Genug der Fakten, nun gehts ums Sehen: Das Kunstmuseum Basel eröffnet und präsentiert seinen Neubau. Der erste Eindruck: viel Marmor, viel Grau, und trotzdem Yeah!
Es hat ein bisschen was von einer Liebesbeziehung: Man hasst ein Museum, wenn das liebste Bild verschwindet. Man liebt es, wenn es die besten Ausstellungen zeigt. Und man vermisst es, wenn es über ein Jahr lang geschlossen bleibt.
Jetzt ist es wieder offen, das Kunstmuseum Basel, um das es hier natürlich geht. Und es ist schöner und grösser als je zuvor. Und auch ein bisschen anders. Nicht nur, weil da am oberen Ende der Wettsteinbrücke jetzt zwei Häuser stehen und weil dadurch die Ausstellungsfläche beträchtlich vergrössert wurde.
Nein, da sind auch Kleinigkeiten, zum Beispiel die Ticketschalter, die sich nicht mehr im Gebäude drin befinden, sondern draussen unter der Arkade. Dies hat ganz praktische Gründe: Egal, ob man seinen Museumsbesuch nun im Hauptbau (also im alten Kunstmuseum) starten will oder im Neubau – die Tickets gibts hier, in der Mitte zwischen den beiden Eingängen. Ganz gleichberechtigt.
Der Rundgang beginnt
Mein Besuch beginnt im Hauptbau. Und auch wenn ich mich darauf freue, Holbeins «Christus im Grabe» wieder an seinem Platz zu sehen (im ersten Obergeschoss des Altbaus, auf zartgrün sanierten Wänden) oder endlich wieder Ferdinand Hodlers monumentalen «Blick in die Unendlichkeit» regelmässig im Original betrachten zu können (auch im ersten Obergeschoss des Hauptbaus), so wende ich mich nach dem Eintreten doch vor der grossen, beigen Marmortreppe neugierig nach links. Denn dort beginnt das Abenteuer.
Früher gab es in diesem Raum Kunst. Sonderausstellungen oder die Amerikaner des 20. Jahrhunderts. Nun ist rechts eine unscheinbare Tür, mit «Buchhandlung» beschriftet. Und links, da geht es eine Treppe hinunter. Es ist die Treppe zur Unterführung, die uns in den Neubau bringt. In den «Erweiterungsbau», wie das Gebäude der Architekten Christ & Gantenbein in den letzten Jahren genannt wurde. Ein schwerfälliges Wort, fast so schwer wie der viele Marmor, in den ich nun richtiggehend einsteige.
Hier gehts lang: Runter und nach rechts, dort liegt der Neubau. (Bild: Karen N. Gerig)
Ich streiche mit meinen Fingern über die Oberfläche, die nicht lackiert, sondern geölt ist und darum nur matt glänzt. Fühlt sich ein bisschen gummiartig an. Unten angekommen, stehe ich im unterirdischen Durchgang. Unter der Dufourstrasse, was sich hier nicht länger erahnen lässt. Unzählige Neonröhren beleuchten von der Decke die Räume: Ein gangartiger Raum, dahinter der grosse Veranstaltungssaal mit den ersten Werken: Frank Stellas grossformatiges «Damascus Gate» etwa, das bislang zu gross war, um ständig gezeigt zu werden.
Apropos Sammlungspräsentation: Fünf Prozent davon habe man bisher ständig zeigen können, sagt Kunstmuseumsdirektor Bernhard Mendes Bürgi. Der prozentuale Anteil sei durch den Neubau aber gar nicht mal so viel höher geworden, wie man erwarten könnte. Denn ein Grossteil der neuen Fläche komme Sonderausstellungen zugute wie nun die Eröffnungsschau «Sculpture on the move». Was sich verändert hat, ist, dass die Sammlung nicht mehr weichen muss, um für solche Extraschauen Platz zu machen.
«Sculpture on the move» beginnt im Erdgeschoss, das ich über eine weitere marmorne Treppe erreiche. Doch von Kunst soll an anderer Stelle die Rede sein (die Ausstellungsbesprechung folgt).
