Marsalis in der Martinskirche: Saxophon in Reinform

Wenn sich ein musikalischer Tausendsassa ganz auf sein Instrument konzentriert: Der Saxophonist Branford Marsalis zeigte auch ohne Band in der Martinskirche sein Können.

Einst mit Sting, Miles Davis, Buckshot LeFonque oder im Quartett unterwegs, nun aber ganz auf sich allein gestellt: Branford Marsalis beim Solokonzert in der Martinskirche.

(Bild: musictour.eu)

Der Star-Saxophonist Branford Marsalis gastierte am Donnerstag für einen Solo-Auftritt in der Martinskirche. Dabei spannte er einen Bogen von Bach-Kompositionen hin zu Jazz-Standards und Improvisationen.

Mikrofone und Mischpult bleiben draussen. Allgemein möchte er nichts Elektrisches vor sich haben: Bevor er zu einer hitzigen Improvisation mit dem Sopransaxophon ansetzt, entfernt der verschmitzt lächelnde Branford Marsalis sogar die Lämpchen am Notenständer. Schliesslich soll es hier nur ums Wesentliche gehen: um den Mann, das Saxophon und die Akustik der Martinskirche.

Ob das wohl gutgeht? Man bedenke: Vor vier Jahren eröffnete Branford Marsalis im Stadtcasino das Basler Jazzfestival – ein starker Auftritt, bei dem die Mitmusiker seines Quartetts eine tragende Rolle spielten. Seine jetzige Europatournee bestreitet der Tenor- und Sopransaxophonist nun aber ganz ohne Bass, Klavier und Schlagzeug. Die Auftritte finden ausschliesslich in Sakralbauten statt.

Dass der Fokus ganz auf einem Blasinstrument liegt, ist auch für Urs Blindenbacher, Veranstalter der Off-Beat-Konzertreihe, ein Novum: Zum ersten Mal in seinen vier Jahrzehnten als Konzertorganisator konnte er ein Sax-Solokonzert auf die Beine stellen.

Von Bach bis Blues

Der Name ist beim aktuellen Marsalis-Album Programm: «In My Solitude» wurde in der Grace Cathedral in San Francisco aufgenommen. Nun will Marsalis den Hall der Basler Konzertkirche ausschöpfen. Dabei spielt er nicht nur Stücke vom Album: Bach-Interpretationen, Jazz-Standards, Eigenkompositionen und Improvisationen bringt der 55-jährige Amerikaner unter einen Hut. Dabei lotet er im Kirchenschiff so manche Klangfarbe aus.

Geschmeidig interpretiert er etwa auf dem Tenorsax «Sonata in A Minor for Oboe Solo Wq. 132: I Poco Adagio» von Carl Philipp Emanuel Bach. Auch «Sarabande» aus den «Suiten für Violoncello solo» von Johann Sebastian Bach wird dem kirchlichen Ambiente gerecht. Dabei spielt Marsalis mit einem abrupten Stilwechsel: Unmittelbar nach Bach stampft er mit der Eigenkomposition «Blues for One» weiter. Das groovige Stück mündet zum Schluss in eine Verneigung vor dem Tenorsax-Altmeister Sonny Rollins: Der Standard «Doxy» wird als krönender Abschluss der ersten Konzerthälfte zitiert.

Präzision mit einer Prise Humor

Das zweite Set will zu Beginn nicht richtig anruckeln, der Abend droht abzuflachen – gar trocken sind manche Passagen. Das ändert sich aber schnell: Mit knackigen Slap-Tongue-Einlagen und vibratoreichem Spiel beginnt das Feuerwerk erneut. Die Möglichkeiten des Instruments, einer jauchzenden menschlichen Stimme nahezukommen, kostet Marsalis genüsslich aus. Als Zugabe für das mitfiebernde Publikum gibt er den Gospel-Gassenhauer «When the Saints Go Marching In» zum Besten.

In der vollen Martinskirche findet das Sax-Hochkonzentrat durchaus Anklang: Jeder Ton ist gut platziert und auch Überraschungen sind gewiss. Trotz der erhabenen Atmosphäre in der Kirche wird das Konzert nämlich nie todernst: Stets behält Marsalis seine humorvolle Art bei, ohne dabei in Clownereien zu verfallen. Selbst die Glockenschläge des Martinskirchturms werden mit einer lakonischen Geste und einer treffend gesetzten Pause in die Bach-Interpretation einbezogen.

Mit dem Solo-Auftritt wird der Vertreter des Marsalis-Clans einmal mehr seinem Ruf gerecht, genreübergreifend zu arbeiten. Im Gegensatz zu seinem Trompete spielenden Bruder Wynton (dessen konservative Jazzansichten umstritten sind) kannte der Saxophonist Branford nie Berührungsängste. Die Zusammenarbeit mit Sting (etwa in «Englishman in New York») und Public Enemy («Fight the Power») in den Achtzigerjahren zeugen davon. Auch die Tätigkeit als Filmkomponist für Spike Lee sowie sein Hip-Hop- und R&B-Projekt Buckshot LeFonque machten den einstigen Sideman des späten Miles Davis weit über die Jazzszene hinaus bekannt.

In den letzten Jahren hat sich Marsalis vermehrt der klassischen Musik zugewandt. Dementsprechend schlägt er auch beim Sakralbau-Projekt eine Brücke zwischen unterschiedlichen Musikkulturen. Zudem beweist er in der Martinskirche einmal mehr, dass er sowohl mit Band wie auch alleine brillieren kann.

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