Sarah Bernauer, eine Künstlerin auf der Suche nach der Herausforderung

Für die Regionale begibt sich die Kunsthalle Basel auf die Suche nach dem zeitgenössischen «Masterplan». Eine der dafür eingeladenen Künstlerinnen ist Sarah Bernauer – ein Porträt.

Sarah Bernauer sucht in ihrem Leben den Kulturschock – und mag auch in ihrem Werk ein ironisches Augenzwinkern.

(Bild: Nils Fisch)

Für die Regionale begibt sich die Kunsthalle Basel auf die Suche nach dem zeitgenössischen «Masterplan». Eine der dafür eingeladenen Künstlerinnen ist Sarah Bernauer – ein Porträt.

Die Regionale 16 bringt Sarah Bernauer zurück nach Basel. Gleich zwei Räume kann die derzeit in Berlin agierende 34-Jährige in der Kunsthalle bespielen. «Das freut mich enorm. Aber ich bin auch sehr erstaunt, ich fühlte mich hier früher besser in die Punk- denn Kunstszene integriert.» Ihre Installationen treffen wohl just den Nerv der Ausstellung «Jungs, hier kommt der Masterplan», die mit Werken junger Künstler zeigen will, wie die mobilen digitalen Geräte unsere Gegenwart antreiben.

«Ich werde zur sogenannten ‹Post Internet Art› gezählt», sagt Bernauer. «Ein hilfloser Versuch, einen Begriff für diese Kunst zu finden.» Aber ein gutes Beispiel dafür, wie durch die digitale Kulturrevolution die Kommunikation mutiert, was Menschen auf der Suche nach besserem Verständnis hilf-, ja gar wortlos werden lässt. «Kommunikation wird durch Technik wieder bildlicher – wie in den Anfängen. Emojis ersetzen die Worte, ohne dass damit etwas verständlicher wird.»

Davon handelt ihre «Post-ABC»-Installation. Duschvorhänge mit flüchtig gezeichneten Emoji-Skizzen stehen Gipsplatten gegenüber, über die Worte wandern, während eine Stimme aus drei Ecken gleichzeitig spricht. «Die Dusche ist ein intimer Ort, die Kapelle des Alltäglichen, wo man Körper und Seele reinigt.» Die Gipsplatten symbolisieren antike Schrifttafeln, das erste Speichermedium. Wanderschrift und Stimme stehen für das ziellose Surfverhalten, bei dem man versucht, alles gleichzeitig anzunavigieren. Der Mensch steht ziemlich verloren darin. «Ich finde meine Arbeit nicht pessimistisch. Ich sehe sie eher als Untersuchung und abstraktes Abbild des Zustandes. Die meisten Menschen fühlen sich wohl in dieser Welt», sagt Bernauer.



Die Dusche als Allerheiligstes, symbolisiert durch Duschvorhänge.

Die Dusche als Allerheiligstes, symbolisiert durch Duschvorhänge. (Bild: Nils Fisch)


Einen ironischen Blick auf das Sexuniversum im Internet wirft die Künstlerin in ihrer zweiten Arbeit «Milky Ways». Als User-Betreuerin einer Online-Dating-Plattform fasziniert von den Rollenspielen und Fantasien der Nutzer, sammelte sie im Netz Dialoge und Bilder. «In der vermeintlichen Anonymität des Internets geben viele Intimes preis, das mit einfachen Suchanfragen öffentlich zugänglich ist.» Bernauer verarbeitete das Rohmaterial zu einem Video, in dem die Vorstellungen und Fotos wie Planeten in der Milchstrasse durch den Weltraum schwirren: «Das Internet ist so unfassbar wie das All. Die Chance, dass man sich dort trifft, ist verschwindend klein.»

So ergiessen sich die Sexfantasien der User einschlägiger Foren physisch halt nur über Fotos von unerreichbaren Stars. Solche sogenannten Cum-Tributes hängen nun, von Bernauer bearbeitet, als Bilder an der Wand der altehrwürdigen Kunsthalle – als augenzwinkernde «Hommage an die männlichen Malerfürsten mit ihren grossen Pinseln».

Die klassischen Künste haben Bernauer nie wirklich interessiert. «Ich mag Bewegung. Darum arbeite ich viel mit Videos und gestalte gerne Räume mit verschiedenen Objekten. Der Ursprung meiner Arbeit ist aber immer ein Text.»

Von der Adoleszenz in die Kunst

Der Anfang ihres Kunstwerdegangs war die Adoleszenz. «Mein Elternhaus hat keinen Bezug zur Kultur. Da zählten mehr wirtschaftliche Werte.» Aufgewachsen in Bern machte Bernauer denn auch eine kaufmännische Berufsmatur und arbeitete für IBM oder Philipp Morris. «Aus der Zeit erinnere ich mich nur an die zwei Stangen gratis Zigaretten pro Monat.» Mit 19 Jahren hatte sie genug vom Büroleben und zog auf der Suche nach Abenteuer nach London. «Anfang 2000 war dort eine spannende Zeit. Doch nach einem halben Jahr mit Fünf-Pfund-Jobs in Cafés und einem Zimmer ohne Heizung, dafür mit Ratten, war ich fertig.»

Bernauer verliebte sich in Schottland, und ihr Herz fand in Edinburgh auch zur Kunst. Sie besuchte dort die Hochschule der Künste, bis jemand feststellte, dass die Schweiz ja gar nicht zur EU gehört. «Die Studiengebühren wären dann plötzlich unbezahlbar hoch geworden.» Also kehrte sie zurück in die Schweiz, besuchte in Bern den Vorkurs und wechselte wegen der Videofachklasse für das Hauptstudium nach Basel.

Raus aus der Comfort Zone

«Nie hatte ich so lange an einem Ort gelebt und konnte viele Projekte realisieren. Gerade während der Art Basel finden sich hier viele Künstler, die bereit sind, sich auf Experimente einzulassen.» Doch nach sieben Jahren wurde es ihr zu angenehm: Bernauer musste den Absprung aus der Bequemlichkeit schaffen. Erst reiste und arbeitete sie in Indonesien und zog dann letztes Jahr nach Berlin. «Mir fehlte das Existenzielle, das Unvorhersehbare, schlicht die Herausforderung, auf etwas zu treffen, wo ich mir überlegen muss, was ich davon denke. Ich wollte wieder Haltung einnehmen.»

Den Kulturschock fand sie in Hohenschönhausen, wo das ehemalige Stasi-Gefängnis heute 200 Künstlerateliers beherbergt. «Ex-Häftlinge machen in den Gemäuern heute Führungen, während die ehemaligen Wärter in den Einfamilienhäusern darum wohnen. Und alle wissen: Du bist nicht von hier. Das ist zwar auch sonst kaum einer in Berlin. Aber in Kreuzberg, wo ich jetzt arbeite, stört das keinen.» Durch die Durchmischung ist auch nichts in Stein gemeisselt. Es ist ein Kommen und Gehen, Entstehen und Vergehen.

Bernauer geniesst es, von der Beobachteten wieder in die Beobachterrolle zu wechseln: «Die Anonymität befreit und inspiriert den Kopf. Ausserdem kann ich mich auch mal daneben benehmen, ohne dass es danach die ganze Stadt weiss. Obwohl, mit all den Touristen ist Berlin sehr brav geworden. Ich lebe hier seriöser und vermisse manchmal die wilden Basler Barnächte!»
_
Regionale 16, Kunsthalle Basel, Vernissage, Samstag, 28. November, 19 Uhr

Nächster Artikel