lm Paradies

In der Villa Renata, einem neuen Zwischennutzungsprojekt, entwerfen sechs Künstler ihr Wunderland.

Für ihren 3D-Baum, der von Vögeln und Fischen umschwirrt wird, hat Martina Gmür mit ihrem Neffen Joel zusammengearbeitet. (Bild: Michael Würtenberg)

In der Villa Renata, einem neuen Zwischennutzungsprojekt, entwerfen sechs Künstler ihr Wunderland.

An der Socinstrasse 16 in Basel steht eine Villa. Über eine Aussentreppe steigt man zur Haustür, gleich daneben führt ein Weg in den Garten – ein überwuchertes kleines Paradies mitten in der Stadt, mit einem Brunnen und altem Baumbestand. «Villa Renata» heisst das Haus, und seit wenigen Monaten wird es nur von Kunst bewohnt. Und ganz selten von einem Künstler, der sich vielleicht für ein paar Nächte in der Wohnung unter dem Dach einquartiert, um seine Installation fertig zu kriegen.

Noch steht neben der Tür ein Schild, auf dem «Preisig Bauingenieure und Planer» zu lesen steht. Doch die Firma Preisig ist 2011 aus ihrer Basler Filiale ausgezogen. Und Franziska Stern-Preisig, die das Unternehmen mit ihrem Bruder führt, sah sich vor die Frage gestellt, was mit dem dreistöckigen Haus anzustellen sei. Eigenbedarf? Oder es als Gewerbeobjekt vermieten?

Ihre Unschlüssigkeit nutzte eine befreundete Künstlerin, Brigitta Dieffenbacher, um ein Projekt vorzuschlagen. Franziska Stern gefiel die Idee, und so zierte bald Kunst die Wände der herrschaftlichen Villa. Die Resonanz auf die Ausstellung war derart gut, dass schon bald andere Interessenten und Interessentinnen mit ihren Ideen an die Türe klopften. Und Franziska Stern beschloss spontan, die Villa zumindest fürs Jahr 2012 ganz der Kunst zu überlassen.

Die vierte Vernissage

Dreimal wurde in der Villa Renata bislang schon Vernissage gefeiert. Mehrere Ausstellungen sind bereits in Planung, andere werden bis Ende Jahr noch dazu kommen. Als nächstes ist es eine Gruppe von hauptsächlich regionalen Künstlern, welche die grossen Räume mit den alten Parkettböden bespielt. Initiiert hat die Ausstellung die Basler Künstlerin Sandra Rau, die nun zusammen mit Mathis Vass, Koffi-Yao, Martina und Joel Gmür sowie Wink Witholt, der aus Zürich dazu gestossen ist, ihre Arbeiten präsentiert.

«Dieses Paradies gibt es wirklich» nennen die sechs Kunstschaffenden das Konglomerat der unterschiedlichen Arbeiten, die im Zusammenspiel wunderbar harmonisieren. Bei Vass und Rau sind die Mittel reduziert – feine Bleistiftstriche ziehen sich bei Vass über die Wände, mit einem Kamm von Bleistiften gezogen. In seinen Zeichnungen paaren sie sich mit Monotypien kleiner Feuerwehrautos – Abbilder von Modellen, die der Künstler selbst gebaut hat. Feinste an der Wand befestigte Garnknoten, die man als Pigment für die Wand, als Übergang zwischen Zwei- und Dreidimensionalität oder auch als Verbindung zwischen Zeichen und Objekt lesen kann, zeigt Sandra Rau.

Dreidimensional

Martina Gmür lässt gemeinsam mit ihrem Neffen Joel Zeichnungen in den Raum hineinwachsen, sofern man sich eine 3D-Brille auf die Nase setzt: Schwarzweisse Vögel fliegen um einen farbigen Baum. Gegenüber kann man sich mit derselben Brille in kleinformatige Fotos mit Pariser Stadtmotiven vertiefen, unauslöschliche Orte, die Koffi-Yao gefunden und geknipst hat. Einen Raum weiter übersetzt Koffi-Yao Comicstrips in Pastellmalerei, und Witholt, der gerne mit Grösse, Gewicht und Machtverhältnissen spielt, lässt schliesslich in der Küche die Schweiz als dreidimensionales Schokomodell entstehen, umrahmt von kleinen Toblerone-Bergen, die man auch verzehren darf, sofern man dafür einen Obulus hinterlässt.

Witholt ist es auch, der im Keller dafür sorgt, dass wir das Paradies in den oberen Geschossen auch wirklich zu schätzen wissen: Mit einem kleinen hölzernen Galgen, den er dezent unter dem Kellergewölbe platziert hat.

Vernissage: Sa 17.3., 18 Uhr. Ausstellung bis 1.4. http://villa-renata.muuu.ch.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12

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