Das Haus für elektronische Künste zeigt mit «Gateways» eine Ausstellung, die unseren Umgang mit der vernetzten Welt thematisiert und gewisse unserer Gewohnheiten in Frage oder zumindest zur Diskussion stellt.
Im Jahr 2047 werde ich sterben. Sagt zumindest Timo Toots’ Installation «Memopol». Dieser habe ich meine Identitätskarte zum Scannen überlassen, und die «soziale Appartur» hat sofort in (inter-)nationalen Datenbanken nach allem gesucht, was über mich gespeichert ist. Wenn sie auch nicht wahnsinnig viel findet (was vor allem an meinem im Internet nicht öffentlich gespeicherten zweiten Vornamen liegt), so ist es doch ein durchaus spannendes Experiment, das uns hier im Untergeschoss des Hauses für elektronische Künste vorgeführt wird.
Das Internet speichert alles, davor werden wir immer wieder zur Genüge gewarnt. Und die darin versprochene Anonymität ist oftmals nur eine vermeintliche. Andreja Kuluncic führt uns das in ihrer Arbeit «Locating Social (Un)Awareness» vor Augen. Auf einem Computer füllen wir einen Fragebogen aus zu Themen wie Frauenrechte, Homosexualität oder Ausländerfragen. In einem kleinen Gerät, das wir uns umhängen, tragen wir die Antworten versteckt mit uns herum. Nähern wir uns einem anderen Besucher, zeigt uns das Gerät dessen Antworten (und umgekehrt) an und zeigt uns damit, ob wir uns beispielsweise mit einem Rassisten im selben Raum befinden.
Diese beiden vorgestellten Werke stehen exemplarisch für das Konzept der Ausstellung «Gateways». Sie präsentiert künstlerische Positionen, die sich mit den veränderten Bedingungen einer vernetzten Welt auseinandersetzen. Und führen unsere diesbezüglichen Gewohnheiten auch gerne ad absurdum, um sie uns ins Bewusstsein zu rufen.
(Im-)mobil telefonieren
Da ist beispielsweise «Astrid» – ein übergrosses Mobiltelefon, flauschig ausgestopft, weil wir ihre kleinen Kollegen ja richtiggehend knuddeln, wo immer wir sind. Mit «Astrid» kann man auch telefonieren. So wirklich gemütlich ist das jedoch nicht, denn einerseits muss man sich fast auf den Boden legen, um das Mikrofon zu finden, und andererseits kann jeder im Raum mithören, was die Person am anderen Ende der Leitung sagt. Jegliche Intimität geht flöten.
Die britische Künstlergruppe boredomresearch hat sich der weltweiten E-Mail-Flut angenommen. Immer schneller will unsere Kommunikation sein, immer schneller wollen wir informiert sein. Bei boredomresearch wird die rasante Kommunikationsmöglichkeit zur Schneckenpost verkehrt, im wahrsten Sinne des Wortes: Über kleine Büsche und Salatköpfe kriechen Weinbergschnecken, die auf ihrem Rücken Chips herumtragen. Das Beet ist durchsetzt mit mehreren Platten, auf welchen Mails gespeichert sind, die der Besucher in einem Computer eingeben kann. Kommt eine Schnecke in die Nähe einer solchen Platte, lädt sich die Mail auf ihren Chip. Erreicht sie damit eine Abnahmestelle, wird die Mail gesendet. Durchschnittlich dauert es aktuell hunderte von Tage, bis die Mail ihren Empfänger erreicht.
Die verschiedenen Werke im Haus für elektronische Künste verlangen von den Besuchern Partizipation – wer sich nicht engagieren will, ist hier fehl am Platz. Wer sich aber die Mühe einiger Mausclicks macht, wird mit einigen interessanten (wenn auch nicht revolutionären) Einblicken belohnt, die durchaus auch Stoff für Reflexion bieten.
Und ich bin gespannt, ob meine versendete Schneckenpost auf meinem Mailaccount eintrifft, bevor ich in 35 Jahren das Zeitliche segne.
- Haus für elektronische Künste, bis 19. August.