Starke Fotos von Halbstarken

Das Museum für Gegenwartskunst präsentiert in einer Ausstellung selten gezeigte Fotografien des Zürchers Karlheinz Weinberger (1921–2006). Dieser porträtierte vor allem eine Jugendkultur, die sich gegen das Establishment wehrte.

Fischermann mit Hut, Sizilien, ca. 1960. (Bild: Karlheinz Weinberger)

Das Museum für Gegenwartskunst präsentiert in einer Ausstellung selten gezeigte Fotografien des Zürchers Karlheinz Weinberger (1921–2006). Dieser porträtierte vor allem eine Jugendkultur, die sich gegen das Establishment wehrte.

Bieder war die Schweiz in den Fünfziger und Sechziger Jahren, bieder und korrekt. Das wenigstens behaupteten einige Jugendliche, die sich zusammenschlossen, um dagegen zu rebellieren. Der Protest der sogenannten «Halbstarken» äusserte sich hauptsächlich in ihrem nonkonformen Kleiderstil: Bestickte Jeansjacken, überdimensionierte Gürtelschnallen oder abgerissene T-Shirt-Ärmel. Unangepasst wollten sie sein, und dadurch fielen sie auf, wenn sie etwa beim traditionsreichen Zürcher Knabenschiessen auf dem Albisgüetli zwischen den Jahrmarktständen rumlungerten.

Ihre Zurschaustellung faszinierte den Fotografen Karlheinz Weinberger. Der Autodidakt, der sein Geld als Lagerist bei Siemens-Albis in Zürich verdiente, begann 1958 damit, die «Halbstarken»-Szene zu dokumentieren. Einige junge Männer lud er ins Studio ein, wo er sie auf Hockern sitzend inszenierte, posierend zwischen selbstbewusst und verletzlich. Andere lichtete er ausserhalb, in ihrem vertrauten Milieu ab, jedoch ohne ihnen zu nahe zu treten.

Eingezogene Bäuche

Mit der Inszenierung von jungen Männerkörpern hatte der Fotograf damals schon Erfahrung. Er porträtierte in der Freizeit seine Liebhaber und Menschen auf der Strasse. Seit 1943 fotografierte er unter dem Pseudonym «Jim» für das Homosexuellenmagazin «Der Kreis» regelmässig Männer mit geschwellter Brust, eingezogenen Bäuchen und engen oder gar keinen Hosen.

Seine Tätigkeiten in diesen von der Gesellschaft geächteten Bereichen führte gar einmal zum Kontakt mit der Polizei. Diese erhoffte sich, mit Hilfe seines Fotoarchivs eine Liste von Homosexuellen und Halbstarken zusammenstellen zu können. Weinberger aber beschriftete seine Fotos nie und stellte sich unwissend, wie der Nachlassverwalter Patrik Schedler erzählt – die Hoffnung der Polizei lief ins Leere.

Die Fotografien aber sind erhalten geblieben. Und sie zeigen auf, was hinter den Kulissen der bürgerlichen Schweiz jahrelang verborgen blieb. Die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst bietet einen interessanten Blick auf ein Stück Geschichte, der einiges offenbart.

> Museum für Gegenwartskunst, Basel, bis 15. April.

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