Mbongwana Star bringen eine neue afrikanische Pop-Philosophie in die Kaserne

Mit Schrott zu den Sternen: Das kongolesische Projekt Mbongwana Star bringt am 30. November seine Fluchtphantasien nach Basel.

Mit Schrott zu den Sternen: Das kongolesische Projekt Mbongwana Star bringt am 30. November seine Fluchtphantasien nach Basel.

Wie schön sich aus Schrott Klänge erzeugen lassen, kann man derzeit ja im Tinguely-Museum erleben. In Afrika entsteht die Hochzeit aus Müll und Musik nicht aus künstlerischen Überlegungen heraus – sie ist oft die Tugend in der Not. So etwa bei den Bands der Congotronics-Bewegung, die über die letzten Jahre hinweg schon mehrfach in der Kaserne zu hören waren und die ihre verbeulten Daumenklaviere an schepprige Megaphone anschliessen. Oder bei Staff Benda Bilili, jener sagenhaften Weltmusikband von Obdachlosen und Gehandicapten aus Kongos Hauptstadt Kinshasa, die sich ihre eigenen Instrumente aus verbeultem Blech und Fahrradspeichen bauen.

Der Strassensound von Kinshasa 

Zwei aus den Reihen von Staff Benda Bilili, Yakala «Coco» Ngambali und Nsituvuidi «Theo» Nzonza, haben sich jetzt mit dem irischen Electro-Produzenten Doctor L zu einem futuristischen Projekt zusammengeschlossen. «Das Projekt hat sich selbst konstruiert», erzählt der Wahlpariser Klangdoktor, der bürgerlich Liam Farrell heisst.

Aufbruchstimmung wie im New York der 80er 

Es ist der Sound der Rue Kato von Kinshasa, wo sich Musik, Happenings und Installationen parallel abspielen. Hier erschaffen die Street Kids und Behinderten ihre Zukunft. Kunst ist hier kein bourgeoises Freizeitvergnügen wie bei uns oder Mäzenatentum wie bei den Griots, den singenden Geschichtenerzählern von Westafrika. «Es ist ein Kampf ums Überleben. Diese Szene gleicht dem New York der Achtziger, mit der Freiheit, die damals der Rap ausgelöst hat. Unsere Mission ist es, darauf aufmerksam zu machen.»

Blechtrommeln paaren sich mit Funk

Mbongwana Stars Album «From Kinshasa» entstand aus in Kinshasa eingespielten Demobändern, die Doctor L anschliessend in seiner Pariser Klause zusammenfügte. Da werden geschmeidige Tanzrhythmen wie der Soukouss psychedelisch eingebettet, tribale Grooves donnern durchs Gefüge, und knatternde Blechtrommeln paaren sich mit Funk.

In den stärksten Momenten können sich die hohen Stimmen von Coco und Theo in den Schichten aus Schrottpercussion, monströsen Disco-Keyboards und Effekten behaupten. Die Platte kann allerdings an keiner Stelle verleugnen, dass sie ein typisches Studiomosaik ist. Wie soll das bloss live umgesetzt werden? «Da entstehen dann abstrakte technoide kongolesische Rock-Strukturen, die auch in zwanzig Minuten experimentellem Noise enden können», verrät Doctor L.

Ausbruch aus dem Gefängnis

Die Gefahr eines Kulturschocks sieht er nicht, wenn er die Musiker nach Europa bringt. «Der Kongo ist immer noch eine brutale Diktatur und ein grosses Gefängnis für diese Strassenkünstler. Berlin und Paris dagegen kennen sie durchs digitale TV besser als Kinshasa.»

Fluchtphantasien auf der Rue Kato beziehen sich tatsächlich nicht auf Europa, sondern greifen gleich nach den Sternen. Im Video zur Single «Malukayi» läuft ein Performancekünstler namens «The Congo Astronaut» durch die Nacht. Kein Zweifel, für Afrika ist SciFi-Ästhetik längst Gegenwart statt Moderne. Dass der Treibstoff für die Mbongwana-Rakete noch in Paris eingefüllt wird, wäre eigentlich gar nicht mehr nötig.

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Live: Kaserne, Basel. 30.11., 20.30 Uhr
Album: «From Kinshasa», World Circuit.


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