Meine Lebensgefährtin, mein notwendiges Übel

Heute vor 25 Jahren starb Thomas Bernhard. Nicolas Mahler hat das Buch dazu: Eine Comicadaption von Bernhards «Weltverbesserer». Man hätte dem rätselhaften Zyniker nicht näherkommen können.

(Bild: Suhrkamp)

Heute vor 25 Jahren starb Thomas Bernhard. Nicolas Mahler hat das Buch dazu: Eine Comicadaption von Bernhards «Weltverbesserer». Man hätte dem rätselhaften Zyniker nicht näherkommen können.

Eine Comicadaption? Doch doch, das passt vorzüglich. Auch wenn der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard nicht gerade durch seine heitere Weltsicht Ruhm auf sich gehäuft hat. Geschweige denn durch einen nachsichtigen Blick auf die Menschen. Das gilt auch für das Drama «Der Weltverbesserer», das 1978 erstmals veröffentlicht wurde und das Bernhards Verleger, Siegfried Unseld von Suhrkamp, als sein «vielleicht persönlichstes» bezeichnete.

Im Drama spricht fast ausschliesslich dessen Namensgeber, ein greiser Gelehrter, der am Tag der Handlung für sein «Traktat zu Verbesserung der Welt» mit einer Ehrendoktorwürde geehrt werden soll – bei sich zu Hause, denn dem gleichermassen gesellschaftsverachtenden und eitlen Herrn ist zu sehr daran gelegen, als leidend wahrgenommen zu werden, als dass er das Haus verlassen könnte. Sein Traktat, behauptet der Weltverbesserer, hat niemand verstanden, das erkenne man spätestes daran, dass er nun dafür geehrt werde. Denn der Kernsatz seiner Philosophie, den auch Mahler als Motto gewählt hat, lautet: «Wir können die Welt nur verbessern, wenn wir sie abschaffen».

Totale Parodie

Finstere Sicht. Doch zur Finsterheit kommt es nicht, denn das Drama ist die totale Parodie. Wer steckt hinter ihr? Ein Autor, der umso finsterer in die Welt schaut? Oder ein Schalk, der das Gewand eines Gelehrten, dem nur Wehleidigkeit übrigbleibt, Verachtung und der Anspruch, von seiner Frau unterwürfig bedient zu werden, bloss anprobiert und sich dabei in die Faust lacht?

Das Drama selbst tut sein Bestes, jegliche Fährte zu zerstreuen. Jeder seiner Äusserungen widerspricht der Weltverbesserer sogleich selbst.

Er braucht seine Frau gleichermassen, wie er sie verachtet. Sein Kosename für sie, die kaum drei Worte sagt: «Mein notwendiges Übel». Ihn ekelt die Welt, doch er liebt auch das Leben.

Er erträgt keinen Menschen um sich und ist zugleich wahnsinnig eitel. Die Doktorwürde erwägt er aus Verachtung abzulehnen und tut es doch nicht – ihm fehlt die Kraft.

Er weiss, dass er unerträglich ist und hält sich zugleich für schlecht behandelt.

Er ist entzückt, wenn er aus seinem Traktat vorgelesen bekommt, und findet es entsetzlich, wenn er selber darin liest. Ob der Weltverbesserer es selber versteht? Scheinbar schon, denn sein Leben ist eine einzige Äusserung von Widersprüchen.

Leiser Zynismus in jedem Wort

Ein wenig so ist es auch, wenn man den echten Bernhard sprechen hört, zum Beispiel im sehenswerten Film von Krista Fleischmann aus dem Jahr 1986. Seine Ausführungen sind gleichermassen klar, kraftvoll und mysteriös. Eines ist bei alledem sicher: der leise Zynismus in jedem Wort. In jeder seiner extremen Meinungen steckt Ironie und in jedem Scherz ein Abgrund. Seien es die Katholiken, die er hasst, der Süden Europas, den er als seicht empfindet (so wie es die Reisenden halt wollen), oder die alten Meister der Malerei, die er allesamt für obrigkeitsgläubig hält.

Und das alles in einem Comic von Mahler, das zudem höchst unterhaltsam ist? Ganz genau. Mahler ist gerade der rechte Mann, um den kleinen grossen Weltverbesserer darzustellen. Wenn er «schreit», wenn er «befiehlt» (so Bernhards Regieanweisungen), wenn er «mit den Beinen zappelt», weil er friert, wenn er seine blödsinnige Perücke verlangt, weil hoher Besuch ins Haus steht – Mahler muss kaum was tun, so nah scheint ihm das Drama zu stehen.

Bernhards Art, einen Gedanken in allen Schattierungen immer und immer wieder zu formulieren, ihn in jeder Richtung durch den Fleischwolf zu drehen, bis das Verdikt perfekt ist – wird im «Weltverbesserer» flockenleicht. Bernhard verwendet keine Satzzeichen, dafür schreibt er pro Zeile häufig nur ein Wort. Ein dramatisches Gedicht sozusagen. Nach einiger Zeit liest man vertikal statt horizontal. Das Hin-und-Her-Gerede des Weltverbesserers wird zu einem Zustand, man fliesst durch das Buch. Genau das geschieht auch mit Mahlers Comic. Er scheint eine Verlängerung des rätselhaften Zynikers Bernhard zu sein.

Wie Bernhards Drama endet, nachdem der Weltverbesserer die Würdenträger von Stadt und Universität heimgeschickt hat, muss jeder selbst deuten. Irgendwo zwischen gefährdet und versöhnlich. Mahler hat für seinen Comic, der zu Bernhards 25. Todestag erscheint, ein sehr eindeutig düsteres Ende gewählt.

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Thomas Bernhard: «Der Weltverbesserer», gezeichnet von Mahler. Suhrkamp 2014, 124 Seiten.

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