Reden wir übers Geld – anhand eines konkreten Film-Beispiels

18 Monate Planung für 35 Drehtage. 629’000 Franken für die Realisierung. Der Basler Regisseur Vadim Jendreyko gibt Einblick in Budget und Finanzierung des Films «Die Frau mit den 5 Elefanten». Und verdeutlicht, dass ein wirtschaftlicher Erfolg relativ ist.

«Die Frau mit den 5 Elefanten». So präzis, wie Swetlana Geier Dostojewski übersetzt (Bild), so präzis haben die Filmemacher dahinter auch budgetieren und abrechnen müssen.

18 Monate Planung für 35 Drehtage. 629’000 Franken für die Realisierung. Der Basler Regisseur Vadim Jendreyko gibt Einblick in Budget und Finanzierung des Films «Die Frau mit den 5 Elefanten». Und verdeutlicht, dass ein wirtschaftlicher Erfolg relativ ist.

Ein Schweizer Spielfilm kostet im Schnitt 2,2 Mio. Franken, ein Dokumentarfilm über eine halbe Million. Dagegen wirken die Herstellungskosten eines Popalbums, zwischen 15’000 und 25’000 Franken, geradezu bescheiden. Warum also sind Filme so teuer? Und wohin fliesst das Geld?

Vadim Jendreyko gibt bereitwillig Einblick. Er gehört zu jenen Filmemachern, die Basel zu einer Stadt des Dokumentarfilms gemacht haben. 1985, da war er gerade mal 20, realisierte er seinen ersten Film völlig unabhängig. 2002 gründete er gemeinsam mit Hercli Bundi die Produktionsfirma Mira Film. 2009 feierten sie ihren bislang grössten Erfolg: Der Dokumentarfilm «Die Frau mit den 5 Elefanten» verbuchte weltweit fast 100’000 Kinoeintritte und erreichte über 1 Million Fernsehzuschauer.

Ein erfolgreicher Schweizer Film. Und eine Ausnahme, wie Vadim Jendreyko betont: «Oft wird bei künstlerisch erfolgreichen Filmen kein Gewinn erzielt. Das hat stark mit den territorialen Verhältnissen der Schweiz zu tun: ein kleines Land, das in verschiedene Sprachregionen unterteilt ist. In Deutschland oder Frankreich steht bei gleichem produktionellem Aufwand ein vielfach grösserer Markt zur Verfügung, was ein immenser Vorteil ist.»

«Die Frau mit den 5 Elefanten»
Kino-Dokumentarfilm
Koproduktion CH-D 
Drehorte: CH, D, Ukraine
Zeitraum von Idee bis Premiere: Sommer 2005 – April 2009
Planung und Finanzierung:
18 Monate
Drehtage: 35, verteilt auf 2 Jahre
Schnitt/Postproduktion: 8 Monate
Länge: 93 Min., für Kino und TV

Im Sommer 2005 hatte Jendreyko die Idee zu dem Film mit der Übersetzerin Swetlana Geier. Bis zur Premiere sollten vier Jahre verstreichen. «Das ist normal», sagt er. «An einem Dokumentarfilm arbeitet man meist über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Ehe wir in diesem Fall mit den Dreharbeiten loslegen konnten, vergingen eineinhalb Jahre, in denen Hercli Bundi und ich mit der Planung und Finanzierung beschäftigt waren.»

Das Budget eines Schweizer Dokumentarfilms

Seitenlange Dossiers für die Recherche, für Gesuche wurden erstellt, ebenso ein Drehbuch. Zudem die Kosten eingeschätzt: Am Ende zeigte sich, dass für die Filmproduktion von «Die Frau mit den 5 Elefanten» 629’000 Franken ausgegeben wurden. Der Grossteil floss in die Löhne. Allerdings offenbart ein genauerer Blick aufs Budget (siehe Artikelrückseite), dass diese nicht allzu grosszügig ausgefallen waren: Gerade mal 50’000 Franken wurde für die Regiearbeit ausgegeben. Für rund zweieinhalb Jahre Arbeit in einem Zeitraum von vier Jahren. Die beteiligten Produzenten, Mira Film (übernahm zwei Drittel des Risikos) und Filmtank Stuttgart (beteiligte sich mit einem Drittel), wurden mit insgesamt 29’000 Franken entlöhnt. 

