Destroyer glänzen durch Feinsinn und eine schnörkellos opulente Wohlfühlkulisse. Man muss sie nur hören können – was beim Konzert auf dem Floss nur halbwegs gelang.
Warm klingen die fülligen Pianoakkorde, seifig die Linien des Fretless-Bass, meditativ entrückt die fahrigen Schnörkel von Saxophon und Trompete. In der Mitte steht der Sänger Dan Bejar, verborgen hinter schwarzen Locken, und nuschelt seine affirmativen Zeilen ins Mikrofon, minimalistisch-melodisch wie Lou Reed. Eine detailversessene, unterkühlt herausgeputzte Schönheit hört man da wie eine Wolke Zigarrenrauch vom Kulturfloss ans Ufer schweben. Und das von einer Band, die sich Destroyer nennt, die mit einer Platte auf Tour ist, die den Titel «Kaputt» trägt.
Wie diese kanadische Band, mittlerweile neun Alben alt, zu ihrem Namen kam, ist nicht überliefert, aber zum aktuellen Album ist von Bejar eine schöne Anekdote überliefert: Er habe ihn vom gleichnamigen Roman des Italieners Curzio Malaparte, einem düsteren Frontenbericht aus dem Zweiten Weltkrieg, übernommen. Verstanden habe Bejar das Wort nicht, aber es gefiel ihm.
Opulent und masslos
Gefallen, ohne zu verstehen – so hat man Destroyer zu begegnen. Bejar, die einzige Konstante in diesem Kollektiv der wechselnden Musiker, ist tief eingebettet in die kanadische Musikszene, er hat bei The New Pornographers zu aparten Popgitarren gesungen und bei Swan Lake am Indie-Rock gerüttelt, und zu seiner ersten Europatour hat er vor einigen Jahren die Noise-Punker Frog Eyes als Begleitung mitgenommen. Eine bizarre Kombination als Kontrastfolie zum elaborierten Romantizismus von Destroyer, aber Bejar hat auch denen seine Vorstellung einer hintergründig politischen Gegenwelt des Pop abgetrotzt.
So opulent, so masslos zu vollkommenem Wohlklang strebend diese auf acht Musiker aufgestockte Band Destroyer sich mit «Kaputt» entfaltet hat, so hat dieser Überfluss an Wohlklang dennoch seine Wurzeln: Im soignierten, keimfreien Soulpop der späten Siebziger und Achtziger Jahre, bei Prefab Sprout, Bryan Ferry, The Style Council. Dafür gibts den schön doppeldeutigen englischen Begriff des «Blue-Eyed Soul» – Soul, der von Weissen gespielt wird, aber auch eine Wohlfühlmusik, die sich, umgeben vom apokalyptischen Geist der Reagan-Breschnew-Jahre, mit süffisanter Ignoranz in die Sorglosigkeit eines hübsch versäuselten Pop flüchtete.
Flauschig und wolkig
Von diesem Trotz, als Destroyer möglichst glitschig und flauschig, ölig und wolkig zu klingen, ist Bejar im Herz ergriffen, denn unter der Fülle dieser derart feinsinnig verästelten Liftmusik finden sich auf «Kaputt» nur halbwegs verklausulierte Anklagen gegen Dekadenz und Geistlosigkeit. Dazu müsste man genau hinhören können, und hier wird die Musik zur Barriere. Was sich unter grossen Schalenkopfhörern prächtig entfalten mag, entflieht auf dem Weg vom Floss ans Rheinufer in den Himmel, und Destroyer machen sich keinen Gefallen damit, das kurze, einstündige Set mit weit ausgebreiteten, fragilen Instrumentalkulissen zu verkleistern. Ein mehrminütiges Trompetensolo, als Didgeridoo-Effekt verzerrt und abgelöst von eine alleinstehenden Querflötenthema umhüllt von einem Instrumentalgebrösel, bildet in der Konzertmitte den Höhepunkt der Abschweifung.
Danach kriegen Destroyer doch noch die Kurve, lassen die trockenen Rockbeats des Schlagzeugers galoppieren und rücken die griffigen, wurmförmigen Gitarrenlinien ins Zentrum. In Bombast und Feedbackorgien, sekundiert von hübschem Chorgesang, geht das Konzert zu Ende, und am Ende, als das letzte Stück schon runtergerockt ist, hängen Destroyer noch drei, vier Minuten an – ein Ausklang, in dem sie die verschiedenen Fäden des Konzertes nochmals zusammenknüpfen. Das eiernde Saxofon und die pompösen Klavierakkorde, die sägende Gitarre und ein Hintergrundleuchten einer dunkel kolorierten Geräuschmalerei. Ein konzentrierter Abschluss eines in alle Rinnen verwässernden Feinsinns.