Was passiert nach dem Happy End? – «Leonce und Lena» am Theater Basel

Sein Versprechen von 80 Prozent Werktreue konnte Regisseur Thom Luz nicht ganz einlösen. Seine collagenhafte Inszenierung von Büchners «Leonce und Lena» bereitet dennoch oder gerade deswegen grosses Vergnügen.

Aller Einstieg ist schwer: Büchners «Leonce und Lena» am Theater Basel. (Bild: Sandra Then)

Mit «Woyzeck» begann die Saison im Basler Schauspielhaus, mit «Leonce und Lena» ging es nun weiter. Zweimal Büchner, die sich aber unterschiedlicher kaum präsentieren könnten. Kam Ulrich Rasches «Woyzeck»-Inszenierung als niederschmetterndes Heavy-Metal-Spektakel daher, lässt Thom Luz «Leonce und Lena» in skurrilen Traumsequenzen über die Bühne schweben.

Der Basler Hausregisseur Luz hat sich als Meister der diffus-musikalischen Zwischenwelten einen Namen gemacht. Bislang vor allem mit selber gebauten Projekten. Nun machte er sich mit «Leonce und Lena» erstmals an ein richtiges, das heisst literarisches Lustspiel, das mit seinen abgedrehten Figuren, der sprunghaften Handlung und dem hintergründig absurden Sprachwitz aber sehr gut in  Luz‘ Kosmos passt.

Und natürlich erst einmal durch den Schüttelbecher muss. So fängt das Ganze gleich beim Ende an. «Gehen Sie nach Hause, (…) morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemütlichkeit den Spass noch einmal von vorn an», verkündet der befrackte Pianist, bevor sich der Vorhang senkt. Dann aber wieder hebt.

Alles noch einmal von vorn

Mit diesem finalen Ausspruch liess Büchner den wohlstandsverwahrlosten Liebhaber Leonce verkünden, dass die als Liebeskomödie getarnte Satire kein Happy End haben kann, weil sich das Rad der verlogenen Eigensinnigkeit immer weiter drehen wird.

Luz nimmt dieses «noch einmal von vorn» nun wörtlich. Am Fenster taucht die in Galakleidung verpackte Hochzeitsgesellschaft wieder auf – bis auf die Haut durchnässt und ganz und gar nicht in feierlicher Stimmung. Schlafwandlerisch und verkatert lassen sich die Figuren durch die Erinnerungen an die vergangenen Erlebnisse treiben: An die Geschichte des Prinzen und der Prinzessin, die miteinander verheiratet werden sollen, deswegen die Flucht ergreifen mit der Folge, dass sie unerkannterweise aufeinandertreffen und sich verlieben.

Diese Erlebnisse tauchen in collageartig zusammengesetzten Sprachfetzen wieder auf. Auf Trab gehalten werden die skurrilen Figuren durch das Pianistenpaar Annalisa Derossi und Daniele Pintaudi, das sich unter anderem auf zwei Klavierhälften auf hinreissende Weise von Bach bis Alban Berg durchspielt.  

80 Prozent Werktreue hatte Regisseur Luz bei der Medienpräsentation des Spielplans im Frühling versprochen. Ganz einlösen kann er dieses Versprechen erwartungsgemäss nicht. Das tut dem ebenso vergnüglichen wie hintersinnigen Theatererlebnis aber keinen Abbruch. Zumal mit Carina Braunschmitz, Elias Eilinghoff Martin Hug und Lisa Stiegler und den beiden Musikern ein wunderbares Ensemble auf der Bühne zu erleben ist, dem man gerne erlaubt hätte, den Spass noch einmal von vorn beginnen zu lassen.

«Leonce und Lena» von Georg Büchner. Theater Basel, Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen bis Ende Dezember.

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