Revolverheldin mit Lasso und Raketenantrieb

Ariane Koch gehört zu den «jungen Wilden» der Nordwestschweizer Kulturszene. Ob Kunst, Literatur oder Theater: Der 25-jährigen Baslerin scheint alles spielend von der Hand zu gehen. An den Treibstoff-Theatertagen präsentiert sie mit «Mein Enkel 2072» ihr erstes Stück.

Multitalent Ariane Koch: Eine Kämpfernatur mit scheinbar unversiegbarem Kreativfluss (Bild: Hans-Jörg Walter)

Ariane Koch gehört zu den «jungen Wilden» der Nordwestschweizer Kulturszene. Ob Kunst, Literatur oder Theater: Der 25-jährigen Baslerin scheint alles spielend von der Hand zu gehen. An den Treibstoff-Theatertagen präsentiert sie mit «Mein Enkel 2072» ihr erstes Stück.

Eine E-Mail-Adresse namens «Flugboxer» weckt alle möglichen Assoziationen: Trifft man allerdings auf die Person hinter dem Pseudonym, erfüllt sie keine einzige davon. Anstelle der erwarteten rustikalen Box-Amazone ist Ariane Koch tatsächlich in natura blond und wirkt überraschend zierlich. Einzig ihre hellwachen Augen funkeln frech und auf charmante Art angriffslustig – und künden damit von grossen Ambitionen. 

Denn auch wenn die «uralte Mail-Adresse» einst nur als Scherz aus der Kreuzung der Begriffe Boxer und Flughund – «meinen zwei liebsten Hunderassen» – entstanden ist, eines ist die 25-jährige Baslerin ganz bestimmt: Eine Abenteurerin und Kämpfernatur, eine, die keine Angst davor hat, anzupacken und sich ganz unterschiedliche künstlerische Sparten anzueignen. Eben kurz, und völlig passend: Ein Flugboxer.    

Ihr Debüt «Bistole» schrieb sie mit sieben 

Ihre erste – und ihrer Meinung nach bis heute beste – Geschichte «Bistole» schrieb Koch nämlich bereits mit sieben Jahren: Eine kurze, dramatische Erzählung aus der Perspektive einer Handfeuerwaffe, genauso blitzschnell und -gescheit wie Koch selbst. Dass die Künstlerin mittlerweile zu den «jungen Wilden» der Basler Kulturszene zählt, verdankt sie unter anderem dem Kunst- und Literaturmagazin «Lasso», das sie mitgründete, und wo sie auch ebendieses «Frühwerk» in der ersten Ausgabe «Wilder Westen» veröffentlichte.

Ebenfalls bereits in der Kindheit erwachte Ariane Kochs zweite Leidenschaft: Jene für das Theater. Schon als Primarschülerin hat die Tocher eines kultur- und theaterbegeisterten Vaters «gerne geschauspielert», ein Hobby, das sie später am Jungen Theater Basel nahtlos fortsetzte. Als Nebenjob ging sie in Theatern Tickets reissen. 

Kochs scheinbar nie versiegender Quell an Kreativität drückte sich sogar noch in einem dritten Bereich aus: ihrem Gymi-Schwerpunkt Bildende Kunst. Nach der Matur entschied sie sich für ein Kunststudium in Bern und an der Basler HGK (Hochschule für Kunst und Gestaltung), das sie 2011 mit dem Bachelor abschloss. 

Bereits während dieser Studienjahre fiel Koch im Hinterhof Offspace und Kaskadenkondensator mit spannenden Werken auf. Spätestens als Koch letztes Jahr gemeinsam mit Lena Friedli die Reihe «jack-up legs» kuratierte und daneben mit Ausstellungen an der Liste, im gefeierten Offspace deuxpiece und an der Regionalen brillierte, schien der Weg zur vielversprechenden Basler Künstlerkarriere bereits vorgezeichnet. 

