Scheuer Berner auf Basler Bühnen

Der Schriftsteller Christoph Simon ist genauso schüchtern wie gern auf der Bühne. Zwischen den WM-Achtelfinals verkürzt er die Wartezeit im Saal 12 als Slam-Poet.

«Ich bin der Pedro Lenz für die Armen.» Christoph Simon mit Schalk und Ernst über seine Selbsteinschätzung und seinen geschätzten Kollegen. (Bild: Simon Krieger)

Der Schriftsteller Christoph Simon ist genauso schüchtern wie gern auf der Bühne. Zwischen den WM-Achtelfinals verkürzt er die Wartezeit im Saal 12 als Slam-Poet.

Wer in Basel Poetry Slam hören geht, stösst früher oder später auf den Schriftsteller Christoph Simon. So auch dieses Wochenende, wenn Laurin Buser im Saal 12 zum WM-Slam lädt. Man nennt den 41-jährigen Christoph Simon den schüchternen Berner. Auf der Bühne zieht er den Kopf zwischen die Schultern und steckt die Hände in die Taschen. Während es bei den meisten anderen Slampoeten Pointen hagelt, muss man sich auf ihn erst einlassen.

«Humor ergibt sich aus dem Konflikt einer Figur und nicht, weil ich etwas Lustiges über Zürcher oder Deutsche sage», so Simon. Etwas spröde? Nein, es dauert nur einen Moment länger. Die Perlen lässt er im Nebensatz fallen, als Beiwerk.

Also zügeln wir den Fragenkatalog und lassen ihn mal machen. Als wir seine Wohnung im Berner Quartier Länggasse betreten, kommt Simon bereits mit einer duftenden Auflaufform in den Händen aus der Küche. Teller gibt es keine, die hat seine letzte Mitbewohnerin mitgenommen, die Müeslischüsseln tun es aber auch.

Putzen lieber nach dem Besuch

Seit dem Auszug fehlen einige Möbel, der Boden ist mit Playmobil-Teilen grosszügig bedeckt. Alles etwas chaotisch zur Zeit. Ob das wohl gut geklappt hat mit der Mitbewohnerin? Und was hält er von Putzplänen? «Oh, der Plan klappt gut. Nur putzen tue ich ungern.» Und schon gar nicht vor dem Besuch. Lieber danach, «wenn die Gäste den ganzen Dreck reingeschleppt haben».

Am grossen Esstisch sitzen bereits seine drei Kinder, die sich den Nudelauflauf schon mal schmecken lassen. Die Kinderbetreuung teilt er sich mit seiner «Lieblingsfrau», die ein paar Ecken weiter wohnt. Nach dem Essen drängelt seine achtjährige Tochter Yuma immer wieder ins Gespräch. «Lass jetzt mal», sagt Simon, «ich muss hier gerade etwas Seich erzählen.» Bald darauf kommt sie wieder und liest uns ein Buch vor, das sie in der Schule gebastelt hat. Es heisst «Alles wackelt». «Seht Ihr», sagt Simon, «Ihr müsst eigentlich sie interviewen.»

Als Slampoet tritt Christoph Simon seit einigen Jahren auf, obwohl er eigentlich Schriftsteller und gar kein Bühnenmensch ist. «Ich bin ein schüchterner, scheuer Zeitgenosse», sagt auch er von sich. Bei einem seiner Slamauftritte zitterte er vor Nervosität so stark, dass sich der Veranstalter Sorgen machte. Doch er mag die Erfahrung auf der Bühne. «Du spielst dich selber. Aber wohin mit den Händen? Nimmt mir das Publikum diesen Auftritt noch ab? Das sind neue Fragestellungen, die es beim Schreiben nicht gibt.»

Die alte Liebe Basel

Doch gerade dieser Mensch passt gut in die Slamszene. Da rappt nichts, da reimt nichts, die Schenkelklopfer bleiben aus. Doch Simon hat ein grosses Können in feinen Alltagsbeobachtungen – perfekt für die Slambühne –, die er in seine Geschichten einbettet. Themen? «Freude, Liebe, Mut, Zuversicht, Dankbarkeit», rattert Simon runter. «Ich bin der Pedro Lenz für die Armen», sagt er über den Berner Kollegen, den er besonders schätzt.

Seine Laufbahn begann Christoph Simon eigentlich als Musiker. Er besuchte die Jazzschule in Bern, studierte anschliessend vier Semester Psychologie, Humangeografie und Wirtschaft in Basel, «eine der schönsten Schweizer Städte», wie er findet. Von da aus verschlug es ihn nach New York, am Ende landete er in Bern. Mit der «knorzigen Art» der Berner kann er gut – «sie sind wie ich.» 2001 kam mit «Warum Antilopen nebeneinander laufen» sein erstes Buch heraus. Mehrfach ausgezeichnet wurde der Roman «Spaziergänger Zbinden». Zuletzt schrieb er «Viel Gutes zum kleinen Preis».

«Alkohol ist ein sehr gutes Schmerzmittel, vor allem in Kombination mit Aspirin.» Christoph Simon

Immer geht es um grosse Themen, immer ist der Auftritt unprätentiös. Zum Schluss also ein paar Gretchenfragen: Was ist Glück, Herr Simon? «Sich an einem Mückenstich zu kratzen, bis es blutet.» Und Genuss? «Ich kann schon geniessen, mit genug Alkohol.» Also gut, eine letzte Gretchenfrage: Wie wichtig ist Alkohol? «Er ist der beste Freund. Wenn du dir nicht mehr selber zuhören willst, hilft er dir, dass du es länger mit dir selbst aushältst. Ein sehr gutes Schmerzmittel, vor allem in Kombination mit Aspirin.»

Das hätte man ihm gar nicht gegeben, dem schüchternen feinen Mann. Wie ernst meint er das? Vielleicht flachst er nur. Mehr davon erfahren wir diesen Samstag am WM-Slam. Simon wird über das Frauenfussballteam Banana Unterseen sprechen, in dem er aufgewachsen ist und «alles fürs Leben gelernt hat. Ich war im Tor, weil ich im Gegensatz zu meinen Teamkolleginnen einen Ball fangen kann.» Alkohol hin oder her, das ist sicher die Wahrheit.

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28. Juni, 20.30 Uhr, Saal 12: Poetry Slam mit u.a. Laurin Buser und Christoph Simon. Davor und danach werden die Achtelfinals gezeigt.

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