Der Staechelin Family Trust zieht seine hochkarätigen Leihgaben aus dem Kunstmuseum Basel zurück und verkauft mit Gauguins «Nafea» eines seiner Hauptwerke. Dies wirft zugleich ein Licht auf grundsätzlich wachsende Probleme, die das Haus mit Deposita aus Familienstiftungen hat.
Wenige Tage vor der Eröffnung der als «Kunstereignis des Jahres» beworbenen grossen Gauguin-Schau in der Fondation Beyeler sorgt ein Bild eben dieses Künstlers in Basel für Negativ-Schlagzeilen. Rudolf Staechelin bestätigt einen Bericht der «Basler Zeitung», wonach der Staechelin Family Trust das berühmte Gemälde «Nafea faa ipoipo», das 50 Jahre lang als Leihgabe im Kunstmuseum Basel hing, verkaufen und den Rest der Privatsammlung ebenfalls aus dem Museum abziehen wird.
300 Millionen Dollar kassiert?
Zu den Gründen des Abzugs wollte sich Staechelin nicht weiter äussern. «Die bestehenden Differenzen möchte ich nicht weiter auswalzen», schreibt er in einer schriftlichen Antwort auf Nachfrage der TagesWoche. Auch nicht darüber, wie sehr das Geld eine Rolle gespielt haben könnte.
Laut einem Bericht der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» soll das Gauguin-Gemälde Gerüchten zufolge für 300 Millionen Dollar nach Katar verkauft worden sein. Damit wäre «Nafea faa ipoipo» das teuerste Gemälde der Welt.
Für einen dreistelligen Millionenbetrag verkauft? Egal für wie viel, Paul Gauguins «Nafea» verschwindet so oder so aus Basel. (Bild: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler)
Kunstmuseumsdirektor Bernhard Mendes Bürgi und der Basler Regierungspräsident Guy Morin bedauern den Abzug der Sammlung sehr. «Die Sammlung war jahrzehntelang ein wichtiger Teil des Gesamtbestandes bekannter Kunstwerke im Kunstmuseum Basel», schreibt das Präsidialdepartement in einer Stellungnahme. Und Bürgi bemerkt: «Das Gaugin-Gemälde ‹Nafea› war eines der indentitätsstiftenden Werke des Museums. Für uns ist das ein grosser Verlust.»
Konfliktreiche Beziehung
Die Beziehung zwischen dem Kunstmuseum Basel und der Leihgeber-Familie Staechelin war schon lange von Konflikten überschattet. «Es ist eine Geschichte, die mich bereits bei meinem Amtsantritt beschäftigte», sagt Bürgi, der im Jahr 2000 zum Direktor gewählt wurde.
Aus Protest gegen das neue Schweizer Kulturgütergesetz hatte der Kopf des Family-Trusts, Rudolf Staechelin, die Sammlung 1997 schon einmal aus Basel abgezogen und sie im Kimbell Art Museum im texanischen Fort Worth deponiert. Zur grossen Freude des Museums kehrte die Sammlung nach fünf Jahren wieder nach Basel zurück. Der Druck auf das Museum aber blieb bestehen.
Staechelin liess sich zwar zum Mitglied der staatlichen Kunstkommission wählen und sich so näher ans Museum binden. Als der Basler Anwalt Peter Mosimann zum Präsidenten der Kommission gewählt wurde, eskalierte der Konflikt erneut. Staechelin wehrte sich vehement gegen die Wahl des Anwalts, der sich wiederholt in Raubkunst-Prozessen hervorgetan hat und deshalb für das Gremium nicht tragbar sei. 2008 trat Staechelin aus der Kommission zurück.
Regelmässige Kontakte mit dem Präsidialdepartement
Die Nachricht, dass der Kunstmuseumshauptbau seine Tore für ein Jahr schliesst und folglich die vertraglich zugesicherte Hängeverpflichtung der Leihgaben vorübergehend nicht erfüllen kann, nahm Staechelin schliesslich zum Anlass, den Abzug seiner Werke zuerst anzudrohen und nun zu vollziehen. Er tat dies, nicht ohne seinen Unmut über die Behandlung durch das Präsidialdepartement und die Abteilung Kultur kund zu tun.