Mit Enthusiasmus zurück zur alten Liebe 

Doch stattdessen besann sich Koch nach einem Praktikum in der Kaserne wieder ganz auf ihre alte Liebe zum Theater und begann an dramaturgischen Skizzen zu schreiben. «Es stimmt, ich habe in den letzten Jahren wirklich einiges ausprobiert», resümiert sie vielsagend: «Bei gewissen Bereichen wie Bühnenbild weiss ich nun aber auch, dass ich sie nicht mehr weiterverfolgen werde.» 

Voller Enthusiasmus stürzte sie sich dagegen mit ihren langjährigen Freunden – Regisseur Zino Wey und Bühnenbildnerin Moïra Gilliéron – in das aktuelle Projekt «Mein Enkel 2072»: ihr erstes selbst getextetes Stück, das heute Abend zum Auftakt des Treibstoff-Theaterfestivals in der Kaserne Premiere feiert (siehe hierzu auch das TagesWoche-Interview mit dem Theaterbeauftragten Boris Brüderlin)

Darin treffen dokumentarische Versatzstücke der eigenen Vorfahren auf ein futuristisches Science-Fiction-Setting. «Mit 25 steht man ja im besten Fall ganz am Anfang einer möglichen Karriere», meint Koch mit augenzwinkerndem Understatement: «Da macht es ja irgendwie Sinn, gleichzeitig einen humorvollen Blick voraus und einen zurück zu wagen.»

Der Weltraumsprung als Karriere-Metapher

Slapstick dürfte die Gäste der ausverkauften Uraufführung trotzdem nicht erwarten: «Ich mag Witz genauso wie Realismus – aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Im Zentrum steht für mich immer das Poetische.» Als strukturierende Metapher für ihren Sprung in unbekannte Gefilde hat sich Koch drum die fünf Phasen von Felix Baumgartners letztjährigen Weltraumsprung ausgesucht.

Gleichzeitig setzt sie auf klassische Elemente im neuen Gewand – so werden Basler Primarschüler als Chor Lieder wie David Bowies «Space Oddity» oder Alphavilles «Forever Young» zum Besten geben. Das Resultat: «Mein Enkel 2072» stiess 2013 bereits ins Halbfinale des Theater-Nachwuchspreises «Premio» vor. Trotzdem sei sie zurzeit «ziemlich nervös»: «Eine Premiere in diesem Rahmen ist schliesslich eine grosse Chance.»

Wird es für das Jungtalent nun also Zeit, sich für eine Laufbahn zu entscheiden? Ja und Nein. «Ich will mich sicher zunächst aufs Schreiben konzentrieren – denn Schreiben braucht nun mal Konzentration», antwortet Koch, die soeben als Stipendiantin für den «Dramenprozessor» aufgenommen wurde – ein von vier Schweizer Bühnen ausgeschriebenes Förderprogramm für junge Dramatiker, an dessen Ende eine Profi-Produktion winkt.

Startklar für den Aufstieg

Dennoch kann der kreative Kopf mit seiner ständig neue Blüten treibenden Phantasie die Kunst nicht ganz lassen: Bereits steht mit «Revisiting the SPACE» eine Ausstellung in Leipzig sowie ein neues Basler «Spazierprojekt» mit der Künstlerin Sarina Scheidegger an. «Ich habe halt noch viele Ideen», meint die bis anhin so zielsichere Revolverheldin beinahe entschuldigend – fügt allerdings dann wie aus der Pistole geschossen hinzu: «Aber ich habe mir jetzt fest vorgenommen, in Zukunft so wenig Projekte wie möglich zu machen.» 

Nur Sekunden später muss Koch selber herzlich über diese Aussage lachen. «Gut, sagen wir: Nur so viele wie nötig.» Zumindest eines scheint sicher: Kochs innerer Flugboxer ist startklar – und mehr als bereit für den Aufstieg in die Stratosphäre. 

Quellen

Auf Ariane Kochs Homepage findet sich ein Überblick aller Projekte der Nachwuchskünstlerin. 

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