Ein Profi-Cutter gehört zu den bestbezahlten Leuten im Filmgeschäft

An den 35 effektiven Drehtagen floss mehr Geld: total 77’000 Franken wurden an den Kameramann, den Tonmeister, die Fahrer und Aufnahmeleiter bezahlt. «Es ist in der Schweiz so, dass der Lohn eines Kameramanns viel klarer definiert ist als jener eines Regisseurs», sagt Jendreyko. Die Spezialisten, vom Tonmeister bis zur Maskenbildnerin, sind im Syndicat Suisse Film et Video organisiert. Ein Profi-Cutter etwa verdient je nach Berufserfahrung 2200 Franken oder mehr pro Woche. Sicher ist: Für die Entlöhnung der befristeten Aufträge existieren Richtwerte, an die sich die Branche zu halten versucht. Dabei ist es bei Filmprojekten üblich, dass die Filmemacher, also Regie und Produktion, am ehesten Abstriche machen, wenn es um die eigenen Löhne geht, um das Projekt überhaupt zu ermöglichen.

Noch weitaus schwerer ins Gewicht fielen die Kosten für die technische Verarbeitung, für die Reisespesen (der Film wurde in der Schweiz, Deutschland und der Ukraine gedreht) und für die Rechte.

Verträge, Verträge, Verträge

«An die ganzen Rechtsfragen denken die Leute oft nicht, wenn sie die Zahlen von Filmbudgets hören», erläutert Jendreyko. «Ehe man überhaupt weiss, ob die gesamte Finanzierung steht, müssen gerade bei internationalen Koproduktionen oft Anwälte hinzugezogen werden, Spezialisten, die Verträge prüfen. Im Moment arbeiten wir zum Beispiel an einer kanadisch-schweizerischen Produktion. Das stellt uns vor besondere Herausforderungen, weil die Verträge jeweils für die Partner übersetzt werden müssen – und weil wir die jeweiligen Vertragsbedingungen miteinander abgleichen müssen.»

Jendreyko schlägt einen Bundesordner auf und blättert durch zahlreiche Stapel Papier. Verträge. Verträge. Verträge. Ich frage ihn, ob er sich dieses Administrationsaufwands bewusst war, als er sich für den Beruf des Filmemachers entschied. Er lacht und blättert weiter.

Die Finanzierung: Viele Geldgeber – und Rückstellungen bei Löhnen

Administration, Verträge, Geldsuche: Wir kommen zur eigentlichen Finanzierung von «Die Frau mit den 5 Elefanten». 13 Positionen nimmt diese ein. Der Bund hat 90’000 Franken gesprochen (was gemäss Jendreyko verhältnismässig wenig ist und dem wenig spektakulär klingenden Thema des Filmes geschuldet sei), das Schweizer Fernsehen 50’000 Franken. Die beiden Basler Halbkantone gaben 15’000 an die Projektentwicklung – und später 50’000 Franken an die Herstellung. Es sind viele einzelne Beiträge, die die Finanzierung ermöglichten. Je mehr Institutionen beteiligt sind, desto mehr müssen die Gesuche den jeweiligen Richtlinien angepasst werden. Was wiederum mehr Arbeit bedeutet, um am Ende die Finanzierung sicherzustellen.

Was die pure Statistik nicht zeigt: Manche potenziellen Geldgeber lehnten das Projekt ab oder stimmten erst bei einem zweiten Anlauf und einem überarbeiteten Dossier zu. Andere erwarteten Gegenleistungen. Ein Filmprojekt kann durch solche Details ungeahnte Wendungen nehmen. Ein Risiko, dem die Produzenten ebenfalls oft begegnen: Dass das Geld nur für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung steht und der Anspruch verfallen könnte. Das bringt sie oft in verzwickte Situationen, wenn zum Beispiel noch ein, zwei Puzzleteile in der Finanzierung fehlen, damit das Projekt starten kann. Gerade bei internationalen Koproduktionen mit langen Finanzierungszeiten ist das häufig der Fall.