Diese betonen, dass sie stets mit Staechelin in Kontakt waren. «Wir haben seit Bekanntgabe der vorübergehenden Schliessung des Kunstmuseums mehrere Gespräche mit Herrn Staechelin geführt und alles daran gesetzt, dass die Sammlung zur Wiedereröffnung im Jahr 2016 nach Basel zurückkehrt», lässt sich Regierungspräsident Guy Morin in der Stellungnahme des Präsidialdeparrtements zitieren.
Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur, ergänzt: «Zuletzt habe ich ihm vor wenigen Tagen nochmals persönlich gesagt, wie wertvoll es wäre, dass die Werke aus dem Trust im Kunstmuseum bleiben.» Aber da sei die Verkaufsabsicht vermutlich schon beschlossen gewesen.
Mit anderen Stiftungen keine Probleme
Kunstmuseumsdirektor Bürgi bedauert Staechelins folgenschweren Unmut über die unabwendbare temporäre Schliessung. «Das Kunstmuseum ist mit allen Depositären in Kontakt getreten, Staechelin aber war der Einzige, der dies zum Anlass nahm, den Leihgebervertrag grundsätzlich in Frage zu stellen», sagt er.
Das bestätigt auch Bischof: «Grundsätzlich ist die Beziehung zwischen Leihgebern und den Museen unproblematisch und sehr respektvoll.» Er betont aber, dass sich die kantonale Verwaltung in Absprache mit den betroffenen Museen möglichst zurückhält, wenn es um inhaltliche und operative Fragen geht, da dieser Bereich per Museumsgesetz in der Zuständigkeit der Direktionen der Museen liegt. «Grundsätzlich gilt für die Sammlungs- und Ausstellungspolitik, dass die Museen möglichst frei sein müssen im Umgang mit Werken, die ihnen als Leihgabe oder auch als Schenkungen angeboten werden.»
Zurückhaltung bei der Annahme von Leihgaben
Laut Bürgi muss jedes Museum damit leben, dass Deposita letztlich Schätze auf Zeit sind. Besondere Unsicherheiten ergeben sich bei Privatsammlungen, wie eben der Staechelin Family Trust, in denen die Gemälde zugleich als Kapitalanlage und -reserve dienen. «Mit den stark steigenden Preisen auf dem Kunstmarkt ist der Umgang mit solchen Depositären komplizierter geworden», sagt Bürgi.
Das Kunstmuseum Basel übe deshalb zunehmend Zurückhaltung bei der Annahme von Deposita aus solchen Stiftungen. «Wir haben bereits mehrere Leihgaben ablehnen müssen», sagt Bürgi. Sehr viel willkommener sind dem Kunstmuseum Deposita, die mit einem Schenkungsversprechen verbunden sind. Damit steht das Basler Haus nicht alleine da. Insbesondere in den USA gibt es viele Kunstmuseen, die sich nur noch auf «promised gifts» einlassen.
Verlust schmerzlich, aber verkraftbar
Die Verantwortlichen im Präsidialdepartement und im Kunstmuseum wollen ihre Köpfe aber nicht zu sehr hängen lassen. Dass nun die Sammlung Staechelin nicht zurückkehren und das zentrale Werk verkauft wird, sei schmerzlich, schreibt das Präsidialdepartement, «jedoch in Anbetracht der grossen und ausserordentlich vielfältigen und wertvollen Sammlung des Kunstmuseums Basel auch verkraftbar».
«Das Kunstmuseum Basel kann nach wie vor mit einer Sammlung glänzen, die über einen Zeitraum von 700 Jahren herausragende Werke aufzuweisen hat», sagt Bürgi. Bei der Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts und insbesondere beim Künstlernamen Gauguin muss das Museum nun aber auch eine Schwächung verkraften. «Aber zum Glück verbleibt mit Gauguins ‚Ta matete‘, einer Schenkung übrigens, ein weiteres berühmtes Hauptwerk des Künstlers in der Sammlung», sagt Bürgi.
Ab dem kommenden Wochenende ist «Nafea faa ipoipo» aus dem Staechelin-Konvolut in der grossen Gauguin-Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen. Danach wird es mit den anderen Gemälden der Sammlung in Madrid und Washington gezeigt.
Wohin sie danach reisen werden, ist noch nicht bekannt. Zusammen mit dem Gauguin-Gemälde vereinigt die Sammlung insgesamt 18 Bilder hochkarätiger Künstler der Moderne, unter anderem Werke von van Gogh, Picasso und Cézanne.