Respektlos und völlig überdreht schmettern Regisseur Martin Laberenz und das Schauspielensemble Eugène Labiches Vaudeville-Posse «Das Sparschwein» auf die Basler Schauspielhausbühne. Das Resultat ist amüsant, mit der Zeit aber auch etwas ermüdend.
Paris ist die Hölle. Verführerisch und schön zwar, aber ausgesprochen abgründig. Die Rechnung im Nobelrestaurant bringt die skurril-naive Truppe aus der Provinz an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Und dort verbleiben sie. Bis am Schluss – Deus-ex-machina-gleich – die nicht mehr erhoffte Erlösung aus den Abgründen des Grossstadt-Inferno folgt.
Das ist bei Eugène Labiche so, der 1864 in Paris seine Vaudeville-Komödie «Das Sparschwein» zur Uraufführung brachte. In der Basler Inszenierung von Martin Laberenz (laut Mitteilung des Theater Basel ein «Spezialist für die Abgründe im Slapstick») sind die Fallstricke, welche die Protagonisten in die Abgründe straucheln lassen, bereits zu Beginn aufgestellt.
Überdrehter Slapstick
Der rote Faden der Geschichte ist, wie beim Vaudeville üblich, relativ banal: Eine Pokerrunde aus der Provinz schlachtet das Sparschwein, in dem sich die Spielgelder angesammelt haben. Per Mehrheitsentscheid beschliessen sie, das Geld in der Metropole Paris zu verprassen, was natürlich – kleine Ursache, grosse Wirkung – zu den schlimmsten aller vorstellbaren Verwicklungen führt.
Laberenz legt die Inszenierung als überdrehte Slapstick-Revue an. Von Beginn weg wird auf Teufel komm raus voll aufs Gaspedal gedrückt und die Szenerie ins Groteske überhöht. Begleitet vom hastigen Klavierspiel von Arno Waschk rattern die in grotesken Kostümen im späten Rokoko-Stil (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) eingekleideten Schauspieler stroboskopartig durch den Text. Und über die raffiniert mit verschiedenen erhöhten Podesten versehene Bühne (Bühne: Volker Hintermeier).
Alles ist Karikatur, bizarr, ausgeflippt und vollkommen überhöht. Wenn die Provinztruppe das Sparschwein schlachten will, reicht das kleine Hämmerchen nicht. Der normale Hammer ebenfalls nicht. Also muss der Vorschlaghammer her. Und immer, wenn von einem Schweine- oder sonstigen Braten mit Trüffeln die Rede ist, landet das jüngste Mitglied der Truppe, die naiv-aparte Blanche (Liliane Amuat), auf dem Rücken liegend und quitschend auf dem Tisch.
Verweis auf den Bataclan-Anschlag
Diese Slapstick-Dauergewitter kam nicht beim ganzen Premierenpublikum gut an. Geradezu entsetzt – wenn auch in diskrete Zurückhaltung verpackt – reagierten einige auf ein kurzes Intro zu den Terroranschlägen in Paris. Einer der Schauspieler stellt eine rote Grabeskerze auf die Treppe, und auf die stakkatoartige Textpassage «Pa–Papa-Pata-Paris (es ist zu schön hier) …», die phonetisch natürlich an Bataclan erinnert, wird ein Ausschnitt aus einem «Eagles of Death Metal»-Stück eingespielt. Für einige Argument genug, das Theater nach dem langen ersten Teil in der Pause zu verlassen.
Für alle, die das Theater in der Pause verlassen haben, kann nachgeführt werden, dass es im verpassten zweiten Teil nicht besser wurde. Zumindest für diejenigen, die sich auf die schrille Theatersprache des Regisseurs nicht einlassen konnten oder mochten.
Ein fulminant aufspielendes Ensemble
Für die anderen ging oder geht es im gleichen satten Stakkato weiter. Laberenz inszeniert für Rampensäue und reiht Gag an Gag – manche sind weniger gut, andere besser, einige sogar ausgesprochen originell und überraschend. Zuweilen geht es auch etwas deftig zu, etwa wenn sich Blanche bei einer Kletterpartie von einem Podest zum andern am Penis des nackten Sylvain (Max Rothbart) heraufzuziehen versucht. Nur still und nachdenklich wird es nie.
Fahrig ist der Abend ganz sicher nicht, er zeichnet sich vielmehr durch eine grosse Stringenz aus. Und es ist beachtlich, wie das Schauspielensemble (neben den bereits erwähnten Darstellern sind dies Ingo Tomi, Myriam Schröder, Nicola Matroberardino, Urs Peter Halter, Mario Fuchs, Florian Jahr und Carina Braunschmidt) über die Dauer von mehr als drei Stunden auf der Höhe der Karikatur bleiben können.
Das mit der Dauer von über drei Stunden wird aber auch zum Problem. Eugène Labiche hat mit «Das Sparschwein» ein langes Stück geschrieben. Ein paar zusätzliche Striche vor allem im arg zerdehnten ersten Akt hätten dem Abend sicher gut getan.
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«Das Sparschwein» von Eugène Labiche. Theater Basel, Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen am 19., 27., 31. Dezember und im Januar 2016