«Mit Worten geht der Zauber verloren»

Mit schweizerischer Präzision arbeiten Zimmermann & De Perrot an ihren Stücken zwischen Theater, Tanz, Musik und Zirkus. Jetzt kommt das Erfolgsduo in die Basler Kaserne.

«Wir geben 50 Prozent ans Publikum, und dieses macht die anderen 50 Prozent aus»: Dimitri de Perrot und Martin Zimmermann (v. l.). (Bild: zVg)

Mit schweizerischer Präzision arbeiten Zimmermann & De Perrot an ihren Stücken zwischen Theater, Tanz, Musik und Zirkus. Vom 6. bis 8. Februar gastiert das erfolgreiche Duo in der Basler Kaserne.

Seit 15 Jahren existiert es schon, das Zürcher Erfolgsduo Zimmermann & de Perrot. Mit «Öper öpis», «Gaff Aff» oder «Chouf Ouchouf» sind sie um die Welt gereist. Und trotz des Erfolgs bodenständig geblieben. Mit schweizerischer Präzision und hohem Perfektionsanspruch arbeiten sie an ihren Stücken zwischen Theater, Tanz, Musik und Zirkus und hinterfragen immer wieder von Neuem, was sie tun.

Ihre Bühnenbilder sind ein Ereignis für sich, ihre Stücke voll hintersinnigem Humor, gespickt mit Absurditäten, die dem Alltag abgeschaut sind. Jetzt kommt die Truppe um Martin Zimmermann und Dimitri de Perrot mit «Hans was Heiri» in die Kaserne Basel, nach einer Gastspiel-Tournee durch Europa, Kanada und die USA. Es ist erst der dritte Auftritt in der Schweiz. Ein guter Anlass, um Martin Zimmermann zu einem Gespräch zu treffen.

Herr Zimmermann, das Gemeinsame all Ihrer Stücke ist das Tragikomische. Wie würden Sie die jüngste Arbeit «Hans was Heiri» beschreiben?

Wir wissen sehr genau, was wir machen. Doch haben wir das Gefühl, durch das Beschreiben und Erklären dem Stück etwas Wesentliches wegzunehmen. Mit Worten geht der Zauber verloren. Das Stück wird dann banal. Wir vertrauen auf die Fantasie der Zuschauer und darauf, dass sie über sich und die Mitmenschen etwas begreifen. Für uns ist Theater ursprünglich ein «lieu de rencontre». Wir geben 50 Prozent ans Publikum, und dieses macht die anderen 50 Prozent aus: Es nimmt das mit, was es versteht. Das Schönste ist, wenn die Leute Dinge sehen, die wir gar nicht gemacht haben. Dimitri und ich arbeiten sehr bildlich, ohne Textvorlage; bei uns dreht sich vieles ums Dekor, um die skulpturale Erfindung. Das Bühnenbild ist unser Ausgangspunkt. Über unsere Stücke reden wäre für uns ungefähr so, wie wenn Tinguely seine Maschinen erklärte.

«Über unsere Stücke reden wäre für uns ungefähr so, wie wenn Tinguely seine Maschinen erklärte.»

«Hans was Heiri» wurde vor zwei Jahren uraufgeführt. Hat sich das Stück seither verändert?

Wir feilen immer daran. Wir treffen uns drei Stunden, bevor wir spielen, und besprechen den Vortag. Kleine «Unfälle» und Zufälle wie ein Stuhl, der umgekippt ist, können zu einem wichtigen Element werden. Unser Figurentheater braucht ein ständiges Coaching: Welche Silhouette hat jede Figur? Was ist ihr Inhalt? Die «Personnage» ist sehr nahe bei den Performern; wir haben sie ja aus ihnen herausgearbeitet. Wenn man sich ihrer Fragilität nicht immer wieder vergewissert, sinkt man auf Schenkelklopf-Niveau. Wir müssen zurück zum Tragikomischen finden, und das ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist.

Mit Ihren Stücken treten Sie in ganz Europa, Übersee und in Japan auf. Haben Sie grosse Unterschiede in den Publikums-Reaktionen festgestellt?

Nur schon zwischen Basel und Zürich merken wir Unterschiede, das ist unheimlich spannend und unerklärlich. Wir arbeiten mit tragikomischem Humor, und die Leute reagieren an verschiedenen Stellen. Manchmal verstehen wir gar nicht, warum sie lachen. Mit «Chouf Ouchouf» waren wir zum ersten Mal in Japan. Die Zuschauer haben wie auf Knopfdruck gelacht, tausend Leute gleichzeitig, das war schon fast erschreckend.

