Sorgenkind Sommercasino

Ein verändertes Ausgehverhalten, die Konkurrenz durch Zwischennutzungen sowie das Stigma des «Kindergartens»: All das nagt an der altehrwürdigen Institution Sommercasino. Zum 50. Geburtstag muss sich das bekannteste Jugendhaus der Stadt Basel neu erfinden.

Hort der Jugendkultur: Der Traditionstreffpunkt Sommercasino kämpft mit Schwierigkeiten. (Bild: Rockkonzert im Juli) (Bild: Ketty Bertossi)

Ein verändertes Ausgehverhalten, die Konkurrenz durch Zwischennutzungen sowie das Stigma des «Kindergartens»: All das nagt an der altehrwürdigen Institution Sommercasino. Zum 50. Geburtstag muss sich das bekannteste Jugendhaus der Stadt Basel neu erfinden.

50 Jahre, das ist für einen Jugendtreff ein beeindruckendes, ja fast methusalemisches Alter. Dennoch will bei den Betreibern des Jugendkulturzentrums beim Basler Denkmal nur gedämpfte Freude aufkommen. Denn die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Das Sommercasino (Soca) hat schon bessere, weil rentablere Tage gesehen. So etwa in den 1990er-Jahren, als das Soca zu den beliebtesten Ausgangsorten Basels zählte, und illustre Bands wie Die Ärzte, Patent Ochsner oder Züri West jeweils vor ausverkauftem Hause spielten.

Heute fährt das Sommercasino ein fünfstelliges Defizit pro Jahr ein: Zwischen 30 000 und 80 000 Franken lag der Verlust in den letzten Saisons – trotz einer Besucherzahl von 23 000 im 2011. Und auch im laufenden Jahr ist keine Trendumkehr absehbar. Im Gegenteil: «Das Umfeld wird immer härter», bilanziert George Hennig, Geschäftsführer der Basler Freizeitaktion (BFA), die das Lokal betreibt.

Doch wo liegt das Problem? Dass der Traditionstempel bis heute zwar Bier, aber keinen harten Alkohol ausschenken darf (siehe Berichterstattung im Sonntag, Artikel nicht online verfügbar), sei zwar ein Faktor – keinesfalls aber die ausschlaggebende Ursache für den Besucherrückgang: «Die Lage ist viel komplexer», betont Hennig. Dies habe in erster Linie mit dem veränderten Ausgangsverhalten der Jugendlichen zu tun.

Kurzlebigkeit bedroht den «Dinosaurier»

«Heute gibt es einen starken Trend zur Kurzlebigkeit», erklärt Hennig: Einerseits würden Off-Lokale und Zwischennutzungen aus dem Boden spriessen – und rasch wieder verschwinden. «Diese Orte haben natürlich den Reiz des Neuen, und gleichzeitig durch die drohende Schliessung immer auch einen gewissen Seltenheitswert.» Jener exklusive Charakter, die Vorstellung bei dieser Entwicklung «live» dabei zu sein, fasziniere die Jugendlichen, die andererseits auch selber immer spontaner würden. «Im Zeitalter der Smartphones verlieren Stammlokale an Bedeutung, da man sich oft kurzfristig entscheidet, wo man hingeht.»

Das führte dazu, dass die «guten, alten Clubs» bei der Programmierung «stärker klotzen müssen», um ihr Publikum zu halten – eine Entwicklung, die alle traditionellen Basler Lokale treffe, das Sommercasino aber besonders. «Wir gelten am Platz Basel schon fast als Dinosaurier mit pädagogischen Altlasten», scherzt Hennig: «Und dieses Label macht uns für Jugendliche natürlich alles andere als sexy.»

Handkehrum könne das Sommercasino als subventionierter Veranstaltungsort mit klar definiertem Leistungsauftrag nicht mit privaten Veranstaltern mithalten. Nicht nur punkto «Wildplakatierung», sondern auch im Booking: «Die Bands verdienen heute kaum mehr Geld mit dem Verkauf von Tonträgern – also schnellen die Gagen für Live-Auftritte in die Höhe.» Eine verständliche, aber schwierige Veränderung: Denn mit 500 Personen sei die Kapazität des Soca begrenzt. Und die Eintrittspreise drastisch zu erhöhen, das sei im Zeitalter der Gratiskultur keine Alternative: «Auch weil viele Jugendliche eh schon ein knappes Budget haben.»

Mit Relaunch das Stigma loswerden

Wie also kann das Haus den «Turnaround» zurück zum Erfolg schaffen? «Wir müssen das Stigma des ‹Kindergartens› loswerden und daran arbeiten, dass gerade unsere Beständigkeit sowie die vielseitige, verästelte Struktur wieder als Stärke wahrgenommen werden», ist Hennig überzeugt.

Was das konkret bedeutet, wird zurzeit durch eine externe Betriebsanalyse abgeklärt. Ende Jahr soll die gemeinsam von BFA und Erziehungsdepartement in Auftrag gegebene Studie vorliegen, bis Mitte 2013 konkrete Massnahmen erarbeitet werden.

Ziel ist, dass das Profil des Hauses als Kulturort, Jugendzentrum und Produktionsstätte wieder geschärft wird. «Geplant ist auf jeden Fall ein Relaunch», so Hennig: «Ob das in Form eines sanften Face-Lifts geschieht, oder ob wir uns völlig neu erfinden müssen, werden wir im nächsten Jahr entscheiden.» Damit das Sorgenkind nach seinem 50. Geburtstag bald wieder in alter Frische erstrahlen möge.

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