Überwältigender erster Eindruck
Ich stehe nun im Eingangsbereich des Neubaus. Und bin von Grau umgeben. Es ist fast ein bisschen überwältigend und braucht Gewöhnung. Grauer Marmorboden, graue Marmortreppe, grau verputzte Wände, eine wandfüllende metallene und deshalb ebenfalls graue Schiebetüre, die in den Anlieferungsbereich dahinter führt.
Ist das Grau zuviel? Merkwürdigerweise nicht. Man wird vielmehr umschlossen, als würde das Gebäude einen in sich aufnehmen. Das muss man aber wahrscheinlich zulassen wollen.
Ein Handlauf aus galvanisiertem Stahlblech – Industriecharme ahoi! (Bild: Karen N. Gerig)
Auf der Treppe ins erste Obergeschoss, wo die Sammlungsausstellung vor allem die amerikanische Kunst nach 1950 zeigt, fahre ich mit der Hand den metallenen Treppenlauf entlang. Er ist aus handelsüblichem galvanisiertem Stahlblech. Fleckig. Auch die Türen, die in die Ausstellungsräume führen, sind aus demselben Material. Der industrielle Charme, den sie ausstrahlen, irritiert.
Blick durch die Rippen einer Stahltür hinaus. (Bild: Karen N. Gerig)
Zum Glück.
Denn so viel Marmor, so viel steinerne Pracht, das braucht etwas, das sich daran reibt. In den Ausstellungsräumen kommen edle Holzböden dazu und strahlend weisse Wände. Nur die Schwellen zwischen den Räumen sind hier noch aus Marmor, die Türrahmen sonst rau verputzt und grau getüncht.
Auch hier: Irritation. Denn das Grau des Marmors und das der Wand wollen irgendwie nicht so recht zusammenpassen. Genauso wie das rötliche Braun der ledernen Sitzelemente und das helle Braun des Parkettbodens.
Grauer Marmor, graue Wand und Parkettboden. (Bild: Karen N. Gerig)
Und doch ist alles erstaunlich harmonisch. Wohl gerade deshalb, weil es nicht zu proper, nicht zu glatt, nicht zu brav ist. Sondern weil sich Dialoge zwischen den Elementen entwickeln, so wie sich aussen ein Dialog zwischen Neu- und Hauptbau ergibt.
Ein Stockwerk gibt es noch zu entdecken: das zweite Obergeschoss, das wiederum der Skulpturenschau vorenthalten ist. Das Oberlicht dieser Säle tut gut. Wie in den anderen Geschossen auch kann man eine Runde durch die Ausstellungsräume drehen: Man beginnt im Treppenhaus und landet am Schluss wieder dort. Hier jedoch gibt es in der Mitte einen Raum, der sich aufs Treppenhaus hin öffnet. Ich bin zu klein, um über die Brüstung zu gucken – wers schafft, der sieht all die Winkel, die diesen Kern des Hauses ausmachen, bis ganz hinunter.
Das verwinkelte Treppenhaus. (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)
Dorthin ziehts mich nun wieder. Und durch die Unterführung zurück in den Hauptbau. Erst hier wird mir klar, wie licht dieser ist, wie breit die zentrale Treppe. Der Unterschied zum verwinkelten Treppenhaus im Neubau könnte nicht grösser sein. Doch trotz all der Unterschiede ist es den Architekten gelungen, Verbindungen zu schaffen. In der Verwendung von Marmor, wenn auch in einer anderen Farbe. Oder indem sie den Rauputz des Altbaus übernommen und neu adaptiert haben.
Für die Besucher spielen solche Details irgendwann keine Rolle mehr. Sie werden sich schneller oder langsamer daran gewöhnen und kommen, um Kunst zu sehen. Denn darum geht es am Ende, wenn die metallenen Tore künftig jeden Morgen geöffnet werden.
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Zur Publikumseröffnung am 17. & 18. April wird der Eingang über den Hauptbau erfolgen – der Eingang des Neubaus bleibt aus organisatorischen Gründen geschlossen. Wegen des zu erwartenden Andrangs wird die Wettsteinbrücke für den Individualverkehr gesperrt werden.
Der Eintritt in alle drei Häuser des Kunstmuseums ist dann kostenlos, es gibt Verpflegungsstände im Innen- und Aussenbereich. Geöffnet ist an beiden Tagen von 10–18 Uhr.