Die Stücke entwickeln Sie und Dimitri de Perrot in enger Zusammenarbeit. Ein Erfolgsduo seit 15 Jahren. Wie machen Sie das?

Wir sind Geschäftspartner, Arbeitspartner, aber auch Freunde, wir haben einen permanenten Austausch, reden über alles und sind dabei sehr unterschiedliche Menschen. Da prallen Gegensätze aufeinander, halt alles, was das Leben beinhaltet. So kommt unser Material zustande. Wir bemühen uns sehr, unseren Dialog am Laufen zu halten und sorgfältig damit umzugehen. Der Aufwand dafür, glaube ich, ist das Rezept unserer langjährigen Zusammenarbeit. Unser gemeinsames Interesse ist das Erfinden des Bühnenbilds. Ein Stuhl muss die gleiche Kraft haben wie ein Schauspieler. Das Objekt- und Bühnenbildtheater, das wir machen, ist ein komplexes Puzzle.

Woher kommt dieses grosse Interesse am Bühnenbild, an der Architektur?

Wir beide zeichnen und tüfteln gerne. Am liebsten erfinden wir Räume, basteln kreativ an Ideen herum und casten Leute. Danach beginnt die Probenzeit. Der Raum ist unser Storybook, damit fängt alles an. Das ist nicht so besonders, auch bei einem Christoph Marthaler ist der Raum enorm wichtig. Und auch er macht immer wieder Autorentheater. Er hat uns in seiner Zeit als Direktor des Schauspielhauses Zürich mit unseren ersten drei Arbeiten ans Haus eingeladen. Ganz am Anfang wollte uns kein Theater die Türen öffnen, wir mussten uns selber, im Blauen Saal, veranstalten. Wir haben alles selber gemacht, bis hin zur Herstellung der Billette. Wir waren jung, na ja, und etwas Punk.

Gibt es für Sie aus dem eigenen Repertoire ein Stück, das Sie besonders mögen?

Jedes Stück ist ein bisschen wie ein Kind, unmöglich zu sagen, dass ich das eine mehr als das andere liebe. Die grössten Erlebnisse habe ich während des kreativen Prozesses. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem wir deprimiert waren, weil wir in der Arbeit feststeckten und am nächsten gemerkt haben, dass das schon gut war, wir die Sache nur ein bisschen drehen und wenden müssen. Das sind tolle Momente. Wunderbar finde ich auch die Begegnungen mit Leuten nach der Vorstellung; ein Kind zum Beispiel, das fragt, warum wir uns auf der Bühne verkleiden. Warum machen wir überhaupt Theater? Schön auch, wenn jemand ein Schlüsselerlebnis in einem unserer Stücke hat. Ich hatte selber so eines, damals mit 19, als Schüler der Zirkusschule in Paris. Jemand hatte für uns Karten für eine Vorstellung mit Pina Bausch organisiert. Ich hatte keine Idee, was mich da erwartete. Es war genial!

Was machen Sie und Dimitri de Perrot als Nächstes?

Für 2016 haben wir eine grössere gemeinsame Produktion geplant. Davor aber möchten wir beide eigene Sachen ausprobieren. Wir haben gemerkt, dass wir nach «Hans was Heiri» etwas Neues brauchen; wir wollen uns nicht wiederholen. Wir sind immer dorthin gegangen, wo es brenzlig ist, wo für uns die grössten Fragen sind. Dort finden wir das Kreative und das, was uns weiter bringt. Wir haben kein Rezept, wir machen einfach und versuchen, die schwarzen Löcher zu bändigen. Mehr will ich jetzt nicht verraten.

Auch als Workaholic muss man mal pausieren. Wo und wann entspannen Sie sich?

Wir haben beide Partnerinnen, diese sind ganz wichtige Personen für uns. Über zwei Jahre im Voraus legen wir genau fest, wie viele Wochen wir auf Tournee gehen und wann wir zu Hause sind. Das ist ein klares Setting. Nur so bewahren wir uns vor Erschöpfung. Wir haben schnell gemerkt, wie wichtig Freiräume bei dieser hohen Arbeitsbelastung sind. Dann nehmen wir uns Zeit für uns selber.

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Letzte Schweizer Vorstellungen von «Hans was Heiri»:
Kaserne, Basel. Klybeckstrasse 1b. 6./7./8. Februar, jeweils 20 Uhr.

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