind sie gefangen – in ihren Verhältnissen. Nicht alle beschränkt in ihren Freiheiten. Aber alle tanzen sie Tango.
Weit mehr als Kulisse
Erst sieht das konstruiert aus: Vater und Ziehvater (Sergi López) leben im Gefängnis in einer Zelle. Sohn und Mutter besuchen die beiden. Der Gefangenenwärter Jean-Christophe (François Damiens) überwacht die Treffen und tanzt bald draussen in der Freiheit mit Alice.
Die Tanzszenen bilden hierbei aber weit mehr als die Kulisse. Der Tango spielt – nicht als Salontanz, sondern als Lebenselixier der Rebellion – die Hauptrolle.
Unter den schweren Jungs im Gefängnis tanzen dann auch ein paar leichtfüssige Schwergewichte der internationalen Tangoszene mit wie etwa Mariano Chicho Frumboli oder Vincent Morel, die auch schon am Ostertango in Basel Furore machten.
Frédéric Fonteyne schildert die rauen Ursprünge des Tangos, den Candombe, und stellt ihm den kleinbürgerlichen Thé dansant gegenüber. Wie nebenbei reizt er so die Bandbreite des Tanzes neu aus – in einem belgischen Kaff. Er lädt ein zu einer einfühlsamen Gefangenen-Ballade mit einem fast zu optimistischen Schluss.
- «Tango Libre» läuft in Basel im kult.kino Atelier 2.
- Die «Lichtspiele» von Hansjörg Betschart gibt es auch als Blog.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.06.13