Die ungünstige Beleuchtung in der Basler Martinskirche sorgt immer wieder für Unmut. Am Sonntagabend hat das Kammerorchester Basel mit einer neuen Lichtinstallation experimentiert – und ein denkwürdiges Konzert gegeben.
Was berührt das menschliche Gemüt mehr? Das Licht? Der Klang? Das Wort? Die Begebenheit? Es sind solch grundsätzliche Fragen, die das letzte Konzert des Kammerorchester Basels aufgeworfen hat, so intensiv wurde mit diesen Elementen gearbeitet.
Da ist zunächst einmal das Licht. Wer die Basler Martinskirche kennt, weiss um ihre miserable Beleuchtung. Die Solisten erscheinen als Fratzen, das Publikum in den mittleren Reihen wird geblendet. Die denkmalgeschützte Bausubstanz lasse kaum Spielraum für Neuerungen, hiess es immer wieder.
Beeindruckende Qualität
Dass es auch anders geht, hat nun das Kammerorchester Basel (KOB) gezeigt und Studierende der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst eingeladen, sich dieses Problems anzunehmen. Gerüste wurden installiert – zugegeben: sie sind keine Schönheit – und etliche Scheinwerfer aufgebaut. Eine indirekte Lichtführung sorgte für warme, heimelige Atmosphäre, und mit dem Eintreten der Musiker erstrahlte die Konzertbühne in gleissend hellem Glanz. Ein ungewöhnlich pompöser Auftritt für diesen Ort, doch von einer beeindruckenden Qualität, wie sie in modernen Konzerthäusern heute Standard ist.
Installative Inszenierung
Doch das Experiment ging weiter: Nicole Müller und Fritz Strempel erarbeiteten installative Inszenierungen, liessen Lava-Lampen-Optik mit den Ornamenten der Martinskirche verschmelzen und Lichtstrahle im Takt der Musik zucken. Ein künstlerisch interessanter Beitrag, der jedoch einer Reizüberflutung gleichkam – das Kammerorchester spielte an diesem Abend selbst schon ungeheuer bildgewaltig.
Herrlich luzide Musik
Etwa das neueste Werk des Basler Komponisten Lukas Langlotz, der drei Lieder des Renaissance-Komponisten Henry Purcell für Tenor und Kammerorchester bearbeitet hat. Herrlich luzide Musik war das, licht und rein untermalte sie den Gesang, eigenständig dachten die Orchesterinstrumente die musikalischen Gedanken in Zwischenspielen weiter. Selten hört man so stimmige Kommentare aus heutiger Zeit, eingehüllt in die Poesie des Damals.
Oder die Uraufführung von «Miorita» aus der Feder der Wahlbaslerin Helena Winkelmann. Sie vertonte in diesem Konzert für Alphorn und Orchester eine rumänische Legende über einen Hirten, dem der baldige Tod durch Neider droht. Schafsglocken und Windmaschinen klangen um die Wette, inszenierten die reiche Klangwelt, die der Hirte auf der Alm erlebt, wenn sein Ohr durch die Stille sensibel geworden ist. Ein reiches und sinnliches, vielleicht etwas überbordendes Stück, das von den Solisten Simon Lilly und Balthasar Streiff sowie dem Kammerorchester unter der Leitung von Thomas Herzog mit sehr viel Verve gegeben wurde.
Pastorale Themen
Auch Benjamin Britten liess sich in seiner Serenade für Tenor, Horn und Streicher von pastoralen Themen leiten, und es ist der ausgezeichneten Programmdramaturgie des KOB zu verdanken, dass man dieses selten gespielte Werk in diesem Kontext zu hören bekam. Wie präzise und konzentriert Britten mit den musikalischen Mitteln umgeht, wie diffizil er die Hirtenwelt inszeniert, wie farbig er zwischen spätromantischer und moderner Klanglichkeit changiert, all das arbeiteten die Musiker unter der Leitung der Konzertmeisterin Yuki Kasai aufs schönste heraus. Und wie schon bei Purcell zeigte sich auch hier Mark Padmore als unglaublich wandlungsfähiger Sänger. Fahl und gespenstig stimmte der Tenor den Trauergesang an, lustvoll erzählte er die Hymne an die Königin, formulierte jedes Wort in seiner Klanglichkeit genüsslich aus, singend sprechend, sprechend singend – und immer wieder gespiegelt vom Hornisten Olivier Darbellay.
Nach so reichhaltiger Kost erschien die «Schicksalssinfonie» Joseph Haydns fast wie eine Zugabe. Auch hier zeigte sich das KOB in exzellenter Verfassung, musizierte so organisch und transparent, interpretierte so pointiert und differenziert, dass es einen Wunder nahm, wie so etwas ohne die leitende Hand eines Dirigenten möglich ist. Ein denkwürdiges Konzertereignis, das noch lange nachhallen wird.