Sir Alfred und Sir Anthony

Der Film «Hitchcock» von Sascha Gervasi erzählt die Entstehungsgeschichte des Horrorklassikers «Psycho». Anthony Hopkins spielt den alten Meister so gut, als wären die beiden verwandt. Insgesamt ist der Film aber, was er selber sein will: gefällig.

Anthony Hopkins als Alfred Hitchcock im liebevoll gefertigten Halskostüm. (Bild: zVg)

Der Film «Hitchcock» von Sascha Gervasi erzählt die Entstehungsgeschichte des Horrorklassikers «Psycho». Anthony Hopkins spielt den alten Meister so gut, als wären die beiden verwandt. Insgesamt ist der Film aber, was er selber sein will: gefällig.

Schliesslich haben sie sogar den Adel gemeinsam, der Sir Alfred und Sir Anthony. Und wo blaues Blut fliesst, da ist auch eine Vorliebe für rotes Blut, das schwarzweiss im Duschabfluss verrinnt. Oder aus einigen Metern Höhe auf den Boden tropft, von dort, wo Hannibal Lecter alias Anthony Hopkins gern mal eine Leiche platziert, nachdem er dem Opfer den Leib geöffnet hat.

Zugegeben, der 30 Jahre ältere «Psycho», ein Meilenstein im Horrorgenre, schaut sich doch ein wenig leichter, als «Das Schweigen der Lämmer». Doch die Lust an psychopathischen Serienmördern haben sie gemeinsam. Und tatsächlich ist es derselbe Ed Gein, der 1957 in Wisconsin festgenommen wurde und die Bösewichte sowohl von «Psycho» als auch von «Das Schweigen der Lämmer» inspiriert hat. Woher kommt eigentlich diese Lust?

Sie können nicht wegschauen

Als Hitchcock in der gleichnamigen Filmbiografie der versammelten Presse sein neues Projekt vorstellt, bei Häppli und Getränk, zeigt er Polizeibilder von Ed Geins Opfern herum: ausgeweidete und zerschnittene Frauenleichen auf grossformatigen Abzügen. Schon die Produzenten von Paramount haben sich geweigert, den Film zu finanzieren: zu seltsam die Story um Norman Bates, der seine tote Mutter ausgräbt, und zu brutal die Szenen mit dem grossen Messer.

Hitchcock entschliesst sich, den Film selbst zu finanzieren. Gemessen an den Geldern, mit denen er vorher arbeiten konnte, wird «Psycho» eine Low-Budget-Produktion, aber sein Wohnhaus muss er trotzdem verpfänden. «Und siehst du», sagt eine Zweiflerin an der Pressekonferenz zu ihm, «alle ekeln sich!» «Das stimmt», antwortet Hitchcock-Hopkins, mit penetrant präziser Aussprache, very britisch, zugleich schmatzend und die Augen oder eigentlich den ganzen Kopf weit aufgerissen: «Aber sie können nicht aufhören hinzuschauen.»

So einfach ist das nämlich. Hier geht es nicht um die Frage, warum sich Menschen von jeher für Gewalt begeistern, sondern einfach darum, dass sich aus dieser Tatsache ein guter Film machen lässt. Einer, der abstösst und deshalb anzieht. Hitchcocks letzter grosser Film, «North by Northwest» («Der unsichtbare Dritte», 1959), ist bekannt als gefällig-heiterer Krimi um einen ewig eleganten Cary Grant: Stars, massgeschneiderte Kostüme, immer staub- und schweissfrei. Paramount verlangt mehr von dieser Sorte. Aber Hitchcock-Hopkins will wieder ins Ungewisse, ins Risiko hineinarbeiten und danach suchen, was das Publikum sehen will, ohne dass es selbst davon weiss.

Nicht ohne Romanze

Hinzu kommt Hitchcock-Hopkins Identifizierung mit dem Mörder Ed Gein und der Filmfigur Norman Bates: Die Psychopathen haben in ihren Schauerwerkstätten eine eigene Welt errichtet, wo niemand sie belästigt. In ihrer traurigen Psychose haben sie Ruhe, anders als Hitch-Hop, der sich mit Produzenten, Nebenbuhlern und anderweitigen Kontrahenten herumzuschlagen hat. Durch die Figuren Gein und Bates reagiert er seine Wut und seine Ängste ab – jedenfalls in der Darstellung des Films, der auf der Hitchcock-Biografie von Stephen Rebello beruht. Ein weiterer Fokus wird auf die Wiederversöhnungsromanze zwischen Alfred und seiner Frau Alma (Helen Mirren) gelegt, die auch dem «Psycho»-Projekt, das nicht recht in Schwung kommen will, das Leben einhaucht. Hollywood halt. Aber schön.

«Hitchcock» ist ein Film ohne Reibungsfläche, doch so versteht er sich auch selbst. Ähnlich wie der originale Hitchcock seine Filme anpries, sagt Hitch-Hop am Anfang des Films gutgelaunt in die Kamera: «Gäbe es nicht von jeher den Brüdermord, gäbe es auch diesen kleinen Film nicht.» Eine erfrischend aufrichtige Reflexion aus Hollywood über Hollywood, ironisch gemünzt auf den Mörder Ed Gein, der als erstes seinen Bruder erschlug. Übertragen heisst das: Gäbe es nicht den Film «Psycho» und seine aufregende Enstehungsgeschichte, gäbe es auch diese unterhaltsame Filmbiografie nicht. Und damit eine hübsche Option, wenn man mal wieder vor dem Kinoprogramm steht.

 

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