Nach Hause fliegen

Baselworld ist vorbei, die Luxusgäste sind ausgeflogen. Man kann von «Vols spéciaux» reden.

Baselworld schafft Tausende Gästezimmer, für alle Asylbewerber aber fehlt der Platz. (Bild: zVg)

Baselworld ist vorbei, die Luxusgäste sind ausgeflogen. Man kann von «Vols spéciaux» reden.

Die «Lichtspiele» von Hansjörg Betschart gibt es auch als Blog auf blogs.tageswoche.ch

Jetzt sind sie wieder fort, all die Menschen, die, von weither kommend, unsere Grenzen überschritten hatten. Tagelang fielen sie in der Innenstadt auf, weil sie Köfferchen mit Habseligkeiten hinter sich herzogen. Jetzt trippeln sie die Treppen der Gateways hinauf, meist mit bescheiden kleinen Trouvaillen im Handgepäck, die sie oft auch nur lose am Handgelenk tragen, und heben wieder ab. Der «Vol spécial» fliegt sie zurück in die global oberen Zehntausend.

In der Region war keiner der Gestrandeten ohne Verpflegung geblieben. Diszipliniert hatten sie sich in Restaurants mit erweitertem Sitzplatzangebot eingefunden: Sie assen spärlich – vor allem die Frauen nippten gar zierlich an ihrem Grünzeug und Sprudelwasser. In manchen Restaurants waren kaum mehr Tische zu kriegen. Kaum ein Lokal, das nicht einem Event für die Weitgereisten vorbehalten war, in exquisiten Farben und Beleuchtungen.

Die Region hat es deutlich gemacht, wie grossherzig sie Unterkünfte schaffen kann. Viele Einheimische haben sogar spontan ihre Wohnungen geräumt. Manche Basler Familie ist zu Verwandten gezogen oder hat das Land urlaubstechnisch verlassen, um Schlafplatz zu schaffen. Für viele ist es eine Selbstverständlichkeit, an dieser Glücksgoldkette teilzunehmen. Klar, dass der Bundesrat hellhörig wird, wenn er das hört: Wo lassen sich sonst in so kurzer Zeit so viele Plätze in Auffanglagern finden?
Umso weniger können wir nach dieser Woche auf die DVD «Vol spécial» verzichten, die demnächst erscheint. Im preisgekrönten Dokumentarfilm von Fernand Melgar ist zu sehen, wie in einem Schweizer Gefängnis Weitgereiste auf die Rückschaffung vorbereitet werden. An den Handgelenken tragen sie nichts als Handschellen, wenn sie den Gateway hinuntergeschoben werden – zurück in die global untersten Millionen von Hungerleidern.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12

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