400asa Sektion Nord gibt mit der Uraufführung von «Flow/Wasser» in der Reithalle der Kaserne Basel bedeutungsschwangere Rätsel auf.
«Alleinsein heisst, den Strom zu verlassen.» Eine Gruppe mehr oder weniger junger Menschen sitzt um so etwas wie ein Lagerfeuer herum und führt tiefschürfende Gespräche. Sehr tiefschürfende und hochgestochene Gespräche, denen das eigentliche Thema aber irgendwie abhanden gekommen zu sein scheint. Das Gespräch sackt je länger je mehr in die Sphären populärphilosophischer Plattitüden ab. Irgendwie wird es irgendeinmal um Gruppenzwang und Alleinsein gegangen sein, um die Befreiung aus dem Strom der Gruppe oder so. Einmal sagt eine der Diskussionsteilnehmerinnen: «Ich fühle mich wie eine Brausetablette». Am Schluss des knapp anderthalbstündigen Abends in der Reithalle der Kaserne Basel, der so abrupt aufhört, als hätte jemand den Stecker gezogen, kann das Publikum, das wie im improvisierten Märchentheater für Kinder auf grünen Matten am Boden sitzt, dieser Frau durchaus beipflichten.
Die Leitung der Kaserne Basel muss geahnt haben, dass dieser Abend nicht gerade einfach zu verstehen ist. Vor der Vorstellung überreichte der Dramaturg und Produktionsleiter den Rezensenten ein Dossier mit einer ausführlichen Beschreibung des Projekts. Darin lesen wir unter anderem, dass es bei «Flow/Wasser» von 400asa Sektion Nord um eine «Dreiecksbeziehung zwischen einem Musiker, einer Malerin und einem Wasserforscher» geht, dass ein «Mad Scientist-Regenprojekt» Ausgangspunkt des Ganzen gewesen sei. Und wir erfahren, dass das Kollektiv 400asa Sektion Nord unter der Leitung von Samuel Schwarz in seinen Projekten immer wieder neue theatrale Formen erfinde.
«Neue theatrale Formen»
Diesen letzten Satz kann, wer schon das eine oder andere Projekt von 400asa gesehen hat, durchaus unterschreiben. Und hinzufügen, dass es immer wieder spannend und erhellend war, diese «neuen Formen» zu erleben. Dieses aber trifft nun auf das jüngste Projekt nicht wirklich zu. Denn nicht jede neue Form ist zugleich auch spannend. Nach dem oben beschriebenen Einstieg löst sich das Gesprochene von den Figuren auf der Bühne. Der Text ist mit einer kurzen Ausnahme fortan nur noch aus Lautsprechern zu hören, während die Figuren auf der Bühne und unter- oder überbelichtet über verstreute Bildschirme verdoppelt mehrheitlich stumm agieren. Zuweilen in halbwegs nachvollziehbaren Posen, ab und zu auch mit Tanzeinlagen, die irgendwo zwischen Flamenco und Eurythmie anzusiedeln sind. Nur ab und zu finden Text und Aktion – und einmal auch Gitarrenspiel und Musik – zu kurzen synchronen Playback-Intermezzi zusammen.
Das alles wäre vielleicht nachvollziehbar, wenn man dem Text einen wirklichen Sinn abgewinnen könnte. Wir greifen also hilfesuchend erneut zum Dossier und lesen: In erster Linie gehe es «um die menschlichen Basis-Emotionen, die in der Symbolik des Wassers widerspiegelt werden können – so wie Liebe und Angst und die Schwierigkeit, sich aus den übernommenen Zwängen zu lösen». Also wirklich erhellend ist diese Erklärung nicht, wenn auf der Bühne von Brokkoli und Blumenkohl sowie von tiefgefrorenen Koteletts die Rede ist, die mit Liebe serviert würden. Wenn wir erfahren, dass Timo bei all den Streams immer so rhythmisch gefurzt habe. Und auch mit der beschriebenen Dreierbeziehung hat man so seine Mühe! Bei sieben Menschen auf der Bühne, die kaum und schon gar nicht miteinander kommunizieren, ist es schwer, diese Konstellation wirklich nachvollziehbar zu erkennen.
«Wissenschaftlich-esoterischer Zeitgeist»
Und noch einmal wollen wir einen Satz aus dem Dossier zitieren – dieses Mal sogar einen fettgedruckten: «Die Gruppe 400asa wollte und will ihr Theater immer politisch, komisch und rhythmisch.» Das alles ist uns «Flow/Wasser» aber grösstenteils schuldig geblieben. Da trifft das Zitat aus der Schlussphase des Projekts, dass alles «in diesen wissenschaftlich-esoterischen Zeitgeist» passe, schon eher zu. Oder um noch etwas härter zu urteilen, ein Ausruf aus der Einleitungsphase: «Laber, Laber, Rabarber.»
- Weitere Vorstellungen: 27. und 28.09., 20 Uhr, Kaserne Basel, Reithalle