Mit dem Herzen den Computer steuern

Intimer gehts nicht: Ein neues Medienkunstprojekt untersucht, inwiefern unser Körper Einfluss nehmen kann auf das Kunstwerk selbst. Dafür setzt «Affective Environments» auf Atmung, Herzschlag und Hautleitfähigkeit.

Intimer gehts nicht: Ein neues Medienkunstprojekt untersucht, inwiefern unser Körper Einfluss nehmen kann auf das Kunstwerk selbst. Dafür setzt «Affective Environments» auf Atmung, Herzschlag und Hautleitfähigkeit.

Eine interaktive Computerinstallation durch Bewegung mit den Händen steuern? Kalter Kaffee! Ab sofort macht man das mit dem Herzen.

Ausprobieren lässt sich das Ganze im HeK, dem Haus der elektronischen Künste, wo Jan Torpus, José Navarro, Markus Braach und Renato Grob ihr Projekt «Affective Environments» vorstellen. An drei Stationen können die Besucher dort testen, wie es sich anfühlt, wenn die eigenen Emotionen ein Kunstwerk steuern. Eine Abfolge ist nicht vorgegeben, darum schlagen wir hier eine vor.

Als Erstes wählen wir den Bürostuhl, der sich gar nicht gross von jenem unterscheidet, auf dem wir täglich sitzen. Wir stülpen uns ein Head-Mounted Display (eine Art Videobrille) über den Kopf, legen unsere Hand auf die Armlehne und tauchen ein. Vor unseren Augen eröffnet sich eine virtuelle, abstrakte Welt. Horizontale Linien verlaufen von oben nach unten und vermitteln uns nach und nach das Gefühl hochzuschweben.

Sensoren messen an den Fingerspitzen unsere Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit. Je ruhiger wir werden, desto schneller steigen wir, desto mehr verändert sich die Welt, in der wir uns vermeintlich befinden. Es komme fast einer Form von Meditation gleich, meint Jan Torpus. Der Computer belohnt einen dafür, dass man ruhiger und ruhiger wird.



Ruhe bringt uns in «Reveal» ans Ziel.

Ruhe bringt uns in «Reveal» ans Ziel.

Ganz ähnlich funktioniert die zweite Arbeit. Eine Bambusholzkugel vor einem Bildschirm ist mit denselben Sensoren ausgerüstet wie der Bürostuhl. Im Schneidersitz sitzt man hier, nicht mehr so abgeschirmt von der Aussenwelt wie im Stuhl. Auf dem Bildschirm pulsiert eine abstrakte Form. Sie wird sich durch die Beruhigung der Herzfrequenz verändern, so viel sei verraten – aber nicht, was am Ende entsteht.

Derart (hoffentlich) entspannt macht man sich auf den Weg zur dritten Station. Drei kleine Roboterkreaturen scheinen hier in ein Gespräch oder in einen Tanz vertieft. Sie interagieren miteinander, wobei zwei sich annähernd synchron bewegen. Die dritte Kreatur hingegen hängt verkümmert auf ihrem Podest. Unsere Aufgabe ist es, ihr Leben einzuhauchen – und das fast im wörtlichen Sinne.



Das Ziel von «Inspire»: Alle drei Roboterkreaturen in eine gleichförmige Bewegung zu bringen.

Das Ziel von «Inspire»: Alle drei Roboterkreaturen in eine gleichförmige Bewegung zu bringen.

Ein Gürtel, den wir um die Brust oder den Bauch schnallen, misst unsere Atmung und überträgt diese auf Kreatur Nummer drei. Allmählich erholt sie sich, und wir merken, dass wir sie mit unserer Atmung steuern können. Doch nicht nur das: Lösen wir den Gürtel, so wird die Kreatur protestieren. Sie wehrt sich, ist bereits von uns abhängig geworden. Und wir stehlen uns mit schlechtem Gewissen davon.

Auf die Reaktionen sei er sehr gespannt, meint Jan Torpus: «Wie und ob die Leute überhaupt reagieren.» Denn es gehe ihm bei diesen Arbeiten nicht nur um die eigene Freude am Tüfteln, sondern auch darum, die Besucher zum Nachdenken anzuregen. Zum Beispiel über die Nachhaltigkeit von spontaner Hilfe – die eben nur so lange etwas bringt, wie sie anhält. «Es ist eine Verantwortung, die wir übernehmen», erklärt er. Und hat man sie einmal übernommen, ist sie nicht so einfach wieder loszuwerden.

«Affective Environments» ist ein Projekt, das uns bewusst machen will, welchen Einfluss wir auf unsere Umwelt haben. Wie wir mit unseren Emotionen, mit unserem Dasein unsere eigene Welt gestalten. Doch das Projekt funktioniert nur, wenn wir uns darauf einlassen. Wenn wir ein sensibilisiertes Bewusstsein für den eigenen Körper entwickeln. Es ist ein Spiel, das ausnahmsweise nicht durch kognitive Fähigkeiten gesteuert werden kann. Das keinen Gegner kennt – ausser uns selbst.

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«Affective Environments», HeK, 24. Februar bis 2. März 2015.

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