Neues aus Fasowood

«Succès Cinema Burkina Faso» ermöglicht eine hautnahe Begegnung mit dem afrikanischen Film – und zwar mit Streifen, die unsere Sehgewohnheiten auf erfrischende Art unterlaufen.

Schnieke Flintenweiber laufen in «Faso Furie» den «Ballermännern» den Rang ab. (Bild: zVg)

«Succès Cinema Burkina Faso» ermöglicht eine hautnahe Begegnung mit dem afrikanischen Film – und zwar mit Streifen, die unsere Sehgewohnheiten auf erfrischende Art unterlaufen.

Peer Steinbrück, der glücklose deutsche Kanzlerkandidat, wollte seinerzeit nicht nur die Kavallerie in die Schweiz schicken, er verglich sie im Steuerstreit auch mit Ouagadougou. Der herablassend gemeinte Vergleich wäre dem SPD-Mann kaum über die Lippen gekommen, hätte er sich etwas besser informiert: Die Hautpstadt Burkina Fasos ist eines der kulturellen Zentren des Schwarzen Kontinents und beherbergt alle zwei Jahre das Panafrikanische Film- und Fernsehfestival Fespaco. Das schlägt sich auch auf die heimische Filmszene nieder, die seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten in Afrika gehört.

Ein kleines Afrika-Festival

«Succès Cinema Burkina Faso» heisst den auch passenderweise eine Initiative Schweizer Filmproduzenten, die nun in einem kleinen Festival vier aktuelle burkinische Streifen in Basel zeigt. Das Anliegen der Organisatoren: Förderung der Filmindustrie vor Ort und zugleich die Vermittlung einer afrikanischen Perspektive an die europäischen Zuschauer. Denn unsere Wahrnehmung ist oft genug durch die Filter der Nachrichtenagenturen verzerrt oder wird mit gutgemeintem Paternalismus angereichert.

Der afrikanische Film bietet mehr als akademische Betulichkeit.

Die vier vorgestellten Filme sind die Publikumslieblinge der letzten Fespaco-Ausgaben. Mit einer Spannbreite vom Politthriller bis zur Actionkomödie passen sie nicht ins Raster von betont sozialkritischen Streifen, wie sie der akademische Filmgänger hierzulande als «Dritte-Welt-Kino» schätzt. Sprache und Mimik sind oft plakativ, die Gewalt mitunter roh, doch siedeln die Storys nahe am realen Leben, sind frei von politisch korrekter Betulichkeit, verraten viel über Mentalität und Humor des Landes.

Satire à l’africaine

Etwa die grosse panafrikanische Produktion «En attendant le vote»: Missa Hébiés preisgekrönte Verfilmung eines Romans des Ivorers Ahmadou Kourouma entwirft das Psychogramm eines Diktators. Grandios gespielt vom Komiker Barou Oumar Ouédraogo, durchlebt der zum Spielball gewordene Tyrann 20 Jahre seiner Schreckensherrschaft, während er sich vor den Griots, den moralischen Instanzen, verantworten muss.

Hébié ist ein beklemmender und zugleich satirischer Politthriller gelungen, der mit dem internationalen Blockbuster über Idi Amins Vita «Der letzte König von Schottland» locker mithalten kann.

«Le foulard noir» von Boubacar ­Diallo dagegen zeigt die Militärunruhen, die Ouagadougou 2011 erlebte, aus ganz persönlicher Sicht und lädt ihre Auswirkungen mit den Einzelschicksalen einer Familie auf. Trotz seiner schockierenden Bilder von Vergewaltigung, Brandschatzen und Morden unterscheidet sich Diallos Film von den Action-Blockbustern unserer Breiten, zeigt Soldaten, die über ihre Taten zu diskutieren beginnen (die Darsteller waren teilweise an den realen Ereignissen beteiligt) und leistet so auch einen Beitrag zur Bewältigung der jüngsten Vergangenheit.

Betrügen – à l’africaine

Dass Diallo auch ein ganz anderes Genre beherrscht, zeigt er mit der Beziehungskomödie «Congé de mariage». Die Konstellation ist altbekannt: Erfolgreicher Unternehmer betrügt Ehefrau, die gibt ihn frei, vergnügt sich ebenso, der Untreue kehrt eifersüchtig zurück. Als unaufdringliches Kammerspiel à l’africaine bekommt das uralte Spiel von Betrügen, Ent- und Neuverlieben reizvolle Züge.

Der Plot von Michael Kamuangas «Faso Furie» dagegen lehnt sich unübersehbar ans Actionkino amerikanischer Prägung an, behält dabei aber durch und durch lokale Färbungen. Trashige Special Effects und ein paar James-Bond-Gadgets gehören zur Ausrüstung, schnieke Flintenweiber laufen den «Ballermännern» den Rang ab, absurde Verhöre und Verfolgungsjagden wechseln mit witzigen Dialogen ab. Und dabei mischt Kamuanga noch rasant Western, Martial Art und südindisches Kino zusammen.

Dass der ganze Aufruhr durch Diamanten mit tödlicher Wirkung ausgelöst wurde, wird bei all den Turbulenzen fast zur Nebensache. «Ich ziele auf eine starke Filmindustrie ab, die ich gerne ‹Fasowood› nennen möchte», sagte Kamuanga in einem Interview. Ein neuer Sunset Boulevard liegt mitten im Sahel.

Succès Cinema Burkina Faso, Atelier Basel.
Sa, 22. Juni, ab 15.30 Uhr; So, 23. Juni, ab 10.30 Uhr.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.06.13

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