Die Anforderungen an das Vermittlungspersonal von Museen steigen ständig. Nur die Löhne bleiben seit Jahren gleich – und die Job-Attraktivität sinkt.
Die geplante Schliessung des Kunstmuseums Basel ab Februar 2015 hat eine Berufsgruppe in den Fokus gerückt, die ansonsten eher am Rande wahrgenommen wird – obwohl sie täglich an vorderster Front agiert: das Vermittlungspersonal. Und innerhalb dieser Gruppe vor allem die freien, meist im Stundenlohn angestellten Mitarbeitenden, welche die interessierten Besucher kundig durch Ausstellungen führen oder in Workshops anleiten. Ohne sie kommt kaum ein Museum aus, wenn auch einige versuchen, der stetig wachsenden Nachfrage im Vermittlungsbereich mit dem hauseigenen Personal gerecht zu werden.
Eine Umfrage in einigen Basler Museen zeigt: Die Ansprüche an die Zuständigen in den Abteilungen «Bildung und Vermittlung» wachsen ständig. Es sind kaum mehr Studierende, die sich auf diese Weise einen Zustupf verdienen, wie das vor 20 Jahren noch üblich war – eine abgeschlossene Ausbildung ist in den meisten Museen heute Bedingung, wie auch pädagogisch-didaktische Erfahrung und Mehrsprachigkeit von Vorteil sind. Denn über die Vermittlung zieht das Museum Besucher an: Gefällt diesen, was ihnen geboten wird, kommen sie wieder.
Jede Führung ist anders, jede Gruppe auch, was die Arbeit von Kunstvermittlern spannend, aber auch anspruchsvoll macht. Im Bild: Kinderführung in der Fondation Beyeler. (Bild: Pascal Pazanda)
Die Vermittlungspersonen sind somit zu einem der wichtigsten Aushängeschilder eines Museums geworden. Deshalb verlangt inzwischen nicht nur die Besucherschaft nach einem reichhaltigen Angebot, sondern auch die Politik. Diese fordert ebenfalls bestens qualifizierte Leute, wie man etwa im baselstädtischen Kulturleitbild nachlesen kann: «Die Qualität der Vermittlungsangebote und die persönliche Qualifikation der Vermittlungspersonen sind Grundvoraussetzung für wirksame Vermittlungsarbeit.»
Fordern und handeln
Das Kulturleitbild hat vor anderthalb Jahren die Vermittlung zu einem Schwerpunkt der Kulturpolitik erhoben. Gleichzeitig hat man schon da ein zentrales Problem erkannt: die knappen finanziellen Ressourcen. Formuliert wurde das in den folgenden Worten: «Obschon politisch grosses Interesse an Kulturvermittlung besteht, ist ihre Rolle bei der Mittelverteilung vorläufig marginal. Diese Differenz zwischen politischer Forderung und Handeln bezüglich Vermittlungsressourcen sollte behoben werden, sowohl seitens der Förderung wie auch der Institutionen.»
Über Angebote in der Vermittlung ziehen Museen Besucher an.
Verändert hat sich in der Praxis jedoch seither nichts: Das Geld ist weiterhin knapp, eine Erhöhung der Subventionen etwa bleibt für die kantonalen Museen ein Wunschtraum. Doch die Vermittlung gehört für diese als Teil des Auftrags zu den Leistungsvereinbarungen. Das bedeutet, dass allfällige Vermittlungsprojekte über die regulären Budgets zu finanzieren wären – wobei es den Museen natürlich freisteht, selbst Drittgelder zu akquirieren.
Grundsätzlich aber ist es von den Prioritätensetzungen der einzelnen Institutionen abhängig, welcher Teil des Budgets in die Vermittlung fliesst. Dasselbe gilt auch für privat finanzierte Institutionen. Das Kunstmuseum Basel beispielsweise setzt laut Kuratorin Nina Zimmer, der auch die Abteilung Bildung und Vermittlung untersteht, rund zwei Prozent des Gesamtetats dafür ein. Das entspricht jährlich rund 250 000 Franken. Im Vergleich dazu: Der Fondation Beyeler stehen für denselben Zeitraum 1,25 Millionen Franken zur Verfügung, was rund fünf Prozent des Gesamtbudgets entspricht. In diesen Budgets miteingerechnet sind die Löhne der Festangestellten der Vermittlungsabteilungen, was auch die auf den ersten Blick krasse Differenz erklärt: Im Kunstmuseum teilen sich nämlich zwei Mitarbeiterinnen ein Pensum von 80 Prozent, die Fondation Beyeler setzt insgesamt 390 Stellenprozente für diesen Bereich ein, aufgeteilt in eine Kunstvermittlungsstelle, welche für die inhaltliche Konzeption und Umsetzung besorgt ist, und in die Führungskoordination.
Stagnierende Löhne
Aus dem, was nach Abzug der Fixlohnkosten vom Budget bleibt, werden vor allem die Honorare der freien Mitarbeitenden bezahlt. Deren Stundenansätze leiden zwingend unter den knappen finanziellen Ressourcen der Museen – und stagnieren deshalb seit Jahren. In diesem Bereich zeigen sich im Vergleich der Institutionen grössere Unterschiede, sowohl in der Organisation als auch in der Bezahlung.
Unsere Umfrage zeigt dies an ausgewählten Beispielen (vgl. Tabelle). Zwar gibt es bei den staatlichen Museen einheitliche Honorare beziehungsweise eine Einteilung in Lohnklassen, jedoch variieren die Konditionen von Museum zu Museum, auch entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der Häuser. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen klassischen Führungen, Workshops für Schulen, Familiensonntagen oder Kindernachmittagen, wie sie etwa das Historische Museum oder das Naturhistorische Museum anbieten, notwendig.
