Respect, Power, Banana!

Was vor fünf Jahren noch keiner dachte, ist wahr geworden: Dass gelbe, eiförmige Männchen grosse Stars werden können. Die Minions erobern die Kinoleinwände – und werden so zu einem Lehrstück für ein beliebtes Mittel der Marketingindustrie, dem Spin-off.

Juhuu, wir haben's geschafft, wir sind Stars! Minion Bob freut sich.

Was vor fünf Jahren noch keiner dachte, ist wahr geworden: Dass gelbe, eiförmige Männchen grosse Stars werden können. Die Minions erobern die Kinoleinwände – und werden so zu einem Lehrstück für ein beliebtes Mittel der Marketingindustrie, dem Spin-off.

Sie sind klein, lieben Bananen, wollen böse sein und sehen aus wie gelbe Tictacs: Minions. Ihren ersten Auftritt hatten sie im Jahr 2010, an der Seite von Oberbösewicht Gru im Film «Despicable Me», zu deutsch «Ich, einfach unverbesserlich». Und wie dieser Gru, der so gerne so furchtbar böse wäre, es aber einfach nicht wirklich schafft, so sind auch die Minions eher knuddelig als schreckeinflössend. Sie eroberten deshalb die Herzen des Publikums im Sturm – zum Beispiel mit dieser Supermarkt-Szene:

Der allererste Trailer zu «Despicable Me» kam noch ganz ohne Minions aus. Es kannte sie ja auch noch keiner. Als drei Jahre später «Despicable Me 2» in die Kinos kam, da hatten die Universal Filmstudios die gelben Figürchen bereits intensiv für die Werbung genutzt und versprochen, die Minions hätten nun eine weitaus grössere Rolle als im ersten Film. Das Potenzial war erkannt.

Der nächste Schritt waren Kurzfilmchen, die Youtube fluteten oder als Teaser im Kino liefen. Die Minions sangen Weihnachtslieder, spielten sich gegenseitig Streiche – sie waren plötzlich omnipräsent. Selbst wer «Despicable Me» nie gesehen hatte, kannte nun die kleinen Kerlchen.

Was lag da näher, als die einstigen Nebenfiguren zu Hauptfiguren zu machen? Nichts. Und deshalb läuft nun der Film «Minions» in den Kinos an – angerührt mit einer der grössten Werbekellen, die die Filmgeschichte je gesehen hat.

Spin-off heisst das im Fachjargon – Ableger für jene, die es lieber auf Deutsch haben. Doch weil der Spin-off wohl als amerikanische Erfindung gelten darf (zumindest wurde er dort sicherlich perfektioniert), hat sich die englische Variante auch im hiesigen Sprachgebrauch durchgesetzt.

Spin-offs sind ein medienübergreifendes Phänomen

Ein Spin-off rückt einen Nebenaspekt eines Werkes in den Vordergrund, das kann eine Figur sein, aber genauso gut ein Moment. Und Spin-offs gibt es beileibe nicht nur im Film. Auch in der Literatur gibt es Beispiele, in denen Nebenfiguren ihre eigenen Geschichten niedergeschrieben erhalten. «Wide Sargasso Sea» von Jean Rhys beispielsweise, das die Geschichte der ersten Ehefrau von Jane Eyres Mr. Rochester erzählt. Oder Tom Stoppards «Rosencrantz und Güldenstern sind tot», das zwei Nebencharaktere aus Shakespeares «Hamlet» in den Fokus rückt. Selbst Mark Twains «Huckleberry Finn» ist ein Spin-off – von «Tom Sawyer».

So richtig unübersichtlich aber wird es im TV-Bereich, und das schon seit Jahrzehnten – denn das Phänomen ist nicht neu. Die Muppets hatten zuerst einen kleinen Sendeplatz in der Sesamstrasse, Bugs Bunny entstammt den Looney Tunes. Heute umfasst die Liste unzählige Figuren, vor allem im Animations- und Comicbereich: Die Pinguine von Madagascar? Erstmals rissen die ihre frechen Schnäbel in «Madagascar» auf. Shaun, das Schaf? Der Liebling aus dem dritten «Wallace & Gromit»-Film. Beide können inzwischen sowohl Kinofilme wie TV-Serien in ihren Lebensläufen verzeichnen. Die Chipmunks, Ewoks, Schlümpfe – sie alle waren einmal Nebenfiguren.




