Das Junge Theater Basel nimmt sein Publikum an die Leine. Und zwar an diejenige des Hundes, der die Hauptfigur aus David Grossmans gefeiertem Romans «Wohin du mich führst» an die Abgründe einer erbarmungslosen Grossstadtwelt führt.
Zu fünft stehen sie da, die Hände ausgestreckt, festgeklammert an einer imaginären Hundeleine und auf die Dauer unfähig, dem Zug des Hundes zu widerstehen. Dann unvermittelt ein Rollenwechsel: Die eine wird zum Hund, eine andere zur Nonne, wiederum einer zum Pizzabäcker, zum Drogendealer, bis alle sich wieder chorisch zu der einen Hauptfigur vereinen, die Assaf heisst. Oder zur anderen mit dem Namen Tamar.
Die Figuren auf der Bühne des Jungen Theater Basel stammen aus dem gefeierten Jugendroman «Wohin du mich führst» des israelischen Autors David Grossman. Es ist eine Mischung aus packendem Thriller um Jugendgangs und Drogenhandel, einem modernen Realo-Märchen und einer Liebesgeschichte. Und vor allem ein komplexes Geflecht von vielen Handlungssträngen mit vielen Zwischenstationen und Nebenfiguren, das einen rasanten Sog entwickelt und die Leser entsprechend vorwärts peitscht.
Zusammengehalten wird dieses Handlungsgeflecht durch die Geschichte des 16-jährigen Jungen Assaf. Durch seinen Ferienjob in einem Tierheim stösst er auf einen verwaisten Hund, den er zu seiner vorerst unbekannten Besitzerin führen muss. Der Hund, der sich als Hündin herausstellt, weist ihm den Weg, der durch einen atemlosen Strudel von Ereignissen ins Drogenmilieu, in die Welt von brutalen Jugendgangs und schliesslich zur geheimnisvollen jungen Frau Tamar führt, die sich zu seiner Sehnsuchtsfigur entwickelt.
Rasantes Rollen-Hopping
Regisseurin Suna Gürler versucht schon gar nicht, das komplexe Geflecht zu einem vereinfachenden Strang zu verweben. Sie peitscht das fünfköpfige Ensemble des Jungen Theater Basel nicht nur durch das Labyrinth der Handlungsstränge, sie dekonstruiert auch das Figurengefüge: Die Darstellerinnen und Darsteller wechseln andauernd die Rollen, verschmelzen in einem chorischen Akt zu einer Figur, um sich dann sogleich wieder in fünf verschiedene Typen aufzusplitten. Und so weiter. Und das in einem rasanten, atemlosen Tempo
Das klingt ausgesprochen komplex und ist es auch. Aber die fünf jungen Darstellerinnen und Darsteller (Paula Müller, León Cremonini, Alina Immoos, Milla Grobéty und Fabio Savoldelli) gehen mit so viel Präzision an dieses komplexe Konstrukt heran, dass es zumindest zu weiten Teilen erstaunlich gut nachvollziehbar bleibt.
Die rasante Handlung der Geschichte hat zwar den Nachteil, dass auf der Bühne vieles auf einer Erzählebene abgehandelt werden muss. Regisseurin Gürler schmeisst das faszinierend kraftvoll aufspielende Ensemble aber so temperamentvoll in die Geschichte hinein, dass diese einen Sog entwickeln kann, der einen anderthalb Stunden keinen Moment mehr loslässt.
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Junges Theater Basel: «Wohin du mich führst» nach dem gleichnamigen Roman von David Grossman. Weitere Vorstellungen vom 28. bis 30. September sowie in den Monaten Oktober, November und Dezember.