Messe-Chef übernimmt und vollzieht Kehrtwende

Die Messe Schweiz zieht die Notbremse: Messe und Generalunternehmer HRS versprechen, Bauarbeiter im schlimmsten Fall direkt zu entschädigen, die zu Dumpinglöhnen gearbeitet oder gar keinen Lohn bekommen haben.

Verwaltungsratspräsident Ueli Vischer hat lange gewartet, bis er sich zu den Lohndumping-Fällen äusserte. (Bild: Michael Würtenberg)

Die Messe Schweiz zieht die Notbremse: Messe und Generalunternehmer HRS versprechen, Bauarbeiter im schlimmsten Fall direkt zu entschädigen, die zu Dumpinglöhnen gearbeitet oder gar keinen Lohn bekommen haben.

Acht Tage nachdem sich Martin Kull, Chef des Generalunternehmers HRS, beklagt hatte, sein Unternehmen werde zu Unrecht wegen Lohndumpingfällen auf der Messebaustelle an den Pranger gestellt, war alles anders. Kull sass zwar auch auf dem Podium, doch er begnügte sich weitgehend mit der Rolle des Statisten, zu reden überliess er einem anderen: Ulrich Vischer, Verwaltungsratspräsident der Messe. Und dieser vollzog eine Kehrtwende. Was der Messe-CEO René Kamm vor wenigen Tagen noch in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen abgelehnt hatte, weil man damit unkorrekte Unternehmen subventionieren würde (ca. ab Minute 2:00 im Video unten), versprach jetzt Vischer: «Es darf nicht sein, dass Bauarbeiter für uns arbeiten, nach Hause fahren und keinen Lohn bekommen. Falls nötig werden wir unbürokratisch, direkt und unpräjudiziell Unterstützung leisten.»

«Wenige Hunderttausend Franken»

Konkret nannte Vischer den Fall von mehreren Dutzend Stahlarbeitern aus Slowenien, die zu Dumpinglöhnen gearbeitet haben und jetzt wegen Zahlungsschwierigkeiten von ihrem Arbeitgeber noch immer keinen Lohn bekamen. Die Messe werde dies zusammen mit dem Generalunternehmer HRS noch vor Weihnachten korrigieren. Insgesamt rechnet Vischer mit «wenigen Hunderttausend Franken», welche die Messe und der Generalunternehmer zahlen müssten. Auf keinen Fall werde der Steuerzahler für diese Kosten aufkommen müssen, versprach Vischer.

Während der Generalunternehmer an seiner Pressekonferenz vor Wochenfrist von ein paar wenigen schwarzen Schafen gesprochen hatte, schlug Vischer auch hier ganz neue Töne an: Selbst wenn es insgesamt nur wenig Fälle seien, gehe das so nicht, sagte er. Gemäss Auskunft des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) würden insgesamt fünf Firmen verdächtigt, gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen verstossen zu haben. Die Gewerkschaft Unia hingegen spricht inzwischen von mehr als zehn Subunternehmen. Wieviele Bauarbeiter betroffen sind, dazu wollte sich weder Messe noch Generalunternehmer HRS festlegen. Es dürfte sich aber um mindestens mehrere Dutzend handeln.

Vischer rechnet mit weiteren Verfehlungen

Auch wenn Vischer selbst nicht von einer Kehrtwende sprechen mochte («Unsere Einstellung ist nicht neu»), mit der kommunikativen Flucht nach vorn wollte der Verwaltungsratspräsident offensichtlich verhindern, dass das Image der Messe noch weiteren Schaden nimmt. Vischer selbst erklärte, bereits habe die Messe von neuen, noch nicht bestätigten Fällen von Arbeitszeitüberschreitungen auf der Baustelle erfahren. Und er zweifele nicht daran, dass noch weitere solche Verstösse bekannt würden. Gleichzeitig betonte er auch, welch «unerhörte» Bedeutung die Uhren- und Schmuckmesse Baselword habe. Allerdings sei der Druck, rechtzeitig zur Baselworld fertig zu werden, kein Grund für solche «Unkorrektheiten».

Zum ersten Mal erklärte Vischer, worin sich der Vertrag zwischen der Messe und der HRS gegenüber den Bestimmungen im Basler Vergabegesetz unterscheidet. Auf Baustellen des Kantons Basel-Stadt kann dieser als Bauherr nämlich bei Lohndumpingfällen und andern Verstössen bis zu zehn Prozent der Auftragssumme zurückhalten, um damit betrogene Arbeiter notfalls direkt zu entschädigen. Eine solche Bestimmung gibt es im Vertrag zwischen Messe und HRS gemäss Vischer aber nicht. «Messe und Generalunternehmen arbeiten hervorragend zusammen. Geld zurückzuhalten ist nicht nötig und wäre gemäss Vertrag auch nicht möglich.» Genau dies forderte aber der Baselbieter Landrat letzte Woche, was Messe-CEO Kamm im Interview mit dem Schweizer Fernsehen als politisches Geplänkel bezeichnete.

Auch wenn Vischer es tunlichst vermied, den Schwarzen Peter einfach an die Unternehmen weiter zu reichen: Eine kritische Bemerkung konnte sich der Verwaltungsratspräsident der Messe doch nicht verkneifen. Die Messe habe Wert darauf gelegt, regionale und nationale Firmen zu berücksichtigen. Er sei enttäuscht, dass diese dann die Aufträge so häufig an Subunternehmen weitergegeben hätten.

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