Ein Blick in die Minions-Abteilung der Manor in Basel. (Bild: Karen N. Gerig)

Natürlich lohnt sich das Spin-off-Rezept nur, wenn bereits das Original erfolgreich war. Und es durch den Ableger, der auf umgekehrtem Weg auch als Einstiegsdroge wirken kann, dann gar noch berühmter wird. Eines der neueren Exempel hier ist «Better Call Saul», das die Geschichte eines Anwaltes aus dem Serienhit «Breaking Bad» erzählt.

Dass Spin-offs aber nicht immer an den Erfolg des Originals anknüpfen können, weil sich das Original manchmal einfach nicht toppen lässt, zeigt das Beispiel von «Joey». Damit wollte man eine der weltweit erfolgreichsten TV-Serien überhaupt weiterführen: «Friends». Doch die Nachfolgeserie um einen der sechs Freunde, Joey Tribbiani, floppte.

Beste Vermarktungsmöglichkeiten

Das dürfte den Minions nicht passieren. Schon vor dem Filmrelease ist ihre Fangemeinde riesig und die Vermarktungsmaschine längst angelaufen. Denn hier liegt natürlich der im Grunde total schnöde Grund für Spin-Offs überhaupt: Es geht darum, Marktanteile zu gewinnen. Anders gesagt, es geht um Geld. Und die Minions lassen sich perfekt verkaufen: Plüschfiguren, Rucksäcke, Bettwäsche, Schirme – es gibt fast nichts mehr, was es nicht in Gelb mit Jeans-Latzhosen und Glubschaugen gibt.

Die Idee hinter den Spin-offs war und ist es, Figuren, die das Publikum zu schätzen mag, diesem näherzubringen. In Bezug auf die Minions heisst das: Dem Publikum erklären, woher die Minions kommen und wie sie zu Meisterdieb Gru fanden. Denn seine Cousins, wie sich Gru in «Despicable Me» rauszureden versucht, sind sie nicht. Nein, die Minions gab es schon, bevor es Menschen gab.

Die Idee hinter den Spin-Offs ist es, Figuren, die das Publikum zu schätzen mag, diesem näher zu bringen.

Doch im Gegensatz zum Menschen scheinen sie sich nicht vermehren zu können – dafür sterben sie offensichtlich auch nicht, denn Kevin, Stuart und Bob, die sich im Film auf die Suche nach einem Meister begeben, waren schon in Urzeiten dabei. Sie haben miterlebt, wie sich die Minions den unterschiedlichsten Bösewichten der Geschichte anschlossen, vom Dinosaurier über Dracula bis Napoleon.

All das erfährt man bereits im Trailer zum Film, und ehrlicherweise muss man sagen, dass darin schon fast zu viel verraten wird und die besten Witze bereits verbraten. Trotzdem ist es ein vergnüglicher Gang ins Kino, zumindest für all jene, die den kleinen, gelben Figürchen was abgewinnen können. Da ist es auch egal, dass man ihre Banana-Sprache eher erahnt als versteht. Was auch Bob erfahren muss, der als Kurzzeit-König eine flammende Rede vor einer grossen Menschenmenge hält – und alle ihn am Ende nur verständnislos anstarren.

Aber was so knuffig aussieht wie Bob, hat Fans. Viele Fans. Und wahrscheinlich profitieren die Minions vom Donald-Duck-Bonus: Sie sind unglaublich tollpatschig, und was in ihrem Umfeld schiefgehen kann, geht schief. Lacher sind da garantiert. Zudem dürfen sie, was wir alle nicht mehr dürfen: Furzen, sich prügeln – und laut und manchmal sehr falsch singen:

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«Minions» läuft ab dem 2. Juli in den Basler Kinos.

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