«Aus diesen Gründen arbeiten wir eigentlich immer mit Rückstellungen bei den Löhnen», offenbart Jendreyko. Auch bei der «Frau mit den 5 Elefanten» fehlten vor Drehstart auf Schweizer Seite noch 57’000 Franken. «Wir wollten den Film unbedingt machen – und mussten loslegen. Also stellten wir einen Grossteil der Löhne für Produktion und Regie zurück – mit dem Risiko, die Lücken nicht schliessen zu können, sollte der Film wirtschaftlich zu wenig einspielen.»

Viel Aufwand, um den Film ins Kino zu bringen

Es kam anders: «Die Frau mit den 5 Elefanten» lockte in der Schweiz 30’000 Besucher in die Kinos, wie die Auswertung zeigt. Nach Abzug der Anteile der Kinobetreiber, des Verleihs, der Vorkosten für den Verleih und des Anteils des Koproduzenten floss aus den Kinoeintritten ein Erlös von rund 35’000 Franken zu den Schweizer Produzenten zurück. Sie wurden für ihr Risiko also belohnt. 

Erstaunlich an unserem Beispiel ist, dass die Kino-Eintritte in anderen Ländern wie Deutschland (25’000), Frankreich (15’000), Österreich (10’000) oder Japan, Kanada, USA (total 15’000) den Machern nur wenig finanziellen Mehrwert gebracht haben. Warum? «Das liegt daran, dass viel Aufwand nötig ist, um einen Film ins Kino zu bringen. Es ist ja ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit, bei dem wir in direkter Konkurrenz mit Filmen stehen, deren Werbebudgets unser gesamtes Produktionsbudget übertreffen. Und die Ausgaben dieses Aufwandes werden bei 10’000, 15’000 Eintritten gerade mal eben gedeckt.» Trotzdem sei die Kinoauswertung wichtig, weil der Film dadurch eine ganz andere Öffentlichkeit erfahre als bei einer reinen Fernsehauswertung.

Fernsehsender verfügen über langfristige Sendelizenzen

Dass «Die Frau mit den 5 Elefanten» etliche Male am Fernsehen gezeigt und wiederholt wurde, hat zwar dem Musikkomponisten Tantiemen für seine Arbeit eingebracht, die Produktionsfirma aber hat davon nicht zusätzlich profitiert. «Die ausstrahlenden Sender haben den Film mitproduziert und verfügen dadurch über langfristige Sendelizenzen», klärt Jendreyko auf. «Deshalb generieren diese Ausstrahlungen keine Erlöse für die Schweizer Produzenten.» 

Ebenso verhält es sich mit Einladungen an Festivals: Das eindrückliche Porträt der Dostojewski-Übersetzerin wurde zwar an mehr als 50 Filmfestivals gezeigt. Doch dienen diese Auftritte der Promotion und Verbreitung des Films, ein nennenswerter Erlös wird so nicht erzeugt.

Der Kantönligeist in der Filmförderung

Wohl aber fliessen bei einem Erfolg Gelder zurück: Succès Cinéma heisst das Programm des Bundes, das Schweizer Kinoerfolge belohnt, und zwar mit Geld, das dann für die nächste Produktion eingesetzt werden kann. Ein ähnliches System gibt es bei kantonalen Förderern wie zum Beispiel in Zürich. Dorthin verlegte Mira Film 2008 den Sitz, um als Produktionsfirma langfristig überleben zu können. Weil dort das 18-Fache an Fördergeldern vorhanden ist. Zürich verlangt im Gegenzug per Verordnung, dass diese Gelder im Sinne der Wirtschaftsförderung zu 150 Prozent wiederum im Kanton Zürich ausgegeben werden müssen.

«Diesen Kantönligeist in der Schweizer Filmförderung mag man bedauern, auch mir wäre eine sprachregionale Förderpolitik lieber», sagt Jendreyko. «Aber solange das so ist, sind wir als Filmproduzenten im Interesse eines kontinuierlichen Schaffens gezwungen, die Rahmenbedingungen zu vergleichen. Und die sind in Zürich und anderen Kantonen bisher einfach realistischer als in Basel – mit Betonung auf bisher.»

Nächster Artikel