Evelinn Trouble hat drei Platten lang mit experimentell-emotionaler Popmusik Ausrufezeichen gesetzt, danach wurde es der Zürcherin zu eng: Vor drei Monaten zog sie nach London. Nun kehrt sie für eine Kurztour zurück. Jetzt spielt sie im Basler Hirscheneck.
Evelinn Trouble hätte es sich bequem machen können: Als Maturaarbeit reichte sie 2008 ein selbst produziertes Album ein, «Arbitrary Act» mit Namen und ein kleines Lo-Fi-Monument im Inhalt, danach begleitete sie Sophie Hunger als Begleitsängerin auf Tour und hörte bald wieder auf – angeblich, weil bei zwei derart starken Stimmen eine zuviel war. Man mochte das glauben, wenn man in ihre folgende Platte «Television Religion» reinhörte: eine krachende Vermessung verschiedener Sumpfgebiete, die sich gerade noch in der Zone des Alternativrock unterbringen liessen. Knirschende Beats, keuchende Synthies, bebende Bässe. Und eine Stimme, die sanft wie schauernd sich durchs Dickicht schlägt.
Mit «The Great Big Heavy» schlug sie 2013 einen neuerlichen Haken, schraubte die Synthies zurück, rückte manchen Beat gerade und schonte sich vor Jag nach dem verästelten, avantgardistischen Songkoloss. Stattdessen beugte sie sich hinunter in eine Epoche, die schon in ihrem Geburtsjahr bereits seit zwanzig Jahren vorbei war und Trouble dennoch musikalisch prägen sollte: die Sechziger. Wer in «Apocalypse Blues», in «Never Came Around» oder in das Eröffnungsstück «Vanish» reinhört, dem klatscht borstig ein Echo jener Jahre ins Gesicht, als die Gitarren erstmals röhren lernten.
Experimentelle Popmusik
Trouble überzeugt, weil sie derart unkalkuliert überrascht wie wenige Namen in der Schweizer Szene, und entsprechend wurde sie schnell geschätzt. Sie überschritt die Landstriche der Rockmusik, vertonte live einen Stummfilm von Greta Garbo und sorgte in zwei Zürcher Theaterproduktionen für den Sound. Eine davon unter der Regie von Schorsch Kamerun, der mit seiner Band Die Goldenen Zitronen seit Jahrzehnten für politische Schärfe in experimenteller Popmusik steht. Das musste passen: «Ästhetisch haben wir uns sehr gut verstanden», sagt sie am Telefon.
Garage als Wohnung
Tatsächlich, Trouble hätte es bequem haben können in der Schweiz nach ihrem ereignisreichen 2013 – da verliess sie das abgegraste Zürich und zog nach London. Dort wohnt sie bis vor kurzem halblegal in einer Garage in der Industriezone und gegenwärtig auf dem Sofa von Bekannten, wenn sie nicht in der Schweiz tourt. Als «Auszug aus zu komfortablen Umständen» bezeichnet sie ihren Ortswechsel nach London, wo niemand auf sie wartet, wo die Konkurrenz sowohl grösser als auch befruchtender ist als in der überschaubaren Schweiz, in der sie mit kaum 25 Jahren bereits dicke Ausrufezeichen gesetzt hat.
Ausriss statt Anpassung
«Entbehrung und Widerstände sind wichtige Faktoren, wenn man sich weiterentwickeln will», sagt Trouble, «2013 war für meine Verhältnisse finanziell ein luxuriöses Jahr, ich habe jedoch auch festgestellt, dass ich mir zur Zukunft Gedanken machen muss.» Auf ihren Tourneen in der Schweiz hat sie registriert, wie ihre Musik als zu sperrig für grössere Clubs taxiert wird und «dass die Schweizer Musikszene nach eigenen, manchmal gar provinziellen Regeln funktioniert.»
Statt der Anpassung wählte Trouble den Ausriss – in London hat sie sich in einen Übungsraum eingemietet, arbeitet alleine an neuen Songs, pflegt ihre Kontakte von den bisherigen Tourneen in England, und lässt sich Zeit. In der Songschreibe, aber auch in der Setzung von klaren Zielen. Nur eine Erwartung hat sie an ihr geplantes UK-Debüt: «Durchschlagskraft.»
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Live: «Hirscheneck Basel, 3. Januar, 22 Uhr.