Odilon Redon lässt Spinnen lächeln

Odilon Redon gilt als Vorreiter der Moderne. Die Fondation Beyeler widmet dem Hauptvertreter des französischen Symbolismus eine umfangreiche Ausstellung, die vor allem eines zeigt: Dieser Künstler liess nichts unversucht, sein Werk ist gezeichnet von Brüchen.

(Bild: Keystone)

Odilon Redon gilt als Vorreiter der Moderne. Die Fondation Beyeler widmet dem Hauptvertreter des französischen Symbolismus eine umfangreiche Ausstellung, die vor allem eines zeigt: Dieser Künstler liess nichts unversucht, sein Werk ist gezeichnet von Brüchen.

Man weiss irgendwie nicht so recht, wo beginnen bei Odilon Redon.

Bei den biografischen Eckdaten? Geboren 1840 in Bordeaux, gestorben 1916 in Paris.

Bei der Bedeutung? Vorbildfunktion!

Beim Stil? Symbolismus.

Bei den Motiven? Zuviele.

Diese Ratlosigkeit hat einen Grund, und sie ist nicht zwingend negativ zu werten. Denn eines kann man dem Franzosen sicher nicht vorwerfen: Dass er sich nicht entwickelt oder nicht Verschiedenstes ausprobiert habe. Im Gegenteil.

In der Ausstellung in der Fondation Beyeler stolpert man fast in jedem Raum in eine neue Phase. Darunter mag manche mehr gefallen und manche weniger – aber jedenfalls bleibt es spannend, und wenn man Glück hat, dann hat man am Ende des Rundgangs etwas gefunden, an dem man hängengeblieben ist.

Ein erstes solches Überraschungsmoment erlebt man, wenn man vom Foyer in den ersten Ausstellungsraum tritt. Im Foyer hängt ein fünfteiliges Werk von Odilon Redon, fünf Dekorationsgemälde für das Château de Domecy aus den Jahren 1900/1901. Es sind lichte Gemälde mit floralem Muster, in denen helle Beige- und Gelbtöne vorherrschen. In ihrer Zartheit haben sie etwas Japanisches an sich, und man kann sich gut vorstellen, dass man sich wohl fühlt von ihnen umgeben.

Hirngespinste und Farbexplosionen

Links hinein führt dann der Weg, und hinter einer Stellwand erwartet einen Dunkelheit. Sie kommt von den violett getünchten Wänden, aber auch von den frühen Werken Redons, die hier hängen. Imaginäre Wesen, gezeichnet mit schwarzem Kohlestift auf braunem Papier; eine lächelnde Spinne, ein abgehackter Kopf in einer Schale, ein schwebendes Auge, ein Ertrunkener, ein eingesperrter Zwangsarbeiter. Düstere Hirngespinste und Realitäten, entstanden in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Zuletzt ein Selbstporträt des Künstlers.

Sie sind meisterhaft, diese Zeichnungen und Lithografien. Jeder Strich sitzt, alles stimmt. Und so gerät es fast schon zur Enttäuschung, als nach zwei Räumen die Farbe anfängt, in die Werke Redons zu dringen. Denn diese ersten Werke, in denen der Maler erstmals versucht, seinen Bildern Farbigkeit zu verleihen, scheinen sich noch nicht entscheiden zu können, ob sie nun bunt sein wollen oder nicht. Pastellkreide blieb bis ins späte Werk ein Lieblingswerkzeug Redons – auch hier schon. Sie mischt sich aber noch mit der schwarzen Kohle, dem Überbleibsel der frühen Zeichnungen.

Redon war später bekannt als «Meister der Farbexplosionen», wurde als dieser zum Vorbild für andere Maler, darunter so illustre Namen wie Henri Matisse oder Pierre Bonnard. Dieses Attribut bezieht sich aber auf Werke, die nach 1900 entstanden. Zuerst ist da das Blau zu nennen, ein tiefes, leuchtendes Blau, das uns an Chagall denken lässt oder sogar an Yves Klein.

Bei Redon gilt: Originale vor!

Ein Motiv, das Redon faszinierte, waren Kirchenfenster. Das farbige Licht, das durch die kleinteiligen Scheiben ins dunkle Innere des Kirchenschiffes fällt. Dieses aufzufangen versuchte er mehr als einmal. Und diese durchdringende Eigenschaft von Licht ist es, die er auch in seinen anderen Gemälden suchte. Welches Motiv er dafür verwendete, scheint zweitrangig. Ob es sakrale Themen waren oder eine Serie von Bildern, die Schiffe zeigen, Porträts, mythologische Gestalten oder die vielen Blumenstillleben, immer geht es um Farbe und um Licht.

Wenn es sich bei einem Maler lohnt, sich die Originale anzusehen, dann bei Redon. Denn keine Reproduktion reicht hier an diese heran – das beweist leider auch der Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist. Redon spielt mit dem Farbauftrag. Dünne Grundierungen, die Pastellkreide, die auf der Leinwand niemals flächendeckend aufgetragen werden kann, dazwischen Ölfarbe, plötzlich pastos wie ein Hügel in der Ebene aufragend. Dies macht die Arbeiten des Franzosen ebenso sehr aus wie der Wechsel zwischen feiner Zeichnung und breitflächigem Auftragen von Farbe.

Redons Gemälde bilden kaum je eins zu eins Realität ab. Es sind meist Fetzen von Realität, in eine Traumwolke gepackt. Sogar die Blumenvasen schweben im leeren Raum, haben keine Bodenhaftung. Es sind Fantasien, Traumwelten, der perfekte Ort, um auszuprobieren. Redon mag viele Maler nach ihm beeinflusst haben – viele haben aber auch ihn inspiriert, wie er selber zugab. Es war ein Geben und ein Nehmen am Anfang dieser Moderne.

Wer den Rundgang durch die Fondation Beyeler beendet hat, ist hoffentlich an Redons Unterwasservisionen hängengeblieben. Hat dem so skeptisch blickenden Schicksalsengel in die Augen geblickt. Ist in der undefinierbaren grau-braunen Welt von «Oannès» versunken.

Das Blütenzählen sollte man hingegen vergessen, man käme an kein Ende. Und wenn man da wäre, am Ende der Ausstellung, dann stünde man wieder da, wo man am Anfang stand: Vor den fünf grossen Wandpaneelen im Foyer. Spätestens bei diesen blütenreichen Leinwänden fände das Zählen ein Ende.

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«Odilon Redon», Fondation Beyeler. 2. Februar bis 18. Mai 2014.

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