Mann, Meer und Monster – eine Begegnung mit dem «weissen Hai»

Mann, Meer und Monster: Vor 40 Jahren legte ein junger Regisseur namens Steven Spielberg die alte Erzählung vom reissenden Ungeheuer aus der Tiefe neu auf. Und schuf mit seinem Klassiker den modernen Blockbuster.

Lockte die Filmfans vor 40 Jahren in die Kinos: Das Poster zu «Jaws».

(Bild: Courtesy Everett Collection)

Mann, Meer und Monster: Vor 40 Jahren legte ein junger Regisseur namens Steven Spielberg die alte Erzählung vom reissenden Ungeheuer aus der Tiefe neu auf. Und schuf mit seinem Klassiker den modernen Blockbuster.

In die dunklen Gründe des Meeres schien Gott den Teufel verbannt zu haben, aber losgeworden ist ihn die Menschheit nicht: Als riesenhafter gefrässiger Leviathan kehrte vor vierzig Jahren diese Kreatur zurück an die Oberfläche und riss zu sich in die Tiefe, was die scharfen Zähne zu fassen kriegten.

Mit seinem Durchbruchfilm für die ganz grosse Leinwand holte Steven Spielberg jenes Subgenre des Horrorfilms, in dem animalische Monster sich auf diabolischen Beutezug begeben, aus den seichten Wassern des B-Movie heraus und etablierte es im Mainstream-Kino. «Der weisse Hai» hiess das Werk schön nüchtern-deskriptiv in der deutschen Fassung, treffender ist jedoch der Originaltitel: «Jaws». Kiefer. Rachen. Maul. Ein bissstarker Abgrund, der alles verschlingt. 

Ein prägnanter Soundtrack kündigt den Horror an 

Spielbergs «Jaws» war das Scharnier, mittels dem das New Hollywood Cinema der frühen Siebziger Jahre hinüberging in die totale Unterhaltung. Hollywoods Grosserfolge der Vorjahre wie Coppolas «The Godfather» oder Polanskis «Chinatown» entrümpelten den Film von erlahmten Konventionen wie dem obligaten Happy End oder den schnittigen Heldenfiguren, in Friedkins «The Exorcist», mit zwei Oscars gekrönt, nahm schliesslich ein handfester Dämon die Hauptrolle ein. «Jaws» spielte mit ähnlichen psychologischen Mitteln: ein prägnanter Soundtrack, der das herannahende Unheil akustisch ankündigt, ein Horror, der über das wehrlose familiäre Idyll – ein Badestrand – hereinbricht, und in der Gestalt des Haifischjägers Quint jene Auflösungserfahrung der Zivilisation, in der sich die menschliche Ratio zugunsten des besessenen Wahns auflöst.

Der Schnaps fliesst, die Nerven liegen blank

Quint wird, zwar mit weniger aristokratischer Postur, als ein kaum verhüllter Wiedergänger des Waljägers Ahab aus Melvilles Feder inszeniert, doch auch wenn damit der Urtopos vom Kampf zwischen Mann, Meer und Monster neu erzählt wird, ist Spielbergs Film weniger am mythischen Gehalt des Stoffs denn an der Verstrickung von psychologischer Spannung und – damals – bahnbrechenden Schockeffekten interessiert. Die zweite Filmhälfte, in der das Haijäger-Trio mehr und mehr widerstandslos auf dem offenen Meer treibt, die Nerven blank liegen und der Schnaps fliesst, während der Hai das Boot umkreist, erzeugen noch 40 Jahre später eine ungeheuer dichte, zerreissende Atmosphäre. Bis der Hai, ungeduldig wie er ist, aufs Boot springt. 

«Jaws» lancierte den Begriff des «Blockbusters».

«Jaws» kam, in Einklang mit der Filmhandlung, in den Sommermonaten in die amerikanischen Kinos – und beendete die traditionelle Flaute dieser Saison. Kein Film zuvor machte einen grösseren Umsatz als Spielbergs Flossenjagd, und fortan galt der Sommer als Kinozeit: Während draussen das Land unter der Sonne schmolz, flimmerte über die Leinwände der runtergekühlten Säle gigantisches Unterhaltungskino.

Der weisse Hai gehört zu den bedrohten Arten

«Jaws» lancierte den Begriff des «Blockbusters», weniger gut hingegen bekam der Film seinem Hauptpersonal. Für die Gattung der weissen Haie war «Jaws» ein PR-Desaster, ihr Ruf war am Boden, die Zahl der Tötungen nahm zu. Im Nordatlantik schwand ihre Zahl seit den Achtziger-Jahren um bis zu 80 Prozent. Seither steht der weisse Hai auf der Liste der gefährdeten Arten, umfassend geschützt ist er deswegen nicht: Sobald sich Tötungsfälle ergeben, ist der Schrecken wieder da, und die Schlachter rücken aus.

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