Pete Doherty gilt als Rock’n’Roll-Junkie für die Boulevardpresse, dabei ist er vor allem ein begnadeter Sänger und Songschreiber. Man sollte ihn mit seiner Band Babyshambles ansehen – wenn er denn kommt.
Wo Pete Doherty auftaucht, sind Schlagzeilen nicht weit – und das nicht in erster Linie in der Musikpresse. In diesem Jahr wohnt der britische Musiker vorwiegend in Hamburg, arbeitet dort in einem Tonstudio an neuem Material, soll regelmässig alleine in einem kleinen Club auftreten.
Und weil Doherty seit längerem an einer Drogenabhängigkeit krankt, die besonders in früheren Jahren zu Konzertabsagen, Gerichtsprozessen und deliriösen öffentlichen Auftritten führten, fahren die Boulevardmedien auf, sobald Doherty in der Gegend ist: Aus Hamburg berichteten nacheinander die «Bild», die «Gala», die «Morgenpost». Um Dohertys neue Songs gings da eher am Rande, wie die Überschriften verdeutlichten: Doherty, der Berüchtigte. Doherty, der Skandalrocker. Und: der Ex von Kate Moss.
Begnadeter Musiker
Er und das britische Supermodel waren einst Verlobte, sieben Jahre ist das her, und vom Glamour des Heroin Chic, den das Paar einst umhüllte, sind an Doherty nur faule Reste übrig geblieben. Während Moss‘ Drogenexperimente ihrer Karriere nie im Weg standen, kämpft Doherty seit Jahren mit seiner Sucht, ihren Auswirkungen auf seine Gesundheit, seine Kreativität und sein Budget: Therapieprogramme, Medikamente, Gerichtsprozesse.
Die Gagen, die seine Ex-Verlobte erreicht, lagen für ihn stets in weiter Ferne. So unmittelbar der Widerhall seiner Sucht in seiner Musik regelmässig aufzublitzen scheint, in den taumelnden wie zerbrechenden Gitarrenläufen seiner Erstband The Libertines, in der zelebrierten Abgehalftertheit der nachfolgenden Babyshambles, und vor allem in seinem Soloalbum, in dem er sich als verlorener Rock’n’Roll-Romantiker mit Augenringen und fahler Haut offenbarte, so überlagerte die Tabloidfigur den begnadeten Musiker Doherty.
Nach dem schnellen Ende der Libertines vor zehn Jahren, die bereits an Dohertys Sucht auseinander brachen, bevor sie die fette Ernte des frühen Erfolgs einfahren konnten, akzentuierten sich mit den Babyshambles die extremen Kurven in Dohertys Karriere – achtbare Chartserfolge, euphorische Presse und ausverkaufte Tourneen – sofern er in der Lage dazu war. Häufiger jedoch abgebrochene Entzugskuren und abgesagte Konzerte.
So blieb es auch um die Babyshambles nach zwei Platten jahrelang ruhig, bis sie Ende 2013 überraschend noch einmal nachzulegen vermochten. «Sequel To The Prequel» war mehr als ein Lebenszeichen eines Frühversackten, sondern spannte noch einmal kräftig den Bogen um das musikalische Talent Dohertys.
In «Sequel To The Prequel» hallte noch einmal die Vielstimmigkeit des Britrock der Achtziger und Neunziger nach, zu dessen Fortsatz der mittlerweile 35-jährige Doherty gehört: die Nonchalance von The Smiths, die Schnoddrigkeit von Oasis, die barocke Üppigkeit strahlender Melodien inmitten tosendem Punk.
Dohertys Stimme, die stets so klingt, als käme sie nur knirschend in die Gelenke, fasziniert mit ihren charakterstarken Nebentönen, dem Ächzen und Keuchen, dem Wimmern und Jubeln. Hört man ihm zu, meint man ihn sein Chaotisches beklagen zu hören, das ihm doch noch genug Bühne für seinen Verzehrungspathos bietet.
Doherty, so scheint es, stammt aus einer anderen Zeit des Rock’n’Roll. Als Einzelfiguren noch Epigonen hervorbrachten, als die Dreifaltigkeit aus Sex, Drugs und Rock’n’Roll noch auratische Mythen schuf. Sänger, die grösser waren als die Summe ihrer Lieder. Und deren früher Tod, auch das gehört zur Hagiographie, erst Platz für die Legende schuf.
Man sollte sich den Musiker Doherty ansehen, solange es ihn noch gibt.
Auch Doherty hat Epigonen in der britischen Musikszene geschaffen. Aber Dohertys Passion – darin ist er dem Schicksal von Amy Winehouse, ebenfalls eine Ex-Freundin, näher als den ikonischen Vorvätern Jim Morrison und Jimi Hendrix – führte nicht in die Entrückung, sondern profanisierte ihn als verlorenes Drogenwrack. Festgehalten auf unzähligen Handykameras, hochgeladen auf Blogs, It-Pages, Social Network Accounts.
Vor zwei Jahren hatte Doherty die Schauspielerei entdeckt. Im französischen Kostümfilm «Confession d’un enfant du siècle» spielte er an der Seite von Charlotte Gainsbourg einen selbstvergessenen Jungadligen namens Octave, der rauschende Feste und kurze Liebschaften feiert und durch eine dekadent übersättigte Welt tappt, auf der Suche nach dem melancholischen Rausch einer unmöglichen Liebe.
Doherty spielt Doherty, schien der Film wenig subtil andeuten zu wollen. Doch während im Film der Rausch in die Erfüllung mündet, bleibt im echten Leben eine jahrelange Suchterkrankung zurück, die seinen Arbeitsprozess spürbar verletzt. Noch ist seine Kreativität davon ungetrübt, wie «Sequel To The Prequel» bestätigte. Man sollte sich den Musiker Doherty ansehen, solange es ihn noch gibt.
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Die Babyshambles spielen am Freitag, 25. Juli um 20 Uhr auf dem Marktplatz Lörrach. Im Vorprogramm tritt die Basler Band Kapoolas auf.