Neue Ideen für den Kunstkredit

Die Verordnung des Kunstkredits Basel-Stadt soll nach 20 Jahren rundum erneuert werden.

Die Verordnung des Kunstkredits Basel-Stadt soll nach 20 Jahren rundum erneuert werden.

Rund 350 Personen waren es, die Anfang August einen offenen Brief an Regierungspräsident Guy Morin unterschrieben. Lanciert worden war das Schreiben von namentlich nicht genannten Exponenten der Basler Künstlerschaft.

Grund dafür war die Empörung darüber, dass festgesetzte Termine in der Ausschreibung des Basler Kunstkredits vorverschoben worden waren – ohne dass man dies kommuniziert hatte. Die jährliche Ausstellung der prämierten Werke war plötzlich statt auf Mitte Oktober auf Anfang September angesetzt: Sechs Wochen weniger Zeit zur Ausarbeitung der eingereichten Werke und Projekte wäre das Resultat für die teilnehmenden Kunstschaffenden gewesen.

Empörte Stimmen

Die Unterzeichner des Briefes forderten einiges: dass die Termine wie in der Ausschreibung kommuniziert eingehalten werden sollten, dass «der Kunstkredit Basel-Stadt auch in Zukunft eine initiative und handlungs­fähige Kommission» bleibe, und dass man die Personalie Peter Stohler, ­baselstädtischer Kulturbeauftragter und Kommissionsvorsitzender beim Kunstkredit, überdenke.

Eine Teilantwort erhielten die Initianten des Briefes beinahe umgehend: Zwei Tage nach Aufsetzen des Briefes wurde der 18. November als neuer Eröffnungstermin für die Ausstellung bekannt gegeben.

Heute Freitag wird die Werkschau, die alljährlich das Potenzial der Basler Künstlerschaft aufzeigen will, in der Ausstellungshalle Oslo 12 auf dem Dreispitzareal eröffnet. Die Empörung, die im Sommer durch die Künstlerschaft schwappte, scheint abgeebbt zu sein. Trotzdem hat sie ihre Spuren hinterlassen: In den letzten Monaten hat man beim Kanton beschlossen, die 20 Jahre alte Verordnung des Kunstkredits einem Totallifting zu unterziehen. Für das Jahr 2012 wird sich zwar vorerst nichts ändern, doch ab Januar soll eine Arbeitsgruppe mit der Durchleuchtung der bestehenden Struktur beginnen und neue Ideen entwickeln, wie Philippe Bischof, Leiter Abteilung Kultur Basel-Stadt, bestätigt: «Unklare oder überholte Definitionen in der Verordnung sollen endlich ausgemerzt werden.» Die Arbeitsgruppe wird aus internen und externen Leuten zusammengesetzt sein. Gleichzeitig wird Bischof ein Leitbild erarbeiten lassen.

Raus in die Stadt

In beiden Gruppen werde alles unter die Lupe genommen, von der Art der Fördergefässe, der Mitgliederanzahl der Kommission (heute elf) über die Zuständigkeiten und Kompetenzen bis hin zur Rolle, die der Kunstkredit in der Stadt zu spielen habe. Denn wie viele Kunstschaffende ist der Kulturchef unglücklich darüber, dass der Kunstkredit wie ein in sich geschlossenes Biotop funktioniert. Auch er wünscht sich mehr Vermittlung, Dialog und Handlungsspielräume.

«Die Diskussion um den Kunstkredit wird in Basel sehr emotional geführt», meint Bischof. Über die Gründe dafür ist er sich nicht ganz im Klaren. «Dem würde ich auch gerne auf den Grund gehen.» Er fordert deshalb auch Abklärungen über die Lage der Basler Kunstschaffenden im Allgemeinen – in Bezug auf Ausstellungsmöglichkeiten, auf ihre Platzierung im Markt. «Wir wollen erfahren, wie ein produktiver Zusammenhang zwischen der kantonalen Sammlungstätigkeit und einer zeitgemässen Vermittlung und Künstlerförderung idealerweise auszusehen hat», so Bischof. Themen stehen viel im Raum, etwa die Idee von Kuratorenförderung, die Form der jährlichen Ausstellung oder die Frage, ob die Kommission stärker kuratorisch statt wie bisher nur beratend arbeitet.

Was bei der Evaluation herauskommen werde, sei ergebnisoffen, sagt Bischof. «Aber dass alles beim Alten bleibt, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich – ausser, dass der Kunstkredit natürlich bestehen bleiben muss.» Bis Sommer 2012 will er erste Resultate sehen, im Herbst dann soll die Verordnung soweit ausgearbeitet sein, dass sie auf Anfang 2013 in Kraft gesetzt werden kann. «Der Zeitpunkt wäre insofern günstig gewählt, weil Ende 2012 die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder erneuert werden muss.»

Beschleunigter Prozess

Die Überarbeitung sei nur teilweise als Reaktion auf die Vorkommnisse des Sommers zu verstehen, betont Bischof. Bereits bei der Lektüre des Überblickbuches «Kunstkredit Basel-Stadt 1990–2009», das vor einem Jahr erschienen ist, sei ihm klar geworden, dass die bestehenden Förderstrukturen der aktuellen Situation auf dem Kunstplatz Basel nur noch teilweise gerecht werden. Die Empörung der Künstlerschaft habe diesen Prozess jetzt allerdings beschleunigt, gibt er zu.

Als Vorbereitung der angedachten Neuerungen sind zwei neue Kommissionsmitglieder vorerst nur auf ein Jahr gewählt worden; die reguläre Amtsdauer beträgt eigentlich vier Jahre. Damit besteht die Möglichkeit einer gesamthaften Betrachtung. «Erst wollen wir eine neue Verordnung erarbeiten, dann werden wir wissen, in welcher Form diese ideal umgesetzt werden kann», sagt er dazu.

Neuer Raum für 2012

Die Ausstellung des Kunstkredits gab immer wieder Anlass zu Diskussionen. Da der Kunstkredit selber über keine Räume verfügt, muss er sich jeweils in andere Häuser einmieten. Viele Häuser jedoch sind nicht geeignet, andere stellen inakzeptable Bedingungen. Zwölf Jahre lang stellte der Kunstkredit deshalb auf Baselbieter Boden, im Kunsthaus Baselland in Muttenz, aus – bis 2010, als man aus Kostengründen ins Schweizerische Architekturmuseum (S AM) umzog. Hier konnte man zwar städtische Kunst wieder auf städtischem Boden zeigen, jedoch wurden die beengten Raumverhältnisse bemängelt. 2011 findet die Werkschau wegen der Terminverschiebung nun wieder auf Baselbieter Boden statt, in einer alten Fabrikhalle auf dem Dreispitzareal diesmal, dem Oslo 12. Das Ziel bleibt aber, künftig in der Stadt auszustellen, wie Peter Stohler, Kommissionsvorsitzender des Kunstkredits, bestätigt. Für 2012 geht dieser Wunsch zumindest in Erfüllung: Ende September wird die Ausstellung im Depot Basel, einem ehemaligen Getreidesilo auf dem Erlenmattareal, eröffnet werden. Für 2013 geht dann die Suche von Neuem los.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18/11/11

Nächster Artikel