Führungen werden in allen Museen grundsätzlich pauschal vergütet. Für eine einstündige Führung zahlen die kantonalen Museen pauschal 135 Franken, die Fondation Beyeler vergütet 110 Franken. Was auf den ersten Blick nach einem anständigen Stundenlohn aussieht, relativiert sich bei näherer Betrachtung: Denn in diese pauschalen Honorare eingeschlossen sind alle Sozialleistungen, der 13. Monatslohn, Ferienentschädigung sowie die Vorbereitungs- und Anreisezeit. Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Abendeinsätze werden nicht speziell vergütet.
Stilsicher und sozial kompetent
Differenzen bei der Entlöhnung gibt es vor allem bei Workshops und ähnlichen Angeboten. Im Kunstmuseum wird ein dreistündiger Workshop pauschal mit einem Honorar von 300 Franken entlöhnt. Das Historische Museum wiederum bezahlt die freien Mitarbeitenden in solchen Fällen im Stundenlohn. Die Vorbereitungszeit wird hier zusätzlich angerechnet. Die Berechnung des Lohnes richtet sich schliesslich nach den Lohnklassen des Kantons, wobei unterschieden wird zwischen Vermittlungspersonal mit abgeschlossener Ausbildung und solchem ohne abgeschlossene Ausbildung – allerdings ist gerade im Historischen Museum eine abgeschlossene Ausbildung Voraussetzung, wodurch diese Unterteilung hier wegfällt.
24 freie Mitarbeitende müssen 1700 Führungen und Workshops bewältigen.
Rechnet man nun ein wenig, dann wird schnell klar: Als freier Mitarbeitender in der Vermittlung tätig zu sein, reicht nicht zum Leben. Ein Brotjob daneben ist zwingend, um die Miete jeden Monat zahlen zu können. Denn trotz der steigenden Nachfrage kann einerseits von den Museen nur eine gewisse Anzahl Führungen oder Workshops an eine Person vergeben werden, andererseits kann eine Person auch nur eine gewisse Anzahl bewältigen.
«Es wird oft unterschätzt, was von uns verlangt wird», sagt eine Kunstvermittlerin, die im Kunstmuseum tätig ist. Das höre nicht bei der Ausbildung oder beim sich anzueignenden Wissen auf. Man brauche ebensosehr stilsicheres Auftreten, pädagogische Fähigkeiten und eine hohe Sozialkompetenz: «Bei Führungen muss man sich immer neu auf eine Gruppe einstellen. Vieles ergibt sich erst spontan. Das braucht viel Konzentration und Flexibilität.» Um gute Arbeit zu leisten, müsse man sich Zeit nehmen.
Flexibilität ist zwingend
Die Vorstellung, die manche Leute hätten, dass man für eine Ausstellung eine Modellführung konzipiere, die sich auf alle Formate anwenden lasse, sei grundfalsch, erklärt eine andere Kunstvermittlerin, die für die Fondation Beyeler arbeitet: «Es macht einen Unterschied, ob ich Primarschülern, Kunststudenten oder VIP-Gästen der UBS ein Thema näherbringen möchte: Genauso wie das Vorwissen sind auch die Interessen unterschiedlich. Und auch sprachlich muss man flexibel sein.»
Hohe Flexibilität ist auch in der Zeitplanung gefragt: Zeigt ein Museum eine Sonderausstellung, so steigt die Nachfrage nach Führungen. In der Fondation Beyeler zum Beispiel können dann bis zu 15 Führungen monatlich pro Mitarbeiter zusammenkommen. Ist jedoch nur die Sammlung zu sehen, kann diese Zahl gegen null tendieren. Der Lohn sinkt dementsprechend. Wer krank wird, erhält gar keinen Lohn, und wegen der unregelmässigen Arbeitspensen gestaltet sich zudem das Einrichten einer beruflichen Vorsorge schwierig. Gerade im Kunstbereich arbeiten manche Vermittlungspersonen ausserdem für mehrere Museen – die Koordination der Termine an den unterschiedlichen Häusern ist wiederum eine Kunst für sich.
So ist das Vermitteln von Kultur für viele ein interessanter Teilzeitjob, den man aber selten über Jahre hinweg ausübt – ausser man hat das Glück, eine der wenigen Festanstellungen zu ergattern. Die meisten arbeiten aber immer noch im Auftragsverhältnis. 23 freie Mitarbeitende zählt das Kunstmuseum aktuell, 24 die Fondation Beyeler. Beide Teams müssen jährlich rund 1700 Führungen und Workshops bewältigen. Die Fondation Beyeler etwa hat ihre Kapazitätsgrenzen damit längst erreicht und muss gar Anfragen absagen oder private Führungen in die Abendstunden verlegen, damit die Räume tagsüber nicht verstopft sind.
Die Museen müssen sich somit etwas überlegen, um dem Ansturm gerecht zu werden – ohne gleichzeitig die Mitarbeiter zu überlasten. Und auch beim Kanton macht man sich Gedanken, wie den Entwicklungen Rechnung zu tragen ist: Man sei aktuell dabei, die Richtlinien für die kantonalen Museen zu harmonisieren, bestätigt Eva Keller, Leitung Museumspolitik in der Abteilung Kultur Basel-Stadt. Der Handlungsbedarf ist somit erkannt. Man habe die Diskussion aber gerade erst aufgenommen – für spruchreife Resultate brauche es noch etwas Geduld. Und ob sich für die freien Mitarbeitenden die Dinge dann zum Besseren wenden, in dieser Frage herrscht bei den Betroffenen noch Skepsis vor. Die Devise heisst «Abwarten und Tee trinken». Und vor allem: flexibel bleiben.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